29.12.2015

Museum

Antike Felsgräber

Foto: Verlag Philip von Zabern

 

Stephan Steingräber führt an ein komplexes Fachgebiet der Archäologie mit viel Gespür und wissenschaftlicher Exellenz heran.

Felsgräber, oder Felsarchitekturen allgemein, sind deutlich sichtbare Marksteine – vor allem in geologisch geeigneten Landschaften rund um das Mittelmeer, aber auch darüber hinaus. Sie sind seit dem 2. Jahrtausend v. Chr. bis in die römische Kaiserzeit hinein entstanden, um den Wohnungen der Toten Dauerhaftigkeit und Monumentalität zu verleihen. Die Grabinhaber, meist Adlige oder sozial herausragende Persönlichkeiten, beabsichtigten, auch nach ihrem Tod öffentlich hervorgehoben zu werden. Felsgräber in exponierten Lagen bedienten dieses Repräsentationsbedürfnis als Zeichen des sozialen Prestiges. Äußerlich oft aufwendig dekoriert, spielten die innen liegende Grabkammer und die Grabbeigaben oft eine untergeordnete Rolle.

 

Der Schwerpunkt des Buches liegt auf der südetruskischen Felsgräberzone, in der die wilde, vegetationsreiche Natur und die einzigartigen Monumente eine kontrastreiche Symbiose eingehen. Das Tuffsteingebiet rund um Viterbo, Tuscania und Blera in Mittelitalien bot die besten Voraussetzungen für die Anlage der vielen Felsnekropolen, die noch vor wenigen Jahrzehnten aufgrund systematischer Abholzungen und Weidebewirtschaftung viel deutlicher sichtbar waren. Doch nicht nur starke Vegetation oder Erdbeben setzen den Jahrtausende alten Bauwerken zu, auch unpassende Umnutzungen zu Tierställen, Garagen oder Weinkellern und verstärkt betriebener Tourismus wirken sich ungünstig auf den Bestand aus. Der Autor zeichnet die Forschungs- und Entdeckungsgeschichte auf und flankiert dabei auch das Thema Grabräuberei, welche teilweise bis heute betrieben wird. Sich für einen nachhaltigen Schutz der freibewitterten Anlagen einsetzend, liegt seine Hoffnung auf einer stärkeren wissenschaftlichen und konservatorischen Beachtung in der Zukunft. So herrscht offenbar großer Forschungsbedarf hinsichtlich Technik und Werkstätten, denn dieses spannende Thema wird auf nur zwei knappen Seiten abgehandelt.

Das Phänomen der Felsarchitekturen ist nicht auf Mittelitalien beschränkt. Im zweiten Teil des schmalen Bandes „entführt“ Steingräber den Leser über Etrurien hinaus zu Felsgräbern anderer Zonen und Kulturen. Er stellt die wichtigsten Felsnekropolen im östlichen Mittelmeerraum vor, ordnet sie typologisch, chronologisch und historisch ein. Zu den griechischen Inseln und Kleinasien führt die Reise, über den Nahen Osten bis hin nach Persien, Afghanistan, Indien und China. Dass beinahe alle diese Gebiete bezüglich ihrer Felsarchitekturen eine eigene Monographie verdient hätten, ist dem Autor bewusst.

Der vorliegende Sonderband der ANTIKEN WELT eröffnet dem Leser ein Randgebiet der Archäologie. Trotz der hohen Fachbegriffsdichte und der Verwendung nicht immer gleich nachvollziehbarer (antiker) Regionalbezeichnungen ist es ein spannendes, vor allem aber sehr flüssig lesbares Werk: nicht nur für Liebhaber der etruskischen Geschichte oder antiker Grabarchitekturen. Die außerordentlich reiche Bebilderung lässt die beschriebenen Landschaften und untersuchten Felsarchitekturen plastisch werden. Der Autor, Professor für Etruskologie und Italische Kulturen an der Universität degli studi Roma Tre, ist der südetruskischen Landschaft mit ihrem „pastoralen Charakter“ merklich verfallen. Und trotzdem gelingt es Stephan Steingräber, dem Leser die hochkomplexe Materie mit der gebührenden Distanz des Forschers nahezubringen.

 

Literaturnachweis: 

Steingräber, Stephan: Antike Felsgräber unter besonderer Berücksichtigung der etruskischen Felsgräbernekropolen, Darmstadt (Philip von Zabern) 2015, 144 Seiten, 162 überw. farbige Abbildungen, Hardcover mit Schutzumschlag, 29,95 Euro.

Weitere Informationen finden Sie auf der Verlagsseite

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