Papierrestauratorin und Kunsthistorikerin Heike Birkenmaier leitet beim traditionsreichen Münchner Auktionshaus Karl & Faber die Abteilung Alte Meister & Kunst des 19. Jahrhunderts. Ein Porträt
Kunstgeschichte und Restaurierung, das sind die Disziplinen, die Heike Birkenmaier perfekt vereint. „Diese Kombination finde ich sehr praktisch und hilfreich für meine Arbeit“, verrät die Expertin, die beim traditionsreichen Münchner Kunstauktionshaus Karl & Faber – das Unternehmen feiert 2023 sein 100-jähriges Jubiläum – die Abteilung Alte Meister & Kunst des 19. Jahrhunderts leitet. Eine lange Ausbildung hat sie hinter sich: Nach einer Buchbinderlehre absolvierte sie ein Studium der Restaurierung und Konservierung von Kunst auf Papier am Camberwell College of Arts in London und setzte dann noch ein komplettes Studium der Kunstgeschichte in München darauf. „Die Materialkenntnis, die ich zum Beispiel über Papier habe, finde ich sehr wichtig. Ein Restaurator fasst Papier noch einmal ganz anders an, als jemand der nur rein inhaltlich arbeitet. Die Objekte sind auf einem Werkstoff, dem Papier, aufgeführt, und da überlegt man als erstes: Passt das Papier zu der Zeit, in der das Kunstwerk entstanden sein soll? Auch im Bereich der Druckgrafik – hier sind wir weltweit ein führendes Haus und haben viel Dürer und Rembrandt im Angebot – stellen sich viele Fragen: Ist es ein Papier von Rembrandt aus dem 17. Jahrhundert – zeigt es eine Struktur mit Ripp- und schattierten Kettlinien? Ist es ein Papier aus dem 18. Jahrhundert oder noch später?“
Der Blick auf das Papier ist immer lohnenswert
Auch bei Zeichnungen lohnt es sich, einen Blick auf das Papier zu werfen. Wie sieht das Wasserzeichen aus? Wie wurde das gestrichene Papier einer Silberstiftzeichnung behandelt, die ihre Blütezeit im 15. Jahrhundert hatte? Wie sieht hier die Grundierung aus? Auch das sind Überlegungen, die Heike Birkenmaier bei ihren Expertisen immer wieder anstellt. „Das Schöne an meinem Beruf ist, dass man dazulernt,“ freut sich die Papierexpertin. „Man bekommt viele Stücke in die Hand, gewinnt mit jedem Objekt mehr an Erfahrung und entdeckt immer etwas Neues. Gerade beschäftige ich mich mit einer Radierung von Rembrandt und habe einen neuen Zustand zwischen zwei Druckzuständen herausgefunden. Dieser war der kunsthistorischen Forschung bislang noch nicht bekannt.“ Das Blatt wurde in der Auktion am 15. Mai 2020 versteigert.
„Rembrandt verwendete üblicherweise europäische Papiere“, erklärt Heike Birkenmaier
Und noch ein spannendes Kunstwerk aus der dieser Auktion lag bei Heike Birkenmaier auf dem Tisch: Eine Rembrandt-Grafik auf Chinapapier – eine Rarität. „Üblicherweise verwendete Rembrandt europäische Papiere“, erklärt Heike Birkenmaier. „Der Künstler hat aber auch auf Pergament gedruckt – und war überhaupt ein experimenteller Druckgrafiker; alle möglichen Papiere hat er ausprobiert. Seine Heimatstadt Amsterdam war ein bedeutender Handelsplatz. Wenn Schiffe, und damit auch Papiere aus China und Japan ankamen, hat er diese gekauft und verwendet. Das sogenannte Chinapapier wurde wohl auch in Japan hergestellt: Es ist hauchdünn und besteht aus Gampi-Fasern. Weil es eine sehr geschlossene Oberfläche besitzt, kommt der Druck dann sehr satt.“ Von diesem speziellen Rembrandt-Blatt, einem sitzenden männlichen Akt, gibt es nur drei Exemplare weltweit auf Chinapapier: zwei davon im Museum – und eines damals bei Karl & Faber.
Heike Birkenmaier M. A. studierte Restaurierung/Konservierung von Kunst auf Papier am Camberwell College of Arts in London und Kunstgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Zu ihren beruflichen Stationen zählen die Restaurierungsabteilungen des Bayerischen Hauptstaatsarchivs und des Bayerischen Nationalmuseums in München sowie die Leitung der Grafikrestaurierung in Nürnberg. Seit 2019 leitet sie die Abteilung Alte Kunst & Kunst des 19. Jahrhunderts beim Münchner Auktionshaus Karl & Faber. Zu ihren Spezialgebieten gehören die Druckgrafik Alter Meister, insbesondere von Dürer und Rembrandt, sowie niederländische Gemälde des Goldenen Zeitalters.