Unter dem Titel „Schutzumschläge für Weimar“ wurde in der RESTAURO 2/2017 auf ein von der Koordinierungsstelle zur Erhaltung des schriftlichen Kulturgutes (KEK) gefördertes Modellprojekt der Herzogin Anna Amalia Bibliothek eingegangen. In diesem Beitrag wird die Entwicklung und Herstellung eines einfachen aber vielseitig anwendbaren Schutzumschlags für Seiden- und Seidensamteinbände vorgestellt. Bei den im Mittelpunkt des Modellprojekts stehenden Seiden- und Seidensamteinbänden aus dem 17. bis 20. Jahrhundert besteht auf Grund des empfindlichen Bezugsmaterials und den teilweise fragilen Applikationen nahezu immer die Gefahr von Beschädigung und Materialverlust durch Umwelteinflüsse und Handhabung.
Es verwundert, dass Schutzumschläge bislang in der Fachliteratur nur selten Beachtung finden, obwohl deren Vorteile unumstritten sind. Sie verringern im Bibliotheksalltag deutlich das Schadensrisiko für das Bezugsmaterial. Bei bereits bestehender Beschädigung des Einbands reicht in vielen Fällen durch die Kombination mit einem Schutzumschlag eine minimalinvasive Maßnahme aus, um die Funktionalität des Buches wieder herzustellen und es auch bei fortlaufender Benutzung vor weiteren Schäden zu bewahren. Auf diese Weise wird ein maximaler Originalerhalt gewährleistet.
Dass Bucheinbände im Laufe der Zeit durch Benutzung und Umwelteinflüsse Schaden nehmen, ist keineswegs eine Erkenntnis der Neuzeit – so finden sich in fast allen Bibliotheksbeständen Beispiele für historische Schutzumschläge, welche zu dem Zweck angefertigt wurden, den eigentlichen Einband zu schonen. In den meisten Fällen kam dabei ein einfacher Papierbogen zum Einsatz, in welchen der Bucheinband eingeschlagen wurde. Es finden sich jedoch ebenso passgenau angefertigte und aufwendig gestaltete Umschläge, welche der Schönheit des Originaleinbandes in nichts nachstehen. Allen gemein ist der Verdienst, die Einbandmaterialien vor schädigenden Einflüssen bewahrt zu haben, so dass sich diese heute in einem außergewöhnlich guten Zustand präsentieren. Die Veränderung, welche an den Materialien andernfalls abgelaufen wäre, kann man gut in Bereichen beobachten, an denen durch mechanische Belastung Fehlstellen im Schutzumschlag entstanden sind und das Einbandmaterial Licht, Staub und Handhabung direkt ausgesetzt war.
In der Bestandserhaltung der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar werden seit Jahren verschiedene Schutzumschlagvarianten eingesetzt. Diese lassen sich jedoch nicht auf alle Einbandgruppen übertragen, da sie teilweise das Einbandmaterial nicht vollständig bedecken oder auf Grund ihrer Konstruktion Umschlagkanten direkt auf dem Originalmaterial aufliegen. Dadurch kann es bei Samtgeweben zu Abdrücken im Flor kommen oder auch zu Beschädigung und Verlust von Applikationen, welche an den Kanten hängenbleiben. Zudem neigen die bereits bekannten Schutzumschlagkonstruktionen dazu, sich beim mehrmaligen Öffnen des Buchblocks von Samteinbänden herunterzuarbeiten. Dies ist vermutlich auf den für Samt typischen Flor zurückzuführen. Ziel des Modellprojekts war daher die Entwicklung eines geeigneten Schutzumschlags für Seiden- und Seidensamteinbände, welcher einen vollständigen Schutz des Einbandmaterials vor Licht, Berührung und mechanischer Belastung gewährleistet, unkompliziert in der Herstellung ist und aus alterungsbeständigen, stabilen Materialien mit einem neutralen pH-Wert gefertigt werden kann.
Verschiedene Schutzumschlagvarianten wurden eingehend erprobt und diskutiert
Besonders zielführend erwies sich ein interdisziplinärer Fachaustausch mit Restauratoren verschiedener Institutionen, welche bereits über Erfahrungen auf dem Gebiet der Konservierung historischer Seiden- und Seidensamteinbände bzw. dem Einsatz von Schutzumschlägen verfügen. Vertreten waren die Bibliothèque nationale de France, die British Library, die Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, die Österreichische Nationalbibliothek sowie die Staatsbibliothek zu Berlin. Im Rahmen eines zweitägigen Workshops an der Herzogin Anna Amalia Bibliothek – Klassik Stiftung Weimar wurden verschiedene Schutzumschlagvarianten und die dafür in Frage kommende Materialien eingehend erprobt und diskutiert. Die daraus resultierenden Erkenntnisse bildeten die Basis zur Entwicklung einer Schutzumschlagversion, welche die Anforderungen der Seiden- und Seidensamteinbände weitestgehend erfüllt. Als Material hat sich das Fotoarchivpapier (ungepuffert, 90 g/m² bzw. bei Folio-Formaten 120 g/m²) als besonders geeignet herausgestellt, da es der Konstruktion Stabilität verleiht und gleichzeitig flexibel genug ist, um eine ausreichende Benutzung des Buches zu gewährleisten. Durch die Verwendung des opaken Materials ergibt sich der Nachteil, dass ggf. vorhandene fragile Applikationen oder beschädigte Bereiche nicht mehr zu sehen sind. Dafür wird ein zusätzliches Hinweisschild auf den Schutzumschlägen der betreffenden Bände aufgebracht. Für den Fall, dass der Benutzer den Einband oder die ebenfalls verdeckten Spiegel zu sehen wünscht, kann der Umschlag von geübtem Personal problemlos entfernt und später wieder angebracht werden. Zum Abschluss des Modellprojekts wurde eine Leistungsbeschreibung in Form einer Verfahrensanweisung zur Konservierung historischer Seiden- und Seidensamteinbände mittels Schutzumschlag erstellt, die sowohl intern als auch im Rahmen von Auftragsvergaben genutzt werden kann (siehe pdf- Dokument). Auch bei Einbänden mit Buchschließen oder Mappen mit Seiden- bzw. Seidensamtbezug kann die Konstruktion mit einer einfachen Variation angewendet werden.