06.02.2017

Museum

Sehnsucht nach Italien


Italienbegeisterung in Dresden

 

Die Staatliche Kunstsammlung Dresden zeigt vom 10. Februar bis 28. Mai 2017 bisher nie ausgestellte Italienbilder aus den eigenen Beständen. Vom blauen italienischen Himmel wäre jedoch ohne eine Restaurierung nichts zu sehen gewesen.

Eine Italienbilderausstellung ist eine beliebte, aber nicht sonderlich überraschende Idee für ein deutsches Museum. Denn die Italiensehnsucht, die Faszination für das besondere Licht des Südens, für die prächtigen italienischen Städte, die elegant zerfallenen antiken Bauten existierte schon vor Goethe, wurde durch ihn befeuert und riss seitdem nie ganz ab. Die Kunstsammlungen Dresden haben sich trotzdem für eine solche Ausstellung entschieden, zeigen 130 „Italienbilder des 19. Jahrhunderts zwischen Lorrain, Turner und Böcklin“ und schaffen es – neben Leihgaben aus der ganzen Welt – viel Ungesehenes, Unbekanntes aus den eigenen Depots auszustellen.

Denn dort lagerten neben Gemälden bekannter Dresdener Künstler wie Carl Gustav Carus und Ludwig Richter 36 unrestaurierte und seit Jahrzehnten nicht ausgestellte Italienbilder weniger bekannter Maler – zum Beispiel von Johann Carl Baehr, Sophie Prell, Franz Albert Venus und Heinrich Gärtner. Die Fülle überrascht nicht, wie die Kuratoren Andreas Dehmer und Heike Biedermann in einem ausführlichen Katalogtext darlegen. Denn die Italienbegeisterung war hoch unter Dresdener Künstlern, und die Dresdener Kunstakademie schickte jahrelang Stipendiaten nach Rom, wie andere Akademien auch.

Arnold Böcklin (1827–1901), Der Sommertag, 1881, Öl auf Mahagoni, 61 x 50 cm, Albertinum/Galerie Alte Meister. Foto: Hans-Peter Klut
Claude Lorrain (1600–1682), Küstenlandschaft mit Acis und Galatea, 1657, Öl auf Leinwand, 100 x 135 cm, Gemäldegalerie Alte Meister. Foto: Elke Estel/Hans-Peter Kluth
Ernst Ferdinand Oehme (1797–1855), Villa d'Este in Tivoli, 1833, Öl auf Leinwand, 57 x 85,5 cm, Albertinum/Galerie Neue Meister, (c) SKD. Foto: Ursula Maria Hoffmann
Max Klinger (1857–1920), Das Kolosseum in Rom, 1888, Öl auf Leinwand, 77 x 102 cm, Albertinum/Galerie Neue Meister, (c) SKD. Foto: Elke Estel/Hans-Peter Kluth
Joseph Mallord William Turner (1775–1851), Italienische Bucht, ca. 1827/1828, Öl auf Leinwand, 60,3 x 102,2 cm, Tate: Accepted by the nation as part of the Turner Bequest 1856. Foto: Tate/Tate Images
Carl Christian Vogel von Vogelstein (1788–1868), Junge Dame mit Zeichengerät, 1816, Öl auf Nussbaum, 70 x 48,5 cm, Albertinum/Galerie Neue Meister, (c) SKD. Foto: Jürgen Karpinski
Hans von Marées (1837–1887), Orangenpflücker, 1873 (Studie zum Fresko der Südwand der Zoologischen Station in Nepal), Öl auf Leinwand, 198 x 98 cm (c) Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie. Foto: bpk/Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin/Jörg P. Anders

Vergilbter Firnis verdeckt Ölmalerei

„Vom blauen italienischen Himmel wäre allerdings ohne die Restaurierungen oft nichts zu sehen gewesen“, sagt Marlies Giebe, die Leiterin der Restaurierungswerkstatt der Gemäldegalerie Alte Meister und Galerie Neue Meister der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Gemeinsam mit einem Team von 18 Restauratoren konnte sie in den vergangenen zwei Jahren 36 Gemälde und 38 Rahmen restaurieren. „Bei den meisten Gemälden, die wir restauriert haben, war der Firnis stark vergilbt“, sagt Restauratorin Giebe. Besonders Oswald Achenbachs großformatiges Gemälde „Rocca di Papa im Albaner Gebirge“ musste Giebe durch den vergilbten Firniss eine starke Entstellung bescheinigen. Doch nach der Firnisabnahme sind die „fein vertriebenen Farbmodulationen, die frei gesetzten Pinselaufträge und die mit dem Finger aufgewischten ‚Drücker‘ auf teils abgeschabten oder bekratzten Farbschichten“ wieder sichtbar.

Bei zwei Gemälden des Dresdner Malers Johann Carl Baehr, die in den 1960er Jahren aus Privatbesitz in die Sammlungen kamen, musste nicht nur der Firnis erneuert, sondern auch die Bildträger stabilisiert werden. Denn Baehr malte auf Papier, das später auf Gewebe kaschiert und auf einen Keilrahmen verklebt worden war. Auf Papier direkt vor dem Bildgegenstand zu malen war gängige Praxis bei den Italienfahrern. „Die typischen Spuren von Reißnägeln in den Ecken der Bilder zeigen, dass diese kleinen Ölstudien auf Papier gemalt und meist früher oder später auf Pappe, Leinwand oder Holztafeln aufgezogen worden waren“, sagt Marlies Giebe. Die Schäden waren überall ähnlich: Gewebeschäden, Einrisse, Malschichtverluste, ältere Retuschen und Verzerrungen der Bildträger.

Fremdartige Farbigkeit

Auch wenn die Gemälde mit den italienischen Motiven eher von einer Sehnsucht nach Vergangenheit künden, so nutzten immer mehr Künstler um die Mitte des 19. Jahrhunderts die neuen, industriell hergestellten Farben. Den Unterschied zu älteren Bildern mit klassischen Farbpigmenten zeigt nach der Restaurierung zum Beispiel die „Campagnalandschaft“ von Johann Jacob Frey, der Marlies Giebe eine „erstaunlich leuchtende und fremdartige Farbigkeit“ bescheinigt. „Mitunter wurden selbst klassische Erdpigmente durch Zugabe synthetischer Farbmittel verstärkt, man sprach von Anfeuern“, sagt Giebe.

Rahmenrestaurierung

Auch die Rahmenmacher nutzten die neuen Möglichkeiten – nicht immer mit langlebigem Ergebnis und auch nicht zur Freude der Restauratoren. Die Dresdner Restauratoren mussten 38 Rahmen einen ungepflegten Zustand und zahlreiche Beschädigungen und unsachgemäße Überarbeitungen bescheinigen. Dieser Zustand hat ebenfalls mit der verstärkten industriellen Serienproduktion zu tun. Da die Schnitzarbeit aufwendig war, begann man vorgefertigte Stuckelemente auf hölzerne Profilleisten zu applizieren und experimentierte bei den teuren Vergoldungen mit billigeren Materialien. Die Schäden reichten von abgebrochenen Applikationen bis zu Oxidationen der Metallauflagen.

In der Ausstellung sehen die Besucher von all diesen Schäden nichts mehr. Doch Marlies Giebe schildert in den parallel erscheinenden „Dresdner Kunstblättern“ ausführlich die Besonderheiten der restauratorischen Arbeiten.

„Unter italischen Himmeln. Italienbilder des 19. Jahrhunderts zwischen Lorrain, Turner und Böcklin“, Dresden Albertinum, 10. Februar bis 28. Mai

Publikationen

Andreas Dehmer/Staatliche Kunstsammlungen Dresden (Hrsg.): Italienische Landschaft der Romantik. Malerei und Literatur, Dresden 2016.

Andreas Dehmer und Heike Biedermann/Staatliche Kunstsammlungen Dresden (Hrsg.): „Italienbilder zwischen Romantik und Realismus“, Dresden 2017, 39,80 Euro.

Dresdener Kunstblätter, Band 1/2017: Sehnsucht Italien, Sandstein Verlag, 5 Euro.

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