07.05.2021

Ausstellungen Kunststück Museum

Osttiroler Baukultur und mehr

hier das Sujet „Madonna mit dem Christuskinde“. Foto: Wolfgang Lackner
hier das Sujet „Madonna mit dem Christuskinde“. Foto: Wolfgang Lackner

Zum 100. Todestag bewertet aktuell eine große Retrospektive im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck Franz von Defreggers Schaffen neu

hier das Sujet „Madonna mit dem Christuskinde“. Foto: Wolfgang Lackner
Ein Bereich beleuchtet die Reproduktionsindustrie rund um Defregger, hier das Sujet „Madonna mit dem Christuskinde“. Foto: Wolfgang Lackner

Schon als Kind zeichnete Franz von Defregger (1835–1921) Geldscheine so täuschend echt, dass eine Gastwirtin darauf hereinfiel. Das künstlerische Talent des Tiroler Bauernbuben aus dem abgelegenen Ederhof war enorm. Defregger brachte es weit in München. Ludwig II. ernannte ihn zum Professor und adelte ihn. 1882 bezog der Maler mit seiner Familie eine Villa in der Königinstraße, erbaut im altdeutschen Renaissance-Stil – wie es sich für einen Malerfürsten gehörte. Seine Auftragsbücher waren gut gefüllt. Zu seiner Kundschaft gehörte sogar die Berliner Nationalgalerie.

Das einfache Leben, urig und unverfälscht, fügte Defregger in seinen Bildern immer wieder neu zusammen: majestätische Berge, einsame Höfe, furchtlose Wilderer und fesche Sennerinnen, Burschen, die Karten spielen und ihre Bräute zum Tanz ausführen. Defregger lieferte, was der Zeitgeist verlangte. Karl von Piloty war sein Lehrer an der Akademie. Der Historienmaler brachte Defregger bei, eine Bild-Erzählung dicht zu inszenieren. Doch es gibt noch eine ganz andere, bislang unbekannte Seite des Malers: den modernen Defregger.

Denn der Maler blieb nicht – wie allgemein angenommen – abgeschottet gegen die Moderne aus Frankreich. Private, größtenteils unbekannte Arbeiten zeigen eine unkonventionellere, impulsive Malweise, die deutliche Einflüsse der Schule von Barbizon und eine Nähe zum Impressionismus aufweisen. Das zeigt nun zum 100. Todestag des Malers das Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck (bis 16. Mai 2021) und bewertet damit sein Schaffen neu: zwischen Moderne und Tradition, Identität und Image, Mythos und Missbrauch.

Die Ausstellung konzipierten Dr. Peter Scholz, Kurator am Tiroler Ferdinandeum in Innsbruck, Kunsthistorikerin und Journalistin Angelika Irgens-Defregger, Ehefrau des Urenkels von Franz von Defregger, und Dr. Helmut Hess, Geschäftsführer der Münchner Richard-Stury-Stiftung. Die Schau führt erstmals seit Jahrzehnten viele der bekannten Hauptwerke aus Europa und den USA zusammen, setzt sie in Beziehung zur Moderne und verdeutlicht, wie innovativ viele von Defreggers Werken sind.

Erstmals werden sie etwa mit Fragen zu Identität und Geschlechterrollen konfrontiert, aber auch der Unternehmer Defregger wird vorgestellt. Denn der Künstler hatte den damals neuen Markt der Kunstreproduktionen für sich entdeckt. An Abbildungsrechten verdiente er mehr als andere Künstler an Originalen, wie Helmut Hess recherchierte. So verkaufte Gustav Klimt auf der Glaspalast- Ausstellung 1901 ein Bild für 1.000 Mark. Das Fünffache bekam Defregger für die Vervielfältigungsrechte seines religiösen Sujets „Die Madonna mit dem Christuskinde“ vom Münchner Kunstverlag Franz Hanfstaengl.

Außerdem thematisiert die Ausstellung die politische Aufladung seiner Historiengemälde und deren posthume missbräuchliche Rezeption im Nationalsozialismus genauso wie die Perspektive auf die ländliche Lebensweise, Tracht und Architektur. Hochinteressant ist in diesem Zusammenhang ist der Beitrag von PD Dr. Christoph Hölz, Lehrbeauftragter und stellvertretender Leiter des Innsbrucker Archivs für Baukunst, der sich ausgehend vom Geburtshaus des Malers, das 1934 abgebrannt und im gleichen Jahr wiederaufgebaut und nicht rekonstruiert wurde, mit den Motiven der Osttiroler Baukultur in den Gemälden Franz von Defreggers auseinandergesetzt hat.

Lesen Sie weiter in der RESTAURO 3/2021.

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