14.05.2021

Beruf Museum

Grundwissen über Pilze

Von Schimmel befallenes Buch. Foto: Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt

Von Schimmel befallenes Buch. Foto: Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt

Bei Schimmelbefall auf Büchern und Archivmaterial sollten Restaurator:innen auch über die Morphologie und Physiologie von Pilzen Bescheid wissen

Von Schimmel befallenes Buch. Foto: Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt
Von Schimmel befallenes Buch. Foto: Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt

Morphologie der Pilze

Plötzliches oder bislang übersehenes Auftreten von Schimmelbefall in Bibliotheken oder Archiven zwingt Restaurator:innen oft zu raschem Handeln. In der Regel werden einschlägig Sachverständige für die genauere Bestimmung der beteiligten Pilze herangezogen, die Proben von den befallenen Stellen für weitere Untersuchungen nehmen und auch versuchen, die Quellen für diesen Befall aus den spezifischen Umweltbedingungen, vor allem Sporengehalt der Raumluft und Pilzvorkommen an Wänden und Regalen in der unmittelbaren Umgebung zu ermitteln und Methoden zu seiner Bekämpfung zu nennen.

Im Vordergrund steht dabei für den Fachmann oder die Fachfrau auf dem Gebiet der Mykologie vor allem einmal die möglichst genaue Bestimmung der in den Proben vorhandenen Arten, was neben einer Untersuchung unter dem Mikroskop oft auch die Anlage von Kulturen auf Nährböden erfordert, die etwa bei Proben aus der Raumluft unerlässlich ist. Diese Arbeiten benötigen meist einen nicht unbeträchtlichen Zeitaufwand, der sich in den resultierenden Kosten niederschlägt.

Man verstehe diese Aussage nicht falsch: Es handelt sich dabei um die korrekte Vorgangsweise vor allem auch im Sinne der Gesundheitsvorsorge für das Personal und der unmissverständlichen Darstellung des betreffenden Falles in einem Befundsbericht. Dennoch sollten auch zuständige Restaurator:innen sich möglichst schnell ein Bild von der Situation machen, um wirksam eingreifen zu können, bevor größerer Schaden entsteht. Dazu helfen die Artenlisten der festgestellten Pilze recht wenig.

Es muss betont werden, dass die gelegentlich vorgebrachte Ansicht, es wären ohnehin Maßnahmen zur Bekämpfung zu treffen, die für alle Pilze gelten, grundfalsch ist, weil es solche Maßnahmen nicht oder nur zur Vorbeugung gibt. Mit der Bestimmung der Art ist aber noch keineswegs klar, was zu tun ist. Andererseits sollte der Fachmann oder die Fachfrau für Pilze nicht beurteilen, was eindeutig in das Gebiet der Restaurator:innen fällt. Vor allem ist es notwendig, dass Restaurator:innen über Kenntnisse verfügen, die sie in die Lage versetzen, die Wirkungsweise der von ihnen einzusetzenden Methoden in jedem Einzelfall zu verstehen, was einiges Grundwissen über Pilze voraussetzt. Dieses Grundwissen zu vermitteln, ist Zweck der folgenden Zeilen.

a) Vegetativer Teil (Myzel) Morphologie ist die Lehre von der Gestalt der Organismen, während ihr innerer Aufbau Gegenstand der Anatomie ist. Die Grenzen zwischen diesen beiden Disziplinen sind aber oft fließend, vor allem im angelsächsischen Bereich wird gelegentlich keine so strikte Trennung vorgenommen. Der vegetative Abschnitt des Vegetationskörpers der Pilze, also des Teils, der nicht im Dienst der Fortpflanzung steht, kann entweder aus einer einzelnen Zelle oder aus mehrzelligen Fäden bestehen, die als Hyphen bezeichnet werden.

Eine Zwischenstellung nehmen jene Pilze ein, bei denen einzelne Zellen bei der Teilung eine Tochterzelle als vorerst kleine Ausstülpung bilden, die sich schließlich selbstständig macht oder aber mit der Mutterzelle verbunden bleibt, wodurch mit der Zeit perlschnurartige Ketten oder verzweigte Gebilde entstehen, zwischen den Zellen aber immer eine Einschnürung erhalten bleibt. Man nennt diesen Zellbildungsvorgang Knospung, er stellt das wesentliche Charakteristikum der Hefepilze oder kurz Hefen dar.

Pilze, die nur aus Hyphen bestehen und keine komplexen Fruchtkörper – aus verflochtenen Hyphen gebildete dreidimensionale, meist annähernd kugelige Gebilde, in deren Innerem sich die Organe zur Fortpflanzung befinden – entwickeln, werden als Schimmelpilze bezeichnet, wobei es sich um keinen streng wissenschaftlichen Ausdruck handelt. Ihre Bestimmung erfolgt unter dem Mikroskop, es sind wie auch die meist unter 1 Millimeter große Fruchtkörper in oder auf Papier ausbildenden Arten „Mikropilze“, denen die Großpilze mit mehrere Millimeter bis mehrere Zentimeter erreichenden, dreidimensionalen Fruchtkörpern als Begriffspaar gegenüberstehen.

Auf Papier spielen so gut wie ausschließlich Schimmelpilze eine Rolle, Hefen können ausnahmsweise auftreten und sind oft in der unmittelbaren Umgebung vorhanden, richten aber keinerlei Schaden an. Einige von ihnen können allerdings als Allergene und gelegentlich auch als Pathogene die menschliche Gesundheit gefährden. Die vorwiegend aus Chitin, einem Stickstoff enthaltenden Kohlehydrat, bestehenden Zellwände der Hyphen können dünn und farblos oder hell gefärbt sein, aber auch dickwandig und dunkel- bis schwarzbraun, seltener schwarzgrün.

Wir werden später sehen, dass dieser Unterschied für die Bekämpfung durch Fungizide von grundlegender Bedeutung ist. Bei einigen Arten entstehen auch kleine, dreidimensionale, mehr oder minder knollige, aus wenigen dickwandigen Zellen bestehende Gebilde, die Sklerotien genannt werden und der Überdauerung ungünstiger Außenbedingungen dienen. Einzellige, meist kugelförmige Strukturen mit der gleichen Funktion der Überdauerung heißen Chlamydosporen. Sie sind mitunter auch in den Hyphenverlauf eingebaut.

Lesen Sie mehr zum Thema Pilze in der RESTAURO 2/2019.

Scroll to Top