30.09.2016

Kunststück

Von wegen Blau


Pink-Pigmente entdeckt

 

Wissenschaftler aus Chicago untersuchten Pigmente des berühmten Gemäldes „Schlafzimmers in Arles“ von Vincent van Gogh und machten dabei erstaunliche Entdeckungen.

In den Jahren 1888 und 1889 malte Vincent van Gogh drei Varianten des „Schlafzimmers in Arles“. Alle Ölgemälde zeigen sein Schlafgemach aus derselben Perspektive – mit Bett, Stühlen, Tisch, Fenster und Bildern an den Wänden. In seinen Briefen hat der Künstler die Farben dieser drei Versionen präzise beschrieben: gelbe Möbel, rote Tagesdecke, violette Türen und blass lilafarbene Wände. Die drei Gemälde zeigen heute jedoch deutlich blaue Wände. Dies war der Anlass für die Forscher des Art Institute of Chicago, wo eines der Bilder hängt, die verwendeten Farben genau zu analysieren.

„Gemeinsam mit meinem Team haben wir daraufhin die Version des Gemäldes im Art Institute of Chicago über Jahre mit zahlreichen Methoden untersucht”, sagte Francesca Casadio, Kunstwissenschaftlerin vom Art Institute of Chicago, bei der Präsentation der Ergebnisse während der US-Wissenschaftskonferenz AAAS (American Association for the Advancement of Science) in Washington.

Um die Farbpalette zu bestimmen, kamen unter anderem das Mikroskop und die Mikro-Röntgenfluoreszenzanalyse zum Einsatz. Die Forscher entnahmen eine kleine Probe der blauen Farbe der Wände. „In der Schicht der blauen Farbe waren pinkfarbene Partikel enthalten, die aus Karminlack hergestellt wurden“, erläutert Casadio. Das natürlich erzeugte, lichtempfindliche Pigment ist wohl über die Jahre verblasst, sodass hauptsächlich die blauen Pigmente zurückblieben und unter ihnen nur noch wenige pinkfarbene Spuren vorhanden waren. Ursprünglich hatte van Gogh für die Wände tatsächlich eine Mischung aus Blau und Rosa verwendet, was Violett ergibt.

Spuren des Karminlacks hätte man auch in den beiden anderen Bildern, die sich derzeit in Paris und Amsterdam befinden, gefunden, so Casadio weiter. Auch andere Pigmente hatten sich inzwischen verändert: So war das für das Bett verwendete Gelb intensiver und der Fußboden hatte einen wesentlich geringeren Grünstich als heute.

Die verwendeten Pigmente des Gemäldes „Schlafzimmer in Arles“ in Chicago wurden genau analysiert. Foto: public domain
Auch in diesen Version, die im Musee d’Orsay in Paris ... Foto: public domain
... und im Van Gogh Museum in Amsterdam zu sehen sind, finden sich pinkfarbene Pigmentreste. Foto: public domain
Francesca Casadio präsentiert eine rekonstruierte Version des Gemäldes, die viel deutlichere Farbkontraste zeigt als die Originale. Foto: 2016 Atlantic Photo – Boston

Sonnenlicht und LEDs als mögliche Ursache

Die Veränderungen der von van Gogh verwendeten Farben beschäftigen die Kunstforschung bereits seit einiger Zeit. 2013 wurde bekannt, dass sich das Gelb van Goghs je nach Farbmischung durch Lichteinstrahlung auf unterschiedlichen Bildern in Braun- und Grüntöne verändert hatte. Hauptursache für diesen Effekt könnte neben chemischen Prozessen in den Farbmischungen und der UV-Strahlung die Museumsbeleuchtung sein. Einige Forscher warnen bereits vor bestimmten LED-Lichtern, was in mehreren Museen schon zu ihrem Verbot führte.

Aus den Ergebnissen des untersuchten „Schlafzimmers in Arles“ in Chicago fertigten die Wissenschaftler eine Replik des Bilds in den originalen Farbtönen an: Die Farbkontraste sind viel deutlicher als bei den Originalen. Francesca Casadio dazu: „Wir sind nicht nur am Malprozess und an der Technik interessiert, sondern auch am Gemütszustand van Goghs, in dem sich er sich befand, während er die Werke schuf.“ Die Ergebnisse der Pigmentanalyse bieten demnach auch neue Interpretationsmöglichkeiten für die Kunstgeschichte.

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