05.09.2018

Projekte

Beim weltberühmten Isenheimer Altar ist das Können und Wissen von Restauratoren gefragt


Die französischen Restauratoren Juliette Lévy und Anthony Pontabry leiten die Maßnahmen

Die Restaurierung der Ikone der abendländischen Kunstgeschichte wird wieder aufgenommen. Ein Prozess, der sich über vier Jahre erstrecken wird. Gestern fand dazu eine große Pressekonferenz in Colmar statt

Er gilt als Highlight des Musée Unterlinden in Colmar und wird dort nach der Erweiterung des Museums durch das Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron in einem sehr repräsentativen Rahmen präsentiert: Der Isenheimer Altar, der zu den Ikonen abendländischer Kunstgeschichte zählt. Den aufwendigen Wandelaltar schuf Matthias Grünewald nach 1512 für die Kirche des Antoniter-Spitals von Isenheim, einem kleinen Dorf am Rande der Vogesen. Er besteht aus mehreren Gemälden – sie zählen zu den Meisterwerken deutscher Tafelmalerei – und ist mit einer bemalten Gesamtfläche von knapp vierzig Quadratmetern angelegt. Die Skulpturen im Altarschrein stammen von dem um 1490 in Straßburg tätigen Bildschnitzer Niklaus von Hagenau. Guy Guers, Präzeptor des Antoniterordens, gab das Polyptychon in Auftrag. In geschlossenem Zustand zeigt der Isenheimer Altar die Kreuzigung Christi, an den Seiten den Heiligen Sebastian und den Ordenspatron Antonius sowie in der Predella die Grablege Christi. An hohen liturgischen Festtagen wurde der Altar geöffnet.

Nach den letzten Arbeiten im Jahr 2011 wird jetzt die Restaurierung des weltberühmten Altars wieder aufgenommen – eine Arbeit, die erstmals den gesamten Retabel, d. h. die Gemälde und die Skulpturen umfasst. Dafür ist ein Zeitraum von vier Jahren angesetzt. Das Können und Wissen der Restauratoren ist nun gefragt. Nicht nur die nachgedunkelten Bildtafeln, sondern auch die Schnitzereien und die Kassette stehen auf dem Programm. Zunächst werden die Skulpturen und die zum Altar gehörenden Schnitzereien von Niklaus von Hagenau gereinigt. Zu der Restaurierungskampagne fand gestern eine große Pressekonferenz in Colmar statt. Eine Expertenrunde stellte das 1,2 Millionen Euro teure Projekt vor und gab erstmals die Namen der beiden leitenden Restauratoren bekannt: Juliette Lévy wird die Bildschnitzereien mit Unterstützung von zehn Fachleuten bearbeiten, Anthony Pontabry die Tafeln mit einem 21-köpfigen Team. Beide zeichnen sich durch jahrzehntelange Erfahrung in den jeweiligen Kunstgattungen aus. Im Museé Unterlinden präsentierten die Fachleute gestern die erste Restaurierungsphase der Skulpturen, die die Fixierung, Säuberung und Behebung von Fehlstellen in der Polychromie der dekorativen Elemente wie Baldachin und Rankenornamente, die konstruktiven Teile und den neuzeitlichen Altarkasten beinhalten. Ein wissenschaftliches Fachgremium unter dem Vorsitz von Blandine Chavanne, der Chefin der Verwaltungsbehörde für die französischen Museen, und Thierry Cahn, Präsident der Societé Schongauer, begleitet die Restaurierungsmaßnahmen – tatkräftig unterstützt vom Centre de Recherches et de Restauration des Musées des France und anerkannten internationalen Museumsexperten aus den Bereichen deutsche Malerei und Plastik des 16. Jahrhunderts sowie Konservatoren und Restauratoren. Das Comité Scientifique wird sich regelmäßig versammeln, um den Fortschritt der Arbeiten zu evaluieren.

Der Isenheimer Altar weist eine lange Restaurierungshistorie auf

Die Arbeiten selbst finden im Museum unter den Augen der Besucher statt. Jeweils eine der drei ausgestellten Schauseiten bearbeiten die Restauratoren, die anderen beiden bleiben vollständig sichtbar. Seit Ende des 18. Jahrhunderts wurde der Isenheimer immer wieder instandgesetzt und mit neuem Firnis versehen. „In den letzten zwanzig Jahren haben wir viele Untersuchungen zum Isenheimer Altar durchgeführt“, erklärt Pantxika de Paepe, Direktorin des Musée Unterlinden. „Verschiedenste Werke sind publiziert, die Forschungen umfassen dabei Stil und kunsttechnologische Analysen.“ Erste Maßnahmen, den Altar zu schützen, wurden kurz nach der Französischen Revolution ergriffen. Die jüngste kunsttechnologische Untersuchung bewies eine allgemeine Verschmutzung des Altars, eine starke Trübung der Lasuren auf den Bildtafeln und das Abheben der Malschicht sowohl auf den Bildtafeln als auch auf der Fassung der Schnitzereien. Die Restaurierungskampagne ist nur mit finanzieller Hilfe zahlreicher Sponsoren möglich. Zehn Prozent der Summe sollen über Crowdfunding finanziert werden.

Was ist über Matthias Grünewald bekannt?

1792 brachte man den monumentalen Altar von Isenheim ins nahe gelegene Colmar. Dort ist er seit 1852 im Musée Unterlinden, in einem ehemaligen Dominikanerinnenkloster, zu bewundern. Der einst über fünf Meter hohe, spätgotische Aufbau des Schnitzaltars blieb in Isenheim und ging später verloren. Wohl durch eine Verwechslung des Grünewald-Biografen Joachim von Sandrart wird der Maler schon seit dem 17. Jahrhundert als Matthias Grünewald geführt. Sein erstes datiertes Werk stammt von 1503, seit 1508 arbeitete er für den Mainzer Erzbischof Albrecht von Brandenburg. Außer dem Isenheimer Altar hat der Künstler nur wenige Werke hinterlassen.

Lesen Sie mehr über die erste Restaurierungsphase des Isenheimer Altars in unserem Schwerpunkt zu Skulpturen (RESTAURO 8/2018)

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