Staatliche Kunstsammlungen Dresden / Martin Förster
Staatliche Kunstsammlungen Dresden / Martin Förster

Christiane Ernek-van der Goes, Kunsthistorikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin bei den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, widmet den Dresdener Latz-Möbeln bereits seit 2011 ein Forschungsprojekt

Wenn 2020 die Paraderäume im Dresdener Residenzschloss wiedereröffnet werden, stehen auch mehrere große Standuhren, sogenannte Pendulen, in den Sälen. Sie werden – wie vor der Zerstörung des Schlosses im Zweiten Weltkrieg – als Teil der Ausstattung wahrgenommen werden. Als Ausstattungsstücke waren sie immer gedacht, als solche entstanden sie in der Werkstatt von Jean-Pierre Latz, der eigentlich Johann Peter Latz hieß, um 1691 im Kurfürstentum Köln geboren wurde, nach Paris ging, dort eine große Ebenisten-Werkstatt betrieb und 1754 starb. Aus heutiger Sicht sind Latz’ Möbel jedoch nicht nur Zeugnisse höchster Handwerkskunst zur Erfüllung prunkvoller Repräsentationsbedürfnisse, sondern auch wenig bearbeitete Forschungsgegenstände. Das erkannte Christiane Ernek-van der Goes, Kunsthistorikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin bei den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und widmet den Dresdener Latz-Möbeln bereits seit 2011 ein Forschungsprojekt. (s. RESTAURO 8/2014). 2017 wurden die aktuellen Forschungsergebnisse in einem Workshop nationalen und internationalen Experten für Boulle- Marketerie vorgestellt.  In Dresden arbeitet Christiane Ernek-van der Goes mit der Chefrestauratorin des Kunstgewerbemuseums Clara von Engelhardt, dem Physiker Michael Mäder und freien Restauratoren zusammen, um zum Beispiel „mit analytischen Blick Indizien für die Zuschreibungen der Dresdener Stücke an Latz zu finden“, wie sie sagt. Zwar entdeckte das Dresdener Team im Inneren einer Standuhr einen Zettel mit Latz-Signatur, doch die meisten Arbeiten sind unsigniert und gelten daher allein aus stilistischen Gründen als seine Werke.

An den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden gibt es für so ein Forschungsvorhaben beste Bedingungen, denn die Museen besitzen 30 Einzelobjekte aus der Latz-Werkstatt. Christiane Ernek-van Goes konnte nachweisen, dass allein dreizehn Pendulen 1768 aus dem Besitz des Grafen von Brühl von den sächsischen Kurfürsten wurden. Wie Brühl zu seinen französischen Möbeln kam, ob er sie bei Latz direkt bestellte oder aus einem bestehenden Angebot auswählte, ist nun Gegenstand der aktuellen Forschung. „Die kunst- und kulturhistorische Bedeutung dieser Uhrensammlung liegt nicht allein in der großen Anzahl sehr hochwertiger französischer Pendulen, auch in dem einzigartigen Bestand an Uhren-Paaren“, stellte Christiane Ernek-van der Goes schon 2011 fest. Das paarweise Aufstellen optisch ähnlicher Uhren erscheine als eine Besonderheit, die man am und im Umkreis des sächsischen Hofes gepflegt habe.

Schon aus der zeitgenössischen Beschreibung, die anlässlich des Ankaufes aus dem Brühlschen Nachlass durch die Kurfürstliche Gardemeuble-Verwaltung entstand, spricht – bei aller geschäftsmäßiger und bürokratischer Kürze sowie zeittypischer Rechtschreibung und Interpunktion – Bewunderung für Pracht und Handwerkskunst.
So heißt es beispielsweise über die Glockenspieluhr: Eine Französische Pendule, mit einem Glockenspiel, das Gehäuse mit Schildkröte und Messing eingelegt, dergleichen mit Bronze verschnitten und vergoldeten Figuren, auf einem Fuß von schwarz gepeizten Holze mit meßingenen Leisten.“ Der Wert der Pendulen und Möbel aus Brühlschen Besitz für das sächsische Königshaus zeigt sich auch darin, dass einige von sofort nach dem Ankauf in den Repräsentationsräumen des Schlosses aufgestellt wurden und die vom Königshaus selbst gekauften Latz- Möbel ergänzten. Sie blieben bis zur Abdankung des Adelshauses 1925 zusammen. Bei der Teilung zwischen den Kunstsammlungen und den Wettinern gingen einige Stücke an die Wettiner. Sie befinden sich heute in Privatsammlungen. Die verbliebenen Dresdener Stücke verließen die Stadt und die Sammlung nicht mehr. Auch das ist Teil ihrer Einzigartigkeit. Selbst die sowjetischen Trophäenbrigaden nahmen die Latz-Möbel nach 1945 nicht mit. „Vergleichbare Objekte in vielen großen Museen wie beispielsweise dem Louvre, dem Getty Museum oder dem Cleveland Museum of Art waren oft schon einmal im Kunsthandel, viele wurden dabei stark überarbeitet, zum Teil wurden Furniere komplett neu aufgelegt“, sagt Clara von Engelhardt. Die Dresdener Möbel dagegen seien weitgehend im Originalzustand erhalten, manche blieben bisher sogar gänzlich unrestauriert. Das soll auch so bleiben, um die Originale unverändert an die Nachwelt weiterzugeben. „Wir werden manche Stücke nur konservieren und als Zeitdokumente aufbewahren“, erklärt die leitende Restauratorin Clara von Engelhardt, in deren Werkstatt die Latz-Möbel momentan in viele Einzelteile zerlegt liegen.

Christiane Ernek-van der Goes hat nach und nach verschiedene Partner von ihrem Forschungsprojekt überzeugen können. Am Anfang begeisterte die Kunsthistorikerin den Freundeskreis des Kunstgewerbemuseums, der ihr Forschungsprojekt anschob. Die Volkswagen Stiftung, die Ernst von Siemens Kunststiftung und die Rudolf-August Oetker-Stiftung konnten ebenfalls als Förderer gewonnen werden

Lesen Sie weiter in der aktuellen Ausgabe 5/2019, www.restauro.de/shop

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