15.07.2019

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Zu wenig Steinmetze für Notre-Dame?

Sicherungsmaßnahmen an der Pariser Kathedrale Notre-Dame nach dem verheerenden Brand im April 2019. Foto: Wikimedia Commons / Joëlle Lévy


Dombauhüttenerfahrene Metze sind rar

Experten halten die angesetzten fünf Jahre für die Sanierung der kürzlich abgebrannten Pariser Kathedrale für nicht machbar. Unter anderem, weil es nicht genügend Steinmetze gibt. Zum Status quo der Sanierungspläne und deutschen Hilfsangebote

Schon wenige Stunden, nachdem Notre-Dame brannte, war klar: Am Geld wird der Wiederaufbau nicht scheitern. Das wird zwar kontrovers diskutiert, ist aber Fakt. Bis heute haben Spender rund 900 Millionen Euro für die Sanierung der Pariser Kathedrale gespendet. Fraglicher ist schon, wie die zerstörten Teile erneuert werden sollen: Nach historischem Vorbild oder modernen Entwürfen? Ein Dachstuhl aus Stahl statt dem Holz von über tausend Eichen? In Frankreich läuft aktuell die Bestandsaufnahme der Schäden, die Regierung hat einen Architektenwettbewerb ausgelobt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat außerdem eine Zeitvorgabe ausgerufen, die Experten für nicht machbar halten: Er will, dass die Sanierung von Notre-Dame 2024 abgeschlossen ist. Laut Wolfgang Zehetner, Vorsitzender der Vereinigung der Europäischen Dombaumeister, sei das vor allem in Hinblick auf die nötigen Fachkräfte schwierig: Es gebe in Europa nur noch sehr wenige Steinmetze mit Erfahrung in historischen Bautechniken.

Steinmetze und -bildhauer sind schließlich schon generell eine rare Spezies. Doch für die Arbeit an Notre-Dame brauche es Fachkräfte, die ihre Ausbildung möglichst an einer Dombauhütte absolviert haben. Diese Bauhütten seien wie „die letzten gallischen Dörfer“. Der Bundesverband Deutscher Steinmetze (BIV) will die Hilfsangebote und Ideen der deutschen Steinmetze sammeln und koordinieren. Bisher haben sich mehr als zehn Betriebe und Einzelpersonen mit konkret umrissenen Angeboten oder Ideen gemeldet. Außerdem sammeln Steinmetze und Bildhauer in einer Facebook-Gruppe zurzeit Unterstützungsangebote. Dabei könnten entweder Stücke in Betrieben und Ausbildungsstätten gefertigt und nach Paris geliefert werden. Möglich wäre auch, dass Steinmetze und Lehrlinge vor Ort in Paris helfen. BIV-Sprecherin Sybille Trawinski erklärt, die Hilfsangebote böten auch die Chance, das hohe Fachwissen und die Spezialkenntnisse der Steinmetze in der Denkmalpflege zu zeigen und auf internationalem Niveau einzubringen und einen Beitrag für die europäische Gemeinschaft und den Kulturerhalt zu leisten.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat die Denkmalpflegerin und ehemalige Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner beauftragt, sich um deutsche Hilfsangebote für die Kathedrale zu kümmern. Aber es geht um mehr als ums Steinmetzhandwerk – zum Beispiel um deutsches Eichenholz und um Daten. Das Institut für Archäologische Wissenschaften, Denkmalwissenschaften und Kunstgeschichte der Uni Bamberg hat das Querhaus, das besonders unter dem Brand gelitten hat, im Rahmen eines Projekts zu gotischen Kirchenportalen von 2015 bis 2018 eingehend untersucht und mit 3-D-Scantechniken vermessen.

Auch die Wissenschaftler plädieren dafür, Notre-Dame behutsam statt überstürzt zu sanieren. Der Bamberger Professor Stephan Albrecht hält zum Beispiel zehn Jahre Restaurierungszeit für sinnvoll. Andernfalls fürchte er um die historische Substanz. Denn schließlich dauerte der Bau einer der wichtigsten europäischen Kulturdenkmäler ursprünglich rund 200 Jahre.

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