Jeder Mensch kann ein Künstler sein, wie schon Novalis postulierte. Nun kann er auch sein eigener Museumskurator sein. Mit dem xCurator, einem webbasierten KI-Tool, eröffnet das Badische Landesmuseum in Karlsruhe seinen Besuchern einen neuartigen Zugang zum kulturellen Erbe: „Tauche in Sammlungen ein, entdecke Verbindungen und Geschichten und gestalte deine Erzählung.“

Querverbindungen durch KI
Der User ist aufgefordert, sich anhand von 500.000 Objekten auf seine ganz persönliche Reise durch 50.000 Jahre Kulturgeschichte zu begeben und dabei spannende Querverbindungen zwischen den Epochen, Stilen, Genres und Provenienzen zu entdecken. Ja nach individuellen Interessen, kann die KI beliebig viele, einmalige Ausstellungen generieren. Derzeit wird die Beta-Version des gemeinsam mit dem archäologischen Museum der Universität von Amsterdam, dem Allard Pierson, entwickelten Tools getestet. Das Feedback der User soll helfen, den xCurator zu optimieren.
Zwischen Orient und Okzident
Was haben Det, das Mainzelmännchen, und ein Weihnachtsmann aus Gummi gemeinsam, abgesehen davon, dass beide zur Sammlung des Badischen Landesmuseums gehören?
Es ist die Kopfbedeckung: „Die Zipfelmütze lässt sich auf die Gestalt der ‚phrygischen Mütze‘ zurückführen“, lernt der User des xCurator. „Sie ist Ausdruck einer verwobenen Kulturgeschichte zwischen Orient und Okzident.“ Mittels des webbasierten KI- Projekts, dessen Beta-Version im Dezember 2023 veröffentlicht wurde, lassen sich zahllose, unvermutete Querverbindungen entdecken wie diese zwischen Det und dem Weihnachtsmann. Im digitalen Raum vereint der xCurator sämtliche Sammlungen des Badischen Landesmuseums, die von der Steinzeit über die Antike und das Mittelalter bis hin zu außereuropäischen Sammlungen sowie zeitgenössischem Design und regionaler Kultur reichen. Die Sammlungen umfassen insgesamt an die 500.000 Objekte, von denen derzeit 13.000 ausgestellt sind und 17.000 in der Vergangenheit bereits ausgestellt wurden.

Magische Spuren
Neugierig geworden, erfährt der Nutzer, dass die „Heiligen Drei Könige“ oder „Weisen aus dem Morgenland“ die christliche Tradition der in der Weihnachtsgeschichte des Matthäusevangeliums erwähnten „Sterndeuter“ bezeichnen – im griechischen Ausgangstext war von „Magiern“ die Rede. Der Stern von Bethlehem soll sie einst zu Jesus geführt haben. Viel spricht dafür, dass die Weisen aus dem Morgenland Angehörige der Priesterkaste aus dem persisch-medischen Stamm der Magier waren. Kulturgeschichtlich und ikonografisch haben also sowohl das Maskottchen des ZDF, das sich wiederum auf die Heinzelmännchen zu Köln bezieht, die über Nacht Ordnung zaubern, als auch der Weihnachtsmann ihre frühen Wurzeln in den Figuren der drei Weisen aus dem Morgenland. Da die Heiligen Drei Könige vermutlich aus Persien kamen, präsentiert die KI im Kontext von Det und Weihnachtsmann auch einen Teller der Gattung ‚Blau-Weiß-Ware‘ aus Teheran. Ebenso stellen ästhetische Übereinstimmungen nicht selten überraschende Verbindungen zwischen Objekten her, die Tausende Jahre und Kilometer Entstehung trennen.
Magische Spuren
Neugierig geworden, erfährt der Nutzer, dass die „Heiligen Drei Könige“ oder „Weisen aus dem Morgenland“ die christliche Tradition der in der Weihnachtsgeschichte des Matthäusevangeliums erwähnten „Sterndeuter“ bezeichnen – im griechischen Ausgangstext war von „Magiern“ die Rede. Der Stern von Bethlehem soll sie einst zu Jesus geführt haben. Viel spricht dafür, dass die Weisen aus dem Morgenland Angehörige der Priesterkaste aus dem persisch-medischen Stamm der Magier waren. Kulturgeschichtlich und ikonografisch haben also sowohl das Maskottchen des ZDF, das sich wiederum auf die Heinzelmännchen zu Köln bezieht, die über Nacht Ordnung zaubern, als auch der Weihnachtsmann ihre frühen Wurzeln in den Figuren der drei Weisen aus dem Morgenland. Da die Heiligen Drei Könige vermutlich aus Persien kamen, präsentiert die KI im Kontext von Det und Weihnachtsmann auch einen Teller der Gattung ‚Blau-Weiß-Ware‘ aus Teheran. Ebenso stellen ästhetische Übereinstimmungen nicht selten überraschende Verbindungen zwischen Objekten her, die Tausende Jahre und Kilometer Entstehung trennen.


Suchen, Finden, Anreichern
Der xCurator reichert die Inhalte der Sammlungen mit einer Vielzahl KI-generierter Schlagworte an und bietet neben einer intelligenten Bildersuche Empfehlungen für das weitere Vorgehen. Farben, Objekte und Themen der Bilder werden automatisch erkannt und gruppiert, um den Usern inhaltliche und visuelle Verbindungen zu verdeutlichen. Dies ermöglicht eine inhaltliche Erschließung der Sammlungen, die über traditionelle Kategorisierungen wie Epoche, Herkunft oder Gattung hinausgeht. „Eine überraschende und intelligente Suche also: präzise und gleichzeitig kreativ, weitreichend und out-of-the-box“, begeistert sich Sonja Thiel, die den xCurator gemeinsam mit Johannes C. Bernhardt für das Badische Landesmuseum im Rahmen des inzwischen abgeschlossenen Gesamtprojektes Creative User Empowerment entwickelt hat. Kuratieren bedeute hier eine „Kombination aus Suchen, Finden, Anreichern, Strukturierung, Klassifizierung und Kontextualisierung als Mensch-Maschine-Kollaboration.“ Um das Tool stetig zu verbessern, sei das Feedback der Nutzer bezüglich der Qualität der Schlagworte und automatischen Verlinkungen besonders wichtig.
Neue Kreativräume
„Museen gelten als vertrauenswürdige Institution“, betont Harriet Meyer, Leiterin des Referats Digitale Vermittlung des Badischen Landesmuseums. „Wir als Museum bewahren die gemeinsamen Kulturgüter und möchten allen Bürgerinnen und Bürgern spannende und zeitgemäße Zugänge dazu ermöglichen. Der Umgang mit der KI gehört unserer Meinung nach un- bedingt dazu.“ Der xCurator entstand im Rahmen des Projekts Creative User Empowerment (2021–23) in Kooperation mit dem Allard Pierson, dem archäologischen Museum der Universität von Amsterdam. Die Open Source Lösung wurde von dem Berliner Online-Marketing-Unternehmen 3pc GmbH Neue Kommunikation entwickelt und realisiert. Das Staatsministerium für Kultur und Medien der Bundesrepublik Deutschland gab dazu die Fördermittel. „Genau solche international wie interdisziplinär aufgestellten, experimentellen Kreativräume brauchen wir, um Deutschland weiter als Standort zur Erforschung, Entwicklung und verantwortungsvollen Anwendung Künstlicher Intelligenz im Kultur- und Medienbereich zu stärken“, würdigt Kulturministerin Claudia Roth den xCurator.
Gemeinsames Lernen
Das verwendete Sprachmodell des KI-Co-Piloten greift auf das Vokabular und die fachlich gesicherten Inhalte der Sammlungen des Badischen Landesmuseums und des Allard Pierson zurück. Als User trainiere man so, kulturell spezifische Inhalte zu kreieren, erklärt Sonja Thiel. „Wie nebenbei lernt man auch selbst viel darüber, wie so eine KI eigentlich tickt. Denn nur durch intelligentes und empathisches Zusammenwirken zwischen Menschen und Maschine können wir Kultur und Technologie in Zukunft gewinnbringend und nachhaltig gestalten.“ Wer also gedacht hatte, KI und Zipfelmützen hätten nichts miteinander zu tun – weit gefehlt. Die Digitalisierung eröffnet dem Publikum zahllose interessante, kurzweilige und zuweilen skurril anmutende Verknüpfungen. Warum nicht auch zwischen Mainzelmänchen, Heinzelmännchen, Kasperle, Nikolaus, Weihnachtsmann und Gartenzwerg?