09.08.2019

Ausstellungen Museum

Wiesbaden ist jetzt Jugendstilzentrum

Ferdinand Wolfgang Neess hat seine gesamte Jugenstil-Sammlung dem Museum Wiesbaden vermacht. Seit Ende Juni 2019 ist sie im umgebauten Südflügel des Museum Wiesbadens zu sehen und lässt das Museum zu einem der bedeutendsten Häuser für Jugendstil aufsteigen. Die für ihn tätigen Restauratoren vermittelte der Mäzen ans Museum

Der erste Eindruck beim Betreten der neuen Abteilung ist die offene, unverstellte Präsentation. Man könnte beinahe vergessen, dass wir im Museum sind. Der Besucher taucht unmittelbar in das Ambiente einer Privatsphäre ein. Das war nicht zuletzt der Wunsch des Sammlers, Connoisseurs und ehemaligen Kunsthändlers Ferdinand Wolfgang Neess. Auf den Tag genau, an seinem 90. Geburtstag, dem 28. Juni 2019, ist seine bedeutende Jugendstil-Sammlung im Wiesbadener Museum eröffnet worden. Kein Superlativ greift zu hoch, denn Dank der Schenkung von Ferdinand Wolfgang Neess verfügt das Museum Wiesbaden mit einem Schlag über eine Jugendstil-Sektion von Weltniveau. Dass die über ein halbes Jahrhundert aufgebaute Kollektion zusammenbleiben sollte, stand fest. Dass mit seiner Geburtsstadt Neuss keine Einigung zustande kam, erwies sich 2017 als Glück für Wiesbaden, jener Stadt, in der Neess mit seiner französischen Ehefrau seit langem lebt. Von den insgesamt 700 museumswürdigen Jugendstil-Werken gingen 570 als Schenkung an das Hessische Landesmuseum, 510 werden nun im ersten Obergeschoss in einer Reihe ineinander verbundener Räume attraktiv präsentiert. 

Die hochkarätigen Objekte und ihre stimmige Inszenierung zu Raum-Ensembles mit Blickachsen auf Wohn-Inseln lassen die Idee des Gesamtkunstwerks des Fin de Siècle aufleben. In vielen Museen fristet der Jugendstil ja ein eher verstaubtes Schattendasein. In Wiesbaden ist es gelungen, den vielschichtigen Reiz und schillernden Glanz dieser internationalen Kunstströmung um 1900 zu neuem Leben zu erwecken. In der rund zweijährigen Planungsphase zwischen Schenkung und Eröffnung ist es dem Museumsteam gelungen, ein eigenständiges großartiges Ausstellungs-Konzept unter Berücksichtigung aller museumstechnischen Erfordernisse zu entwickeln. Dazu wurden Architektur und Inneneinrichtung komplett umgestaltet bzw. erneuert. Das Ergebnis erfüllt alle konservatorischen Ansprüche und ist ästhetisch wohl kaum zu übertreffen. 

Heute müssen öffentliche Aufträge generell ausgeschrieben werden. Den Zuschlag bekamen zwei kleinere Firmen, mit denen das Haus bereits partnerschaftlich zusammengearbeitet hat: NDR-Tischlerei, Nagel-Reineke in Mechernich sowie das Atelier Händel-Bökens, das 2013 Partner bei der Rheinromantik-Ausstellung war. Bis dato war das Museum auf Gemälde und Skulpturen konzentriert. Die Partnerschaft bewährte sich einmal mehr bei der Herausforderung, eine neue Sektion mit ganz unterschiedlichen Exponaten und Materialien zu etablieren. Und Kurator Dr. Peter Forster betont ausdrücklich, dass Ferdinand Wolfgang Neess dem Museum nicht nur seine Sammlung geschenkt hat und es jederzeit mit seinem enormen Wissen unterstützt. Auch die für Neess über die Jahre tätigen Restauratoren hat er sozusagen auf seine Kosten ans Museum weitervermittelt. Denn trotz Einrichtung und Erweiterung der Abteilung konnte personell nicht aufgestockt werden. 

Betritt man die neuen Räume im ersten Stock, glaubt man, zwei große typische Jugendstil-Glasfenster begrenzten den Raum, beziehungsweise vermitteln zwischen Drinnen und Draußen. Tatsächlich verbergen sich hinter der so hübsch gestalteten Fensterhaut Leuchtkästen mit mehrschichtigem Aufbau, die als Pufferzone dienen und Tages- und Sonnenlicht filtern. Die  technische Umsetzung bewerkstelligte die Dresdener Firma PPS. Sie entwickelte Prototypen, die weggeklappt und den konservatorischen Vorgaben angepasst werden können. 

Lesen Sie weiter in der RESTAURO 6/2019, die Mitte September erscheint, www.restauro.de/shop

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