13.08.2019

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Wie wirkt sich freier Eintritt in Museen auf die Besucherresonanz aus?

dazu hat das Ministerium für Wissenschaft
auswirkt

Fazit: Freier Eintritt allein reicht nicht für eine Museumsöffnung

Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg hat eine umfassende Evaluation in Auftrag gegeben.  In ihrer Forschungsbreite und -tiefe ist die Studie in Deutschland bislang einzigartig. Jetzt liegt sie vor

Das Problem ist altbekannt. Während einige Deutsche mehrmals im Monat ein Museum, eine Ausstellung oder ein historisches Baudenkmal besuchen und auch im Urlaub neugierig auf öffentliche Sammlungen sind, praktizieren andere konsequente Totalverweigerung. Museen assoziieren sie mit Lernzwang, bildungsbürgerlicher Spaßbremse und elitärer Arroganz der Macher. Etwa 50 Prozent der deutschen Bevölkerung besucht überhaupt niemals öffentlich geförderte Kulturveranstaltungen wie Theater, Museen oder Konzerthäuser. Der Anteil der Gelegenheitsbesucher, welche seltener als einmal pro Monat, aber mindestens einmal pro Jahr Einrichtungen besuchen, liegt zwischen 35 und 45 Prozent. Nur fünf bis 15 Prozent besuchen regelmäßig Kultureinrichtungen.

Wie lassen sich also die Museumsmuffel motivieren? Eine momentan in Deutschland heiß diskutierte Frage ist, inwieweit hier freier Eintritt Abhilfe schaffen kann. Wie wirkt sich freier Eintritt in Dauerausstellungen von Museen auf die Besucherresonanz aus? Erreicht man damit neue Besuchergruppen? Ausgehend von diesen Fragestellungen hat das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg eine umfassende Evaluation von freiem Eintritt in Dauer- und ausgewählten Sonderausstellungen an fünf baden-württem­bergischen Landesmuseen in Auftrag gegeben. In ihrer Forschungsbreite und -tiefe ist die Studie in Deutschland bislang einzigartig. „Das Thema kulturelle Teilhabe ist für die Landesregierung von großer Bedeutung. Eines unserer wichtigsten kulturpolitischen Anliegen ist: Wir wollen unsere Kultureinrichtungen für neue, auch junge Besucher und für Menschen aller gesellschaftlichen Gruppen weiter öffnen. Die jetzt vorliegende Studie zeigt, dass der freie Eintritt kein pauschal geeignetes Mittel ist, um mehr Menschen anzusprechen“, erklärt Kunststaatssekretärin Petra Olschowski am Anfang Juni 2019 in Stuttgart bei der Vorstellung der Studie. Dabei gibt es große Unterschiede zwischen den verschiedenen Museumstypen.

Am Beispiel der Referenzmuseen wurden die Auswir­kungen von freiem Eintritt in Dauer- und ausgewählten Sonderausstellungen untersucht. Das Ergebnis zeigt, dass die Maßnahme nicht für alle Museen, Alters- und Besuchergruppen zielführend ist. „Es wird deutlich, dass die Erwartungen der Besucher an Ausstellungsprogramm, Vermittlung, Service oder Öffnungszeiten mindestens ebenso wichtig sind wie der freie Eintritt“, sagte Olschowski. An einigen der untersuchten Museen zeigt der freie Eintritt allerdings Wirkung. Dort werden vor allem junge Menschen von freiem Eintritt angesprochen und das Stammpublikum kommt häufiger. „Unsere Museumslandschaft ist sehr vielfältig. Daher kann es keine einheitliche Lösung geben. “, betonte Staatssekretärin Olschowski. „Wir werden die Ergebnisse der Evaluation jetzt mit den Museen auswerten und verschiedene Instrumente prüfen. Klar ist aber schon jetzt: Das Thema Vermittlung, Teilhabe und kulturelle Bildung steht zurecht im Fokus. Hier sehen wir einen Auftrag. Wir setzen uns in den kommenden Haushaltsberatungen für eine Stärkung dieses Bereichs ein“, so Olschowski abschließend. Die Untersuchung zeigt, dass sich der freie Eintritt unterschiedlich auf die Besucherstruktur der jeweiligen Museen auswirkt. Als mögliches Instrument zur Öffnung der Museen ist der freie Eintritt damit stark differenziert zu betrachten. An einigen der untersuchten Museen gab es kurzfristig klare Effekte durch eine Steigerung der Besuchszahlen bei freien Eintrittsangeboten. Der freie Eintritt war hier auch ein häufig genannter Besuchsgrund, an anderen Museen war dies nicht eindeutig der Fall. Junge Menschen werden von freiem Eintritt angesprochen – bereits bestehendes Interesse am Museum und innovative Angebote vorausgesetzt. Nicht nachweisen lässt sich eine grundlegende Veränderung der Besucherstruktur. Personen mit formal niedrigeren Bildungsabschlüssen oder grundsätzlichem Desinteresse an Museen werden durch freien Museumseintritt kaum stärker erreicht. Außerdem muss unterschieden werden zwischen Besuchs- und Besucherzahlen: Wer regelmäßig ins Museum geht, kommt bei freiem Eintritt öfter – und wird ebenfalls gezählt.

Die Eintrittspreise werden in Bevölkerungsstudien von Nichtbesuchern zwar als Grund genannt, nicht ins Museum zu gehen, sind aber häufig zweitrangig bei der Entscheidung. Vor allem die Konkurrenz zur Event- und Freizeitkultur spielt eine Rolle. Für einen Museumsbesuch ist nicht nur der Eintrittspreis, sondern es sind in hohem Maße andere Kriterien ausschlaggebend, beispielsweise zeitgemäße Vermittlungsangebote, besuchergerechte Öffnungszeiten, Erreichbarkeit des Museums oder das persönliche Zeitbudget der Besucherinnen und Besucher. Die Museumstypen unterscheiden sich in ihrer Besucherstruktur und damit auch in ihrer Einschätzung der Bedeutung von freiem Eintritt für die Öffnung ihrer Häuser. Dementsprechend unterschiedlich fallen die Einschätzungen aus, welche Maßnahmen für eine Öffnung besonders zielführend sind. Freier Eintritt führt durchaus zu einer Öffnung der Museen, allerdings effektiv nur in Verbindung mit anderen Maßnahmen, beispielsweise mit gezielten Vermittlungs­programmen oder besucherorientierten Öffnungszeiten. Daher werden die Museen weiterhin selbst entscheiden, wie sie ihre Eintrittspreispolitik gestalten und ob sie freien Eintritt einführen.

Die Agentur Kulturevaluation Wegner untersuchte exemplarisch drei kunst- und kulturwissenschaftliche sowie zwei naturwissenschaftliche Landesmuseen: Das Landesmuseum Württemberg, die Staatsgalerie Stuttgart, das ZKM/Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, das Staatliche Museum für Naturkunde Karlsruhe und das TECHNOSEUM Mannheim. Für die Studie wurde der Forschungsstand zum Thema umfassend analysiert. Verschiedene laufende Modelle wurden einbezogen, z.B. freier Eintritt in „Open Codes“ am ZKM oder in die Schausammlungen am Landesmuseum Württemberg und auch andere Modelle freien Eintritts, z.B. eintrittsfreie Tage oder freier Eintritt für bestimmte Besuchergruppen. 3500 Besucherinnen und Besucher der ausgewählten fünf Museen wurden befragt. Höchst interessant wäre es aber insbesondere notorische Nicht-Museumsbesucher über ihre Gründe zu befragen. Diese Erhebung steht weiterhin aus.

Information:

Die Studie steht hier zum Download bereit.

 

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