02.04.2023

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Wie bewahrt man historische Gläser?

Markgräfin Sibylla Augusta von Baden-Baden nutzte ihr 1710 gebautes Lust- und Sommerschloss Favorite nahe Rastatt auch als Ausstellungsort für ihre Glas- und Porzellan-Sammlungen. So war es und so soll es bleiben. Doch die Gläser zeigen seit einigen Jahren Oberflächenveränderungen – ohne dass sich an der Ausstellungssituation etwas geändert hat. Zeit für ein Forschungsprojekt

Die Glaskorrosion auf Schloss Favorite ist kein Einzelfall. Deshalb rückt historisches Glas in letzter Zeit immer mehr in den Fokus von Forschung, Restaurierung und präventiver Konservierung – in verschiedenen Sammlungen. Ein Projekt der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, das in Kooperation mit der Kunstsammlung der Veste Coburg und dem Fraunhofer-Institut für Silicatforschung (ISC) in Bronnbach initiiert wurde, erforschte deshalb in den vergangenen Jahren den Einfluss der Ausstellungsbedingungen auf Schloss Favorite auf die verschiedenen Korrosionszustände der Gläser. Dabei stellte man fest, dass die Herkunft der Gläser nicht dokumentiert ist. Wahrscheinlich stammen viele aus Böhmen, denn zum Erbe der Markgräfin gehörte auch eine böhmische Glashütte.

Ziel des Projektes war jedoch nicht vorrangig die Herkunftsfeststellung, sondern die Bestimmung der chemisch-physikalische Zusammensetzungen der Korrosionsprodukte. Die Ergebnisse des Projektes wurden Ende Mai vorgestellt. Sie zeigen einen eindeutigen Einfluss von Luftfeuchtigkeit und Umgebungstemperatur auf die Veränderungen der Glasoberflächen. Dieser Einfluss wurde in zwei dreimonatigen Sensormessungen in Schloss Favorite und Vergleichsmessungen in den Depots der Restaurierungswerkstätten Karlsruhe untersucht. Festgestellt wurde, dass sich die Gläser im stabilen Klima der Werkstätten nicht veränderten, während es deutliche  Veränderungen der chemischen Zusammensetzung der Oberflächen in den unklimatisierten Schloss-Räumen gab. Diese wurden mit Hilfe infrarotspektroskopischer Untersuchungen nachgewiesen. Dabei zeigte sich, dass höhere Temperaturen im Sommer deutlich höhere Schwankungen der Messergebnisse zur Folge hatten.

Die Forscher gehen bei der beobachteten Glaskorrosion von einer Laugenbildung auf der Oberfläche der Gläser durch die Luftfeuchte aus. Dabei werden Natrium- und Kaliumionen aus dem Glas durch Wasserstoffprotonen aus der Luft ersetzt. Im Zusammenspiel mit  der Luftfeuchtigkeit entstehen die entsprechenden Laugen. Die Natrium- und Kaliumlaugen bilden einen weißlichen Belag auf dem Glas, der als Gelschicht bezeichnet wird. Diese Gelschicht reagiert auf Schwankungen der Luftfeuchtigkeit mit Schrumpfung und Rissbildung. Eine Entfernung der Gelschicht empfehlen die Forscher jedoch nicht, denn sie schütze das Glas vor weiterer Auslaugung. Außerdem bedeute eine Entfernung der Gelschicht einen Verlust von Originalsubstanz.

Die konkreten Handlungsempfehlungen der Experten betreffen daher nur Veränderungen der Ausstellungssituation. Prophylaktisch könne momentan wenig erreicht werden, heißt es zum Abschluss des Projektes, denn: „Eine im Vorfeld durchgeführte Analyse der Glaszusammensetzung ergäbe nur eine Darstellung der Disposition des Objektes.“ Daher seien auch die konservatorischen Handlungsmöglichkeiten begrenzt und müssten sich auf den Schutz der Objekte beschränken.

Eine ausführliche Projektbeschreibung lesen Sie in RESTAURO 1/2020, www.restauro.de/shop

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