Im November 1972 trat das „Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt“ in Kraft; Deutschland ratifizierte es 1976. Die Schlösser Augustusburg und Falkenlust in Brühl gehören zu den ersten Welterbestätten Deutschlands und können dieses Jahr auf ihr 40-jähriges Jubiläum zurückblicken. Im Gespräch mit Regina Junga und Christiane Winkler erfuhren wir, was die Besonderheit der Schlösser ausmacht, aber auch welche Herausforderungen es bei der Erhaltung gibt. Zudem berichten die beiden, was sich in 40 Jahren verändert hat und was für die Zukunft geplant ist.
Restauro: Liebe Frau Junga, liebe Frau Winkler, dieses Jahr ist ein besonderes für die Schlösser Augustusburg und Falkenlust: 1984, also vor 40 Jahren, erhielten sie den Titel UNESCO-Welterbestätte. Wie lassen Sie die Sektkorken zu diesem Anlass knallen?
Christiane Winkler: Unser 40-jähriges UNESCO-Welterbe-Jubiläum haben wir am 2. Juni, dem bundesweiten Welterbetag, mit einem bunten Familienfest im Schlosspark gefeiert – gemeinsam mit über 8 000 Gästen. Allein 2 800 Gäste haben Schloss Augustusburg besichtigt, 1 200 Menschen waren es in Schloss Falkenlust. Im Schlosspark gab es ein vielfältiges Bühnen- und Mitmachprogramm, das im Wesentlichen von und mit Brühler Schulen, Vereinen und Organisationen aus der Brühler Bürgerschaft gestaltet wurde. Darüber hinaus konnten sich unsere Gäste in einem „UNESCO-Dorf“ über die Besonderheiten der anderen fünf Welterbestätten aus Nordrhein-Westfalen informieren und die Arbeit der Deutschen UNESCO-Kommission kennenlernen, die mit einem Stand vertreten war. Die Veranstaltung war ein riesiger Erfolg.
Restauro: Die beiden Schlösser und der Park wurden von der UNESCO damals als „die ersten bedeutenden Schöpfungen des Rokokostils in Deutschland“ bezeichnet. Was macht sie so besonders?
Regina Junga: Das lässt sich mit drei Adjektiven zusammenfassen: Die UNESCO-Welterbestätte Schlösser Augustusburg und Falkenlust in Brühl ist einzigartig, überraschend und rokokös. Einzigartig, weil die Welterbestätte Schlösser Augustusburg und Falkenlust in Brühl nicht nur als erste bedeutende Schöpfung des Rokoko in Deutschland gilt, sondern auch, weil sie ein herausragendes Beispiel einer großen Residenz des 18. Jahrhunderts ist. Das Gartenparterre gilt als französischster formaler Garten jenseits von Frankreich. Und Schloss Falkenlust ist das einzig erhaltene Schloss, das explizit für die Falkenjagd errichtet wurde. Überraschend, weil das ganze Ensemble – erbaut für den Kurfürsten Clemens August von Köln – mit seiner Vielfalt, seinen Details und Perspektiven seine Gäste täglich aufs Neue überrascht und in das Zeitalter höfischer Pracht voller Glanz und Glamour entführt. Und rokokös, weil Schloss Augustusburg mit der ersten Rocaille in Deutschland, dem Element, das der Ära des Rokoko ihren Namen gab, die Geburtsstunde des Rokoko hierzulande markiert.
Restauro: Was sind Ihre persönlichen Highlights?
RJ: Erstens begeistert mich die natürliche und künstlerische Schönheit – sei es im Garten, in der Architektur oder der Ausgestaltung. Das Prunktreppenhaus von Schloss Augustusburg nach Entwürfen von Balthasar Neumann ist mit all seinen Details der Höhepunkt der Innengestaltung. Der kleine Drache im feuervergoldeten Treppengeländer zeigt beispielsweise die damalige Begeisterung für die asiatische Lebenswelt. Dieses Wissen zu vermitteln, ist unsere Aufgabe und macht sehr viel Freude. Und zweitens fasziniert mich die Begeisterung, mit der die Menschen um mich herum arbeiten. Wir wirken alle ein Stück daran mit, diesen Ort für kommende Generationen zu erhalten. Das ist sehr sinnstiftend.
Restauro: Was sind spezielle Herausforderungen beim Erhalt des Ensembles?
RJ: Die Pflege, die Erhaltung und die Vermittlung des gesamten Ensembles ist der Kern unserer Aufgabe als Team der Schlösserverwaltung. Diese setzen wir um in enger Zusammenarbeit mit dem für Denkmalschutz zuständigen Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen, den Denkmalschützerinnen in der Bezirksregierung Köln, dem Amt für Denkmalpflege im Landschaftsverband Rheinland, der Deutschen UNESCO-Kommission, dem Internationalen Rat für Denkmalpflege (ICOMOS) und vielen weiteren Beteiligten. Gemeinsam stellen wir uns dieser Aufgabe mit großer Freude – auch wenn die Herausforderungen zugenommen haben: So zeigen die Krisen der vergangenen Jahre aus Pandemie und Krieg ihre Wirkung, z. B. auf Lieferketten und funktionelle Abläufe im Bau. Große Probleme löst auch der Klimawandel an der historischen Bausubstanz und in den Parkanlagen aus, z. B. weil Trockenheit, verschiedene Pilze und der Buchsbaumzünsler unsere Buchshecken zerstören oder weil bei Sturm immer mehr unserer Bäume massiv geschädigt werden, sodass der Park für Gäste bis zum Abschluss der Sicherungsmaßnahmen gesperrt werden muss. Solchen Herausforderungen stellen wir uns und suchen gemeinsam mit Experten nach Lösungen.
Restauro: Wenn Sie auf die letzten 40 Jahre zurückblicken, was hat sich bei der Nutzung verändert, und was ist geblieben?
CW: Als die Schlösser und Gärten vor 40 Jahren in die UNESCO-Liste des Welterbes der Menschheit eingetragen wurden, steckte das Format „Welterbestätte“ gewissermaßen in den Kinderschuhen. Die Antragstellung war im Vergleich zur heutigen Zeit eher unaufwendig und die Ernennung wurde in der Öffentlichkeit mehr am Rande zur Kenntnis genommen. Inzwischen gilt der Titel „Welterbe“ unter anderem als touristisches Gütesiegel und spielt bei der Routenplanung namhafter Reiseveranstalter eine große Rolle. Wir freuen uns, dass die Internationalität unserer Gäste im Laufe der letzten 40 Jahre stark zugenommen hat.
Restauro: Was planen Sie zukünftig für die Schlösser und den Park?
CW: Neben Erhaltung und Pflege der Anlagen wird die Vermittlung immer eine zentrale Aufgabe bleiben. Der diesjährige Welterbetag hat einmal mehr gezeigt, wie groß das Interesse in allen Teilen der Bevölkerung am höfischen Leben des sogenannten galanten Zeitalters im 18. Jahrhundert ist. Aber auch das Thema „Welterbe der Menschheit“ ist beim Publikum in seinen verschiedenen Facetten – vom architektonischen Kulturerbe über das Naturerbe bis hin zum immateriellen Erbe – sehr gefragt. Darauf möchten wir aufbauen und in den kommenden Jahren verschiedene Schwerpunkte setzen. So ist beispielsweise die Falknerei, seit 2016 in Deutschland als immaterielles Welterbe anerkannt, ein Thema, das im Jagdschloss Falkenlust eine lebendige Rolle in der Vermittlung spielt.