26.09.2017

Beruf Projekte

Über Flechten, sauren Regen und die Kristallausrichtung im Carraramarmor

Fachbereichsleiter Skulpturenrestaurierung bei der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Foto: Marco Hippel

Der zentrale Teil der reich geschmückten Futtermauer im Sizilianischen Garten im Park von Sanssouci ist wieder komplett. Mit der „Najade“ kehrte die letzte noch fehlende Figur in die Brunnennische zurück. Allerdings konnte nicht das stark geschädigte Original des Bildhauers Emil Wolf von 1854 aufgestellt werden, sondern eine Kopie des Potsdamer Bildhauers Andreas Klein aus dem Jahr 2000. Uta Baier sprach mit Roland Will, Fachbereichsleiter Skulpturenrestaurierung bei der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, über Flechten, sauren Regen und die Kristallausrichtung im Carraramarmor.

 

Warum konnte die Original-Najade von 1854 nicht wieder aufgestellt werden?

Roland Will: Hauptursache für das Nichtwiederaufstellen ist der innere Kernzerfall der Skulptur. Neben dieser inneren strukturellen Entfestigung gibt es auch starke Verwitterungserscheinungen an der Oberfläche. Die sehr feingliedrig gearbeiteten Teile, der Blütenschmuck und die Haarlocken zum Beispiel, sind durch Abwitterung zu großen Teilen nicht mehr vorhanden.

Wie wird die Original-Najade im Depot aufbewahrt? Stehend?

Ja, stehen kann sie noch. Aber sie ist so stark zerrüttet, dass sie in ein stabiles Innenraumklima gebracht werden musste. Wir haben Ultraschalluntersuchungen gemacht. Bei unbeschädigtem Marmor messen wir Schallgeschwindigkeiten von 6000 Metern pro Sekunde. Bei geschädigtem, wie dem der Original-Najade, sind es Werte von unter 3000 Metern pro Sekunde.

Wie schützen Sie die Najaden-Kopie, die ebenfalls aus Carraramarmor gefertigt wurde?

Durch eine zarte Wachsschicht, die kalt aufgebracht wurde. Sie baut sich mit der Zeit wieder ab und muss nach Prüfung etwa alle drei bis fünf Jahre erneuert werden.

Waren die anderen Marmorfiguren im Sizilianischen Garten vergleichbar geschädigt?

Sie hatten ebenfalls Schäden, aber in anderer Intensität. Deshalb gab es für jedes Objekt eine individuelle Restaurierung, obwohl alle aus dem gleichen Material sind. Bei den klassizistischen Marmorkopien nach antiken Vorbildern auf der Balustrade mussten wir uns für die Acrylharzvollkonservierung entscheiden. Das ist das einzige Verfahren, mit dem eine Konservierung bis in den inneren Kern der Skulptur sicher erreicht wird. Bei den auf Seelöwen reitenden Najaden waren nur partielle Bereiche geschädigt. Die konnten mit herkömmlichen Methoden in situ restauriert werden.

Woran liegt die unterschiedliche Schädigung? Am Stein oder an der Aufstellung?

In der Tat ist es eine Kombination von Beidem. Marmor der Qualität Statuario, der bei der Najade genutzt wurde, hat eine sehr gleichkörnige Struktur. Da sich Marmor bei Wärme ausdehnt und bei Kälte zusammenzieht, entsteht großer Druck zwischen den gleichgerichteten Kristallen. Dieser Druck führt zu den Schädigungen und vergrößert die Spaltporen des Marmors. Besser ist es, wenn es eine etwas unterschiedlichere Kornanordnung gibt, die im besten Fall nicht gerichtet und ein bisschen verdreht ist. Marmor dieser Qualität hat ein besseres Langzeitverhalten. Außerdem ist es günstiger, wenn eine Skulptur frei bewittert werden kann als wenn sie, wie die Najade, in einer Nische steht. Denn die Abtrocknung funktioniert in einer Nische nicht so gut und zusätzlich heizt sich eine nach Süden ausgerichtete Skulptur in einer Nische besonders stark auf.

Früher gab es sauren Regen und Luftverschmutzung durch Braunkohle. Welche Umweltfaktoren wirken jetzt auf die frei aufgestellten Skulpturen?

Die Umwelteinflüsse haben sich wirklich extrem verändert. Früher hat der saure Regen die Marmoroberfläche angegriffen. Dadurch sind die Oberflächen angeraut, teilweise liegen die Kristalle frei. Jetzt haben wir Probleme mit Feinstaub und biogenem Bewuchs. Flechten sind ein Indikator für saubere Luft, aber auf Grund der nun aufgerauten Flächen finden sie leider ein ideales Substrat, um sich festzusetzen.

In unserer RESTAURO-Ausgabe 06/2017  mit dem Themenschwerpunkt Steinrestaurierung berichten wir ausführlich über die Rückkehr der Najade in den Sizilianischen Garten.

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