03.08.2016

Museum

Trendanalyse – Das Museum 3.0

Arbeitsvorgänge des Künstlers zu zeigen oder unkenntliche Malschichten zum Vorschein zu bringen. Foto: Clair Obscur.


Was sagen die Besucher zum Museum 3.0?

 

Kunstmuseen brechen aus den Gebäudemauern aus – in den digitalen Raum. Apps und Onlineführungen gehören heute zum festen Repertoire der Kunstvermittlung. Eine Umfrage unter deutschen Verbrauchern zeigt, wie sich diese Tendenz im Publikum niederschlägt.


3-D
Die Projektionstechnologie ermöglicht zum Beispiel, Arbeitsvorgänge des Künstlers zu zeigen oder unkenntliche Malschichten zum Vorschein zu bringen. Foto: Clair Obscur.

Auf der Webseite des Amsterdamer Rijksmuseum lässt sich beinahe jedes Ausstellungsstück im Vollbildmodus eingehend eingezoomt betrachten. Johannes Vermeers Milchmagd von 1660 blickt versunken auf den hochauflösenden Strahl milchweißer Wonne. Eine Pupillenbewegung weiter ringt ein rot unterlegtes Feld um Aufmerksamkeit: 10.806 mal wurde dieses Gemälde „geliked“. Daneben rät ein Scherensymbol zur reproduktiven Mittäterschaft: „Get creative“, „Download this work“!

Auch innerhalb der Museumsräume zählen digitale Oberflächen – Apps auf Tablets und Smatphones, die in Besucherhänden durch die Hallen wandern – längst zum gewohnten Mobiliar. Tatsächlich steht dieser Trend in enger Verbindung zu den exponentiell wachsenden Besucherzahlen vieler Kunsthäuser. 375.694 verkaufte Eintrittskarten zählte die Staatsgalerie Stuttgart im Jahr 2015: Das bedeutet eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr von 70 Prozent, bestätigt Direktorin Christiane Lange. Schon sind auch neue Technologien – Stichwort „Augmented Reality“ – auf dem Vormarsch. Doch kann sich dieser Trend, der auf das Virtuelle zielt, halten?

Eine Umfrage, welche das Marktforschungsinstitut Promio im Auftrag des Medientechnikunternehmens fröbus unter 1068 deutschen Verbrauchern durchführte, verdeutlicht, welche Reaktionen unterschiedliche digitale Vermittlungsmethoden bei den Besuchern hervorrufen:

Nähe oder Ferne zum Objekt

Aus den Ergebnissen der Umfrage lässt sich also ableiten, dass der digitale Trend aktuell wieder zum Objekt zurück geht. Anstatt auf dem privaten oder in die Ausstellung integrierten Bildschirm die Werke durch einen Klick scheinbar nahe, doch real auf Abstand zu halten, gewinnt die durch 3-D-Visualisierung oder Projektion vermittelte Information direkt am Objekt an Aufmerksamkeit.

Neue Projektionstechnologie des Berliner Start-ups Clair Obscur: Direkt am Objekt werden ergänzende, am Original verborgene Informationen ersichtlich. Foto: Clair Obscur.
Die Projektionstechnologie ermöglicht zum Beispiel, Arbeitsvorgänge des Künstlers zu zeigen oder unkenntliche Malschichten zum Vorschein zu bringen. Foto: Clair Obscur.
Die Grafik zeigt, wie ein Ausstellungsobjekt um einen Bildschirm mit digitalen Zusatzinformationen erweitert wird. Foto: Clair Obscur
Der alternative Vermittlungsweg von interactive scape: Hier wird sich auf "Multitouch-Tische" fokussiert. Foto: interactive scape GmbH
Die Tische geben Informationen frei, sobald Besucher sie mit einem eigens dafür kreierten Gegenstand berühren. Foto: interactive scape GmbH.
Digitalisierung bewegt den Besucher vielmehr zur aktiven Teilnahme als zur passiven Rezeption. Foto: interactive scape GmbH.
Der Museumsbesuch wird zur "taktilen Erfahrung". Foto: interactive scape GmbH
Multimedia-Guide xpedo: Losgelöst von räumlichen Barrieren vermitteln digitale Museumsführer vor Ort Zusatzinformationen für die Besucher. Foto: InformationsGesellschaft.
Multimedia-Guide xpedo: Besucherin mit einem digitalen Museumsführer, der das kulturelle Erlebnis mit Sprachausgaben, Filmen, Animationen und Musik zeitgemäß bereichert. Foto: InformationsGesellschaft.

Diesen Eindruck bestätigt auch ein Querschnitt durch die gegenwärtige Start-Up-Szene der Museumstechnik. Lichtchoreografie, Drehscheiben, 3-D-Drucke. Im Zentrum steht das Kunstwerk in all seinen Facetten: Details, Rückseiten, sowie Rekonstruktionen des Originalzustands will man dem Besucher des Museums 3.0 (in Ablöse des digital-virtuellen 2.0) zugänglich machen. Das Berliner Start-Up Clair Obscur entwickelte etwa eine neue Projektionstechnologie, die den Arbeitsvorgang des Künstlers oder verborgene Malschichten direkt am Gemälde zum Vorschein bringen kann. „Es liegt uns am Herzen“, erklärt Lene Fischer, Mitbegründerin von Clair Obscur, „eine Nähe zum Werk aufzubauen, die Geschichte eines Objekts zu erzählen.“

Einen anderen Vermittlungsweg wählen interactive scape, die sich auf sogenannte Multitouch-Tische spezialisiert haben. Diese geben digitale Informationen frei, wenn sie mit einem eigens dafür kreirten, haptischen Gegenstand berührt werden. „Der Museumsbesuch soll vor allem eine Erfahrung – eine taktile Erfahrung – sein“, beschreibt Marcel Graf von interactive scape deren Zielsetzung. Das wird insbesondere in unserem digitalen Zeitalter relevant: „Unsere Vermittlungskonzepte setzen auf ein Museum zum Anfassen. Ein Erlebnis, das man zuhause vor dem Bildschirm nicht haben kann.“

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