09.03.2017

Kunststück

Original und Reproduktion in Nürnberg


Steinmadonna an der Mohren-Apotheke

 

Die Steinerne Madonna in der Kartäuserkirche des Germanischen Nationalmuseums wird erstmals seiner Kopie gegenübergestellt.

Ab Donnerstag, den 9. März 2017, ist das Original einer mittelalterlichen Steinmadonna von 1420/30 erstmals im direkten Vergleich zu seiner Kopie im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg zu sehen. Präsentiert werden die Bildwerke anlässlich des 575-jährigen Bestehens der ältesten Apotheke Nürnbergs – die Mohren-Apotheke mitten in der Altstadt. Die unmittelbare Gegenüberstellung der beiden Figuren im neuen Ausstellungskontext ermöglicht, die jeweils fehlenden Teile zu erkennen und die offenbar nicht korrekten Ergänzungen des 19. Jahrhunderts zu enttarnen.

 

Das Original befand sich viele Jahrhunderte lang an der Fassade des historischen Gebäudes, ehe es in den 1920er-Jahren aus konservatorischen Gründen abgenommen und der Stadt Nürnberg verkauft wurde. Diese wiederum überreichte dem Germanischen Nationalmuseum die Figur als Dauerleihgabe.

Die Substanz der Figur war so marode geworden, dass ihr im Frühjahr 1923 das eiserne Zepter entglitt. Beim Absturz verletzte es einen Passanten und der Eigentümer der Apotheke wurde dazu verpflichtet, Sicherheitsmaßnahmen zu treffen. Eine Sicherheitsmaßnahme war, nach eingehenden Untersuchungen, die Figur von seinem traditionellen Standort zu entfernen. Heute nimmt sie ihren Platz in der Kartäuserkirche im Germanischen Nationalmuseum ein.

Im Museum wurden der Figur zahlreiche farbige Überarbeitungen abgenommen. Geringe Reste der vermeintlichen Originalfassungen, die aus heutiger Sicht jedoch eher sekundär sind, lassen auf goldenes Haar und Krone schließen sowie einen hellblauen Mantel mit goldenen Borten und ein blassrotes Kleid erahnen. Das damals noch auf ihrem Arm sitzende Jesuskind entpuppte sich als hölzerne, wohl relativ frei erfundene Ergänzung, die wie das abgebrochene eiserne Zepter vermutlich aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammt.

Auch die Kopie beschädigt

Den Verkaufserlös investierte der Eigentümer damals in eine Kopie der Figur, die man nach den Erkenntnissen der am Original vorgenommen Freilegungen farbig fasste. Mit der Haltung des Jesusknaben und der Position des rechten Arms der Jungfrau samt Zepter kopierte man allerdings nicht die mittelalterliche Figur, sondern deren fälschliche Ergänzungen des 19. Jahrhunderts. Doch auch die Kopie, die zu dieser Zeit das Original an seinem Ursprungsort ersetzte, erlitt während des Zweiten Weltkriegs starke Schäden. Inzwischen befindet sie sich – kopflos, als Resultat der zerstörerischen Ausmaße – im Germanischen Nationalmuseum. Bislang war sie allerdings im Depot untergebracht.

 

Die Steinfigur der Gottesmutter vertritt den Typus der „Schönen Madonna“. Diese Darstellungsform zeichnet sich durch ein edles Antlitz und eine kunstvolle Komposition mit weichen Gewandfalten aus. Maria steht auf einem Wolkensaum und neigt den Kopf sanft in Richtung eines heute verlorenen Knaben, der ursprünglich auf ihrem linken Arm saß. Neben dem Kind fehlen auch beide Unterarme. Die einstige Kopfbedeckung und die linke Schulter weisen ebenfalls erhebliche Schäden auf.

Heiligenfiguren wie diese hatten nach mittelalterlicher Auffassung die Funktion, ein Anwesen besonders zu schützen. Maria, deren Bild das Haus der Königstraße schon zierte, bevor die Mohren-Apotheke dort 1578 einzog, galt unter anderem als Fürsprecherin der Schwangeren und Kranken, die das Gebäude aufsuchten.

Das Germanische Nationalmuseum und die Mohren-Apotheke verbinden vielfältige Beziehungen. Unter den Direktoren August von Essenwein und Gustav von Bezold baute der damalige Eigentümer der Apotheke Ende des 19. Jahrhunderts die pharmaziehistorische Sammlung des Museums auf.

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