16.02.2015

Projekte

Stahlrohrmöbel der 1920er, 1930er Jahre

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Konsequent modern und bar jeden bürgerlichen Kitsches – die Stahlrohrmöbel von Marcel Breuer, Ludwig Mies van der Rohe und anderen Avantgardekünstlern der Moderne sind bis heute beliebt. Moderne technische Entwicklungen im Galvanobereich ließen ab den 1920er Jahren vernickelte und später auch verchromte Stahlrohrmöbel entstehen, die als besonders hygienisch propagiert zunächst im medizinischen Bereich und später auch in privaten Mobiliar Einzug fanden.

Das mittlerweile 3. Forschungsgespräch des Münchner DFG-Projektes „Kommentiertes Werkverzeichnis der Möbel und Möbelentwürfe Ludwig Mies van der Rohes“ galt der Betrachtung dieser mit kühlem Charme assoziierten Möbel aus kunsthistorischer, produktionstechnischer und restauratorisch-konservatorischer Sicht. Rudolf Fischer, der das Projekt wissenschaftlich koordiniert, berichtete vom raschen Aufschwung der Stahlrohrmöbel in den 1920er Jahren, Publikationen wie „Stahl und Hygiene“ (1929) rührten die Werbetrommel. Doch bereits Mitte der 1930er Jahre ist ein deutlicher Absatzrückgang im privaten Bereich zu verzeichnen.

 

 

Dass in dieser kurzen Phase erstaunliche technologische Fortschritte in der Galvanotechnik zu verzeichnen waren, konnte Gerald Fingerle berichten. Der leidenschaftliche Sammler und Inhaber einer Galvanisierfabrik im Esslingen führte das Publikum im Zeitraffer durch die Entwicklung der Galvanotechnik. Durch die mit Beginn des 20. Jahrhunderts aufkommende Fahrradindustrie fand zunächst die Vernickelung weite Verbreitung. Ab 1924 konnten auch verchromte Oberflächen hergestellt werden, die kratzfester und robuster, allerdings auch wesentlich teurer waren.

Bernd Dicke vom Fachbereich Design der Fachhochschule Dortmund lenkte das Thema auf den Umgang mit zeitgenössischen Nachlackierungen, Patina und Alterungsschäden. Er schilderte anhand der zahlreich vorhandenen Originale, dass eine gealterte Oberfläche auch identitätsstiftend sein kann. Die sich anschließende Frage zum Umgang mit sichtbaren Alterungsschäden, wie Korrosion unter den Stoffbezügen, löste eine kontroverse Diskussion um die Verwendung von Ballistol und anderen „Hausmitteln“ aus.

 

 

Hier kam das Fachwissen von Astrid Wollmann zum Tragen. Die an der Akademie Stuttgart ausgebildete Restauratorin erforscht die Herstellungs- und Bedeutungsgeschichte von Chrom aus konservatorischer Sicht. In Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut für Edelmetalle und Metallchemie (FEM) in Schwäbisch Gmünd setzt sie unter anderem coulometrische Verfahren zur Schichtdickenmessung mittels RFA-Laser ein. Sie zeigte neben unterschiedlichen Korrosionsformen auch Oberflächen, die erfolgreich mit Schlämmkreidepasten gereinigt und – im Gegensatz zur sonst üblichen kompletten Neuverchromung – nur partiell neu beschichtet oder retuschiert wurden.

Zum Abschluss des anregenden Nachmittages konnte Magdalena Droste von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus ausführen, dass die modernen Möbelentwürfe nicht immer auf ungeteilte Sympathie trafen, ja teilweise sogar unverhohlenem Spott ausgesetzt waren. Die Professorin vom Lehrstuhl für Kunstgeschichte hat nicht nur zeitgenössische Werbefotos ausfindig gemacht, wie das berühmte Bild von Breuers B3 mit der Maskenfrau, sondern auch Karikaturen aufgespürt, die auch heute noch zum Nachdenken über die bewusste Reduzierung des Wohnstils anregen.

Das DFG-Projekt „Kommentiertes Werkverzeichnis der Möbel und Möbelentwürfe Ludwig Mies van der Rohes“ unter der Leitung von Prof. Dr. Wolf Tegethoff ist am Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München angesiedelt. In früheren Forschungsgesprächen wurden bereits “Werkverzeichnisse der Moderne” sowie “Stahlrohrmöbel in der öffentlichen Wahrnehmung und Akzeptanz der 1930er Jahre” diskutiert. Die Herausgabe eines Aufsatzbandes mit den Ergebnissen aller drei Forschungsgespräche ist für Mitte 2015 geplant.

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