21.11.2024

Museum

Seouls neue Architektur-Ikonen

Die neue Architektur in Seoul, wie das Seoripul Open Storage Museum, lädt nicht nur zur Kunstbetrachtung, sondern auch zum Austausch und Dialog ein – in einer Stadt, die ihre 3000-jährige Geschichte modern interpretiert. © Herzog & de Meuron

Die koreanische Megacity Seoul fügt ihrer Stadtsilhouette mit zwei neuen Museen weitere Prestigeprojekte internationaler Stararchitekten hinzu. Mit den neuen Museen von Herzog & de Meuron will Seoul nicht nur Kunst zeigen, sondern auch zum Austausch und Dialog einladen, indem man Räume für verschiedene Aufführungen und Erlebnisse öffnet.

Jede große Stadt, die wichtige Kunstsammlungen hat, ist mit der Frage konfrontiert, was man mit den Schätzen im Archiv macht. Auch Seoul, die 3000 Jahre alte frühere Hauptstadt der Joseon-Dynastie, birgt ausgezeichnete Sammlungen aus allen Epochen. Unzählige historische Schätze sind allerdings auch hier bisher unzugänglich verwahrt. So kam es zum Entschluss, ein öffentlich zugängliches Archiv zu schaffen, das Exponate aus dem Seoul Museum of Art, Seoul Museum of Craft Art und Seoul Museum of History zeigen wird. Das Ziel ist, einen kreativer Dialog zu erzeugen, der Menschen inspiriert.

Deswegen wurde letztes Jahr ein geladener internationaler Design-Wettbewerb von der Urban Space Planning Division und dem Seoul Metropolitan Government ausgeschrieben. Das neue Archiv wird Seoripul Open Storage Museum heißen und soll im Stadtteil  Seocho-gu errichtet werden, der an den Hangang-Fluss angrenzt. Das Gebiet ist seit prähistorischen Zeiten besiedelt und gilt als Wiege der koreanischen Zivilisation. Funde einer Dolmengruppe und einer Wohnstätte weisen auf die Existenz von Kulturen aus Jungsteinzeit und Bronzezeit hin. Hier war auch der Sitz des Baekje-Königreichs, eines der drei Königreiche auf der koreanischen Halbinsel. In der jüngeren Geschichte residierte auf dem für das Archiv vorgesehenen Gelände ein Geheimdienst.


Neudefinition des Kunstarchivs

Schließlich wird das Kunstarchiv soll auf einer Fläche von 5800 m2 Einrichtungen für kulturelle Aktivitäten und Versammlungen bereitstellen. Das Schweizer Architekturbüro Herzog & de Meuron entschied den Wettbewerb mit dem Entwurf für einen eleganten, lichtdurchlässigen, kubischen Glasquader für sich. Er soll von einem Fundament aus Steinblöcken getragen werden, die vom Ort selbst stammen und die Einteilung in Gartenabschnitte markieren. Das heisst, die vier Außenräume, die sich zwischen den Felsblöcken aus Gneiss ergeben, werden als unterschiedliche, für die Öffentlichkeit zugängliche Gärten im traditionellen koreanischen Stil gestaltet. Sie sollen den Kunstspeicher umrahmen. Mit einem stufenförmig angelegten Auditorium entsteht ein zusätzlicher Aufführungsort für öffentliche Veranstaltungen.

Der Sieger-Entwurf von Herzog & de Meuron stellt 7 Obergeschosse und zwei Untergeschosse für Ausstellung und Gastronomie  zur Verfügung. Mit dem ganzflächig verglasten Café im 6. Stock schafft man zusätzlich einen Panorama- Ausblick auf Seoul. Die Einbeziehung von Sonnenkollektoren an der Fassade des Gebäudes leistet einen Beitrag zur Umweltfreundlichkeit und untersützt die Bemühungen der Stadt auf ihrem Weg, kohlenstoffneutral zu werden.

Im Gegensatz zu traditionellen Museumsarchiven soll das Seoripul Open Storage Museum als erstes „Open-Type-Museum“ 100 Prozent Zugang zu allen Sammlungen und Restaurierungsprozessen gewähren. „Über seine Rolle als Lagerstätte hinaus will es ein dynamischer öffentlicher Raum für die Bewohner von Seoul und Besucher aus aller Welt sein“, heißt es in der Beschreibung von Herzog & de Meuron. „Gekennzeichnet durch eine pyramidenförmige Glasstruktur auf Mineralblöcken und umgeben von einem sorgfältig abgegrenzten Garten, wird das Gebäude zu einem markanten Wahrzeichen, das von der Seocho Road aus sichtbar ist und die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich zieht“, so das Büro weiter. Im nächsten Jahr sollen die Bauarbeiten beginnen, und die Eröffnung ist für 2028 geplant.

Das geplante Seoripul Open Storage Museum, entworfen von Herzog & de Meuron, besticht durch seine elegante Glasstruktur auf einem Fundament aus lokalem Gestein und verspricht, ein einzigartiges „Open-Type-Museum“ mit vollständigem Zugang zu Sammlungen und Restaurierungsprozessen zu werden. © Herzog & de Meuron
© Herzog & de Meuron
© Herzog & de Meuron
© Herzog & de Meuron
© Herzog & de Meuron
© Herzog & de Meuron

Gangnam Style

Die Schweizer sind in Seoul bereits mit dem Song Eun Art Space präsent. 2021 wurde dieser Ort für zeitgenössische Kunst im chicen Bezirk Gangnam eröffnet. Der Art Space zeichnet sich durch eine einzigartige, komplexe Ansammlung unterschiedlicher Räume aus, wie die Architekten erklären. Es ist öffentlich zugänglich und nicht-kommerziell geführt. Dies ist nicht nur ein Ort für Kunstausstellungen, sondern auch für Lesungen und Präsentationen. Das ST SONGEUN-Gebäude befindet sich am höchsten Punkt des Dosan Daero in Cheongdam-dong im Süden Seouls – einem Viertel, das für seine Flagship-Stores, Restaurants und sein Nachtleben bekannt ist.

Wie schaut das Gebäude aus? Auf den ersten Blick skulptural, mit seiner klar geometischen, dreieckigen Form. Die Fassade, „Hidden Pine Tree“, hat nur wenige markante Öffnungen und wirkt zur Straße eher geschlossen. Zwei hohe Fenster im Süden erlauben den Blick auf die Stadt, während eine dreieckige Öffnung die Ebenen drei bis acht im Osten überspannt. Die hintere Fassade, die größtenteils verglast und mit Balkonen versehen ist, bringt Licht und Luft in die Büros. Hinter dem seitlich gelegenen Eingang kann man den öffentlich zugänglichen Garten betreten, der sich wie eine überraschende Oase inmitten dieses belebten, verkehrsreiche Geschäftsviertel auftut.

Der Song Eun Art Space im Viertel Gangnam, ebenfalls von Herzog & de Meuron, zeigt sich mit seiner markanten, dreieckigen Form und einer „Hidden Pine Tree“-Fassade, die sich in das lebendige Shopping- und Nachtleben von Cheongdam-dong einfügt. © Iwan Baan
© Iwan Baan
© Iwan Baan
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© Iwan Baan
© Iwan Baan
© Iwan Baan
© Iwan Baan

Kunst inmitten des Shoppingdistrikts

Die Bebauung des Grundstücks erlaubt eine höhere Dichte entlang der Hauptstraße, und führte zu einem Entwurf, der den Raum innerhalb der örtlichen Vorschriften maximiert. Die hohe vordere Fassade des Gebäudes ist der belebten Straße zugewandt, während sich die niedrigere hintere Fassade zum Garten hin öffnet und sich so in den intimeren Maßstab des Viertels einfügt. So gelang es den Architekten, die angestrebte Balance zwischen Offenheit und Geschlossenheit zu realisieren.

Oftmals versuchen Architekten das neue Gebäude in Bezug zur bestehenden Typologie der Umgebung zu gestalten, doch hier gab es keine offensichtliche Typologie, nach der sie sich richten wollten. Mit dem häufig als feindlich und abweisend wahrgenommenen Beton haben Herzog & de Meuron schon oft experimentiert, und dabei eine Neuinterpretation des Materials angestrebt. Mit einer Methode, bei der Beton “tätowiert” und die Oberfläche zerkratzt wird, entsteht Porösität und eine sinnliche Materialpräsenz, wie etwa der Eindruck, man hätte es mit einer Holzmaserung zu tun.

Zudem dient an der Westseite des Gebäudes die Fahrzeugrampe als skulpturales Element. Ihre geschwungene Abfahrt schneidet eine Öffnung in die Decke des unterirdischen Ausstellungsraums und verbindet diese versunkene Galerie mit dem Licht und den Geräuschen der Straße darüber. Die Betonwände in dem höhlenartigen Raum kontrastieren mit dem silbern beblätterten Inneren der Rampe und dem darunter liegenden Parkplatz. Die Rampe windet sich um einen hohen Hohlraum und definiert die Geometrie des großen Treppenhauses, das auch als Auditorium für Veranstaltungen dient und zu den Galerien im zweiten Stockwerk führt. Über und unter der Erde lädt eine Mischung aus Kunsträumen, Büros und öffentlichen Bereichen die Öffentlichkeit zur Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst ein.

Weiterlesen: Zu Ehren von Ferdinand Franz Wallraf (1748–1824), dessen Todestag sich in diesem Jahr zum 200. Mal jährt, hat das Wallraf-Richartz-Museum eine Sonderschau unter dem Titel „Museum der Museen“ entwickelt.

 

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