2014 stießen Archäologen in Oberding (Landkreis Erding) auf einen Depotfund von knapp 800 frühbronzezeitlichen Spangenbarren. Nach aufwendigen Restaurierungsarbeiten und naturwissenschaftlichen Analysen präsentierten Wissenschaftler gestern nun den Sensationsfund, der ab jetzt im Museum Erding zu bestaunen ist.
Handelt es sich um bronzezeitliche Mathematik?
Wie so oft waren es auch in Oberding (Landkreis Erding) bauvorgreifende archäologische Maßnahmen, die 2014 zur Freilegung eines bedeutenden Fundkomplexes führten. Zunächst zeichnete sich im hellen Lössboden eine dunkel verfüllte Abfallgrube ab – so weit so unspektakulär im archäologischen Alltag. Doch dann erkannten die Archäologen während des Abtrags eine seitliche Nische im Randbereich. In zwei Blockbergungen, eine davon knapp eine Tonne schwer, wurde der Inhalt ausgehoben und von Diplomrestaurator Jörg Stolz (Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege) in mehrmonatiger Präzisionsarbeit in der Werkstatt freigelegt. Am Schluss waren es 796 frühbronzezeitliche Spangenbarren aus Fahlerzkupfer – ein Sensationsfund.
„Wir hatten das Glück, dass vorab von beiden Blockbergungen im Fraunhofer Institut in Fürth C-T-Aufnahmen gemacht wurden,“ erklärt Jörg Stolz. „Wir wussten also relativ genau, was wir ausgraben. Die Lage der Barren war uns vorher bekannt.“ Allerdings entschied man sich, nicht alle Stücke freizulegen, ein Teil der kleinen Bergung blieb im Erdverbund erhalten. „Das hat den Hintergrund, dass wir auch für kommende Generation noch Spangenbarren in ihrer in situ Lage erhalten wollen“, betont Restaurator Jörg Stolz.
Dass sich die kleinteilige wie zeitintensive und interdisziplinäre Arbeit jedoch lohnt, spiegelt allein die Fülle an Informationen wider, die im Laufe der Monate zu dem Hortfund gesammelt werden konnten. Eine der Beobachtungen: „In der Korrosionsschicht der Barren befanden sich auch organische Reste“, erläutert Jörg Stolz. „Wir stellten Umwicklungen an den Barren fest, die immer zu Zehner-Bündeln zusammengefasst waren. Diese Reste konnten wir unter dem Mikroskop als Baumbast identifizieren.“ Neben dieser Besonderheit fiel noch eine weitere, in der Forschung bereits bekannte Messgröße auf. Jeder Barren wog zwischen 90 und 120 Gramm, womit pro Barrenpaket rund ein Kilogramm anzusetzen ist. Ein Vorläufer des Dezimalsystems?
Fraglich ist daher die genaue Funktion. Mit einiger Sicherheit handelt es sich bei den Barren um ein Halbfertigprodukt, das mit Zinn zu bronzenem Schmuck und Werkzeug weiterverarbeitet wurde. Es könnte aber auch als prämonetäres Zahlungsmittel gedient haben. Unbestritten ist der wissenschaftliche Wert. Harald Krause, Leiter des Erdinger Museums, bezeichnet den Hortfund als „Leuchtturm für das Museum“. Dies zeigte sich bereits in einer Anfrage des Martin Gropius Baus in Berlin, der noch vor der Veröffentlichung um eine Leihgabe der Spangenbarren für eine europaweite Ausstellung zum Thema „Bewegte Zeiten. Archäologie in Deutschland“ bat.
Mit dem Sensationsfund tun sich nun neue Fragen auf. Gelegenheit zum wissenschaftlichen Austausch gibt es am Samstag, den 22. Juli 2017, beim vierten Archäologische Sommersymposium im Museum Erding. Das Programm zur Veranstaltung finden Sie hier: PDF DOWNLOAD
Die Teilnahme am Symposium ist kostenlos. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Parallel zum Sommer-Symposium erscheint der neue Band der Museumsschriftenreihe „Spangenbarrenhort Oberding. Gebündelt und vergraben – ein rätselhaftes Kupferdepot der Frühbronzezeit“. Er dokumentiert die neuen Fund-Erkenntnisse.