14.06.2017

Branchen-News

Wohnungen für Senioren statt Tanzlokal

 

Einst beliebtes Ausflugsziel jetzt auf dem Weg zur Schlafstadt: In dem Berliner Denkmalkomplex  „Riviera“ sollen barrierefreie Wohnungen und Pflegeimmobilien entstehen. Unsere Autorin Uta Baier war vor Ort und hat sich umgehört.

 

Bedrohter Denkmalkomplex: Die Riviera und das Gesellschaftshaus in Berlin/Grünau. Foto: Uta Baier
Zu sehen ist die Front der Riviera... Foto: Uta Baier
...und die Seitenansicht. Foto: Uta Baier
Blick in den Garten des Gesellschaftshauses. Foto: Uta Baier
Das verfallene Gesellschaftshaus mit Veranda. Foto: Uta Baier

Mehrmaliger Eigentümerwechsel

 

Seien Sie doch froh, dass 200 reiche Leute nach Grünau ziehen werden. Einen solchen Investorensatz hört Nils-R. Schultze nicht gern. Der Künstler ist Sprecher der AG Ortsgestaltung Grünau, einer Interessengemeinschaft von Süd-Ost-Berlinern, die sich nicht nur um das historische Erscheinungsbild sondern auch um die Zukunft ihres Ortsteils sorgt. Gegen „reiche Leute“ habe er nichts, sehr wohl aber gegen die Abschaffung eines Denkmalkomplexes, der „Riviera“ genannt wird und 1895 gebaut wurde. Der Stadtteil am südöstlichen Rand Berlins war einst ein beliebtes Ausflugsziel. Dazu trugen neben Wald und Wassernähe und vielen um 1900 gegründeten Wassersportvereinen vor allem die Riviera und das Gesellschaftshaus bei. Der Gebäudekomplex, 1895 errichtet, beherbergte Gastronomie, Tanzsäle, einen Biergarten, ein Hotel – alles in einem parkähnlichen Wassergrundstück gelegen und durch einen gepflasterten und beleuchteten Waldweg direkt mit dem S-Bahnhof verbunden.

 

Waldweg und Beleuchtung sind geblieben, die einst prächtigen Säle mit Ausstattungselementen aus Jugendstil und Klassizismus jedoch wurden 1990, nach dem Ende der DDR, geschlossen. Einen neuen Betreiber oder ein tragfähiges Konzept fanden das Land Berlin und der Stadtbezirk in all den Jahren nicht. 2006 wurde das Ensemble an eine Unternehmerin aus Istanbul verkauft. Doch auch der Eigentümerwechsel brachte keine Veränderung, denn die Bau-Ideen der neuen Eigentümer entsprachen nie den Denkmalschutzvorgaben, so dass nicht gebaut werden durfte und das Ensemble immer weiter verfällt.

Jetzt wurde es erneut verkauft und wieder gibt es große Pläne. Dieses Mal will die Terragon GmbH, der „bundesweit führende Spezialist für die Entwicklung barrierefreier Wohnungen und qualitativ hochwertiger Senioren- und Pflegeimmobilien“, wie es in der Eigenwerbung heißt, eine Seniorenwohnanlage auf dem Gelände errichten. Zwar sollen beide Gebäude erhalten bleiben, doch nur das „Riviera“-Gebäude auch in seiner historischen Anmutung und Bestimmung. Das benachbarte Gesellschaftshaus wird nach den bisherigen Plänen barrierefrei zu Wohnungen umgebaut und erhöht. Außerdem entstehen vier weitere mehrstöckige Wohnhäuser.

 

Einen Schritt näher zur Schlafstadt

Vertreter des Ortsvereins sind entsetzt, denn die geplanten Viergeschosser mit ausgebautem Dachgeschoss werden die historische Bausubstanz in der gesamten Umgebung überragen. Der Anwohnervertretung sind jedoch nicht nur die Häuser zu hoch, das Konzept bringe den Stadtteil einen Schritt näher zur Schlafstadt, die Bebauung mit Seniorenwohnungen sei ein Schritt in Richtung „Unattraktivität für Besucher und Erholungssuchende“ und die Pläne insgesamt „eine Abkehr von der Erhaltung eines Denkmalensembles, auf das der Stadtteil stolz sei“, wie Nils-R. Schultze sagt.

 

Umfangreiche Baumaßnahmen als Chance auf einen Neuanfang

Rainer Hölmer, Bezirksstadtrat für Bauen, Stadtentwicklung und öffentliche Ordnung schreibt in einer Pressemitteilung zu Verkauf und Bauplänen: „Die geplanten Neubauten sind zugegebenermaßen sehr umfangreich. Allerdings können Denkmale nur dauerhaft erhalten werden, die auch genutzt werden. Leerstand führt immer zum Zerfall. (…) Wir sehen die Pläne als gangbaren Kompromiss, sie bieten aber auch eine große Chance für einen Neuanfang.“ Schließlich habe sich der Bauherr „gegenüber dem Bezirksamt freiwillig zur Anlage eines öffentlichen Uferwegs entlang der Dahme bereiterklärt. Die neue für alle nutzbare Wegeverbindung verbindet die beiden angrenzenden öffentlichen Grünflächen“, heißt es in der Mitteilung über einen neuen Uferweg von wenigen hundert Metern.

Die Interessengemeinschaft und auch ein ihr wohl gesonnener Investor prüfen nun rechtliche Schritte. Denn der zweite Investor, der in Gastronomie und ein Kongresszentrum mit Erhaltung der Denkmale investieren wollte, sei in die aktuellen Verhandlungen nicht einbezogen worden, sagt Nils-R. Schultze.

 

Zusätzliche Info:

Die oben eingestellten Bilder zeigen den derzeitigen Status quo. Ansichten der neuen Entwürfe und Pläne stehen ab Mitte Juli zur Verfügung. Dann finden Sie an dieser Stelle natürlich eine erweiterte Bildergalerie mit den aktuellen Ansichten der baulichen Neustrukturierung der „Riviera“.

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