Unsere heutigen Museen gehen oftmals auf mäzenatische Tätigkeiten zurück. Doch bei Mäzenen scheint es sich um eine aussterbende Gattung zu handeln. Museen stehen vor Herausforderungen, und zugleich hat die Gesellschaft ebenfalls Ansprüche an Sammlungen. Wie hat sich das Sammeln und Ausstellen entwickelt, und wie wird es zukünftig aussehen?

Vom Überlebensinstinkt zur Kunst- und Wunderkammer
Seit jeher sammelt der Mensch. Lange Zeit diente es vor allem dem Überleben, doch auf Ausgrabungen werden auch immer wieder völlig nutzlose Objekte, wie Muscheln, Steine oder auch kleine Versteinerungen, gefunden. Es scheint, als ob der Mensch auch damals schon aus reiner Leidenschaft und Freude sammelte. Und auch in den antiken Hochkulturen wurde gesammelt. Im Mittelalter hingegen war das Sammeln verpönt, man wollte möglichst frei von weltlichem Gut seinem Schöpfer gegenübertreten. Das änderte sich in der frühen Neuzeit. Fürsten und Adlige sammelten in den sogenannten Kunst- und Wunderkammern mit dem Ziel, ein Abbild der Welt zu erschaffen. Der Vorläufer unserer heutigen Museen war geboren, mit der Einschränkung, dass sie nur einer kleinen Gruppe zugänglich war.
Der Wunsch, ein Abbild der Welt zu erschaffen, war aber auch eine große Herausforderung, wie uns Anne Buschhoff, Kuratorin am Wallraf-Richartz-Museum, schildert. Gerade Objekte aus fernen Erdteilen weckten Begehrlichkeiten bei den Sammlern, Objekte, bei denen wir heute natürlich an die Schattenseiten europäischer Ausbeutung und Aneignung denken. Wundersam mag heute manchem scheinen, dass in den Kunst- und Wunderkammern Objekte miteinander kombiniert wurden, die uns heute nicht mehr als zusammengehörig erscheinen. Man versammelte Naturalia, Artificialia und Mirabilia, um die Geschichte der Welt erzählen zu können. Heute wissen wir, dass sie in einem durchaus bedachten Chaos präsentiert wurden. Der Besuch einer Kunst- und Wunderkammer war ein durchaus anspruchsvolles Unterfangen. Es galt, zwischen den Objekten Bezüge herzustellen. Die vielfältigen Bezüge der Objekte in einem begehbaren Wissensraum anschaulich zu machen, wurde aber mit der Zeit immer schwieriger, sodass es zunehmend zu einer Ausdifferenzierung der Sammlungen kam.
Ausstellung im Wallraf-Richartz-Museum
Es entwickelten sich Naturalienkabinette, Antikensammlungen und Gemäldegalerien. Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum widmet momentan dem Ausstellen eine Ausstellung, zugleich beschreibt es aber auch eine Reise in die Welt des Sammelns. Der Besucher lernt verschiedene Sammlungskonzepte und deren Präsentation kennen. So wird der Bildtypus des „Galeriebilds“ vorgestellt, der im Antwerpen des frühen 17. Jahrhunderts entstand und oftmals fürstliche Sammlungen zeigt, bisweilen auch Phantasiesammlungen. Er zeigt exemplarisch auf, wie sich das Ausstellen aber auch das Sammeln, nach der Abkehr vom Konzept der Kunst- und Wunderkammer weiterentwickelte. Diese Sammlungen waren in der Regel nach wie vor nur einem exklusiven Personenkreis zugänglich. In der Ausstellung präsentieren die Kuratorinnen und Kuratoren ein Gemälde von David Teniers d. J., das die Sammlung des österreichischen Erzherzogs Leopold Wilhelm zeigt. Das Werk, um 1660 entstanden, zeigt in der sogenannten barocken Hängung die Sammlung des Adligen. Oft verfuhr Teniers mit den Werken in künstlerischer Freiheit, präsentierte sie nicht maßstabsgerecht oder sogar seitenverkehrt. Mit der Aufklärung wandelte sich der Anspruch an solche Sammlungen, das Ziel war es, die Sammlungen zu öffnen und Besucherinnen und Besucher – auch im Sinne eines Bildungsauftrags – zu formen.
Franz Ferdinand Wallraf – Urvater der Kölner Museen
Auch Bürgerinnen und Bürger betätigten sich als Sammler. In der Kölner Ausstellung dient Ferdinand Franz Wallraf, auf dessen Sammlung unter anderem der Grundstock des Wallraf-Richartz-Museums, aber auch anderer Museen der Stadt fußt, als Beispiel. Seine Sammlung beinhaltete viele Stücke, die er aus Kirchen und Klöstern rettete, nachdem im Zuge der Französischen Revolution diese aufgelöst wurden. Anders als im 18. Jahrhundert üblich, war Wallrafs Sammeltätigkeit jedoch nicht auf bestimmte Medien beschränkt, sondern er knüpfte vielmehr an Traditionen der Kunst- und Wunderkammern an. Das brachte ihm auch Kritik ein, so äußerte Johann Wolfgang von Goethe Unverständnis an der Art und Weise des Sammelns Wallrafs. Nach seinem Tod, so legte Wallraf es fest, sollte seine Sammlung „zum Nutzen der Kunst und Wissenschaft“ in Köln bleiben. Zwei Jahre nach seinem Tod entstand das „Wallrafianum“, das zunächst seine gesamte Sammlung präsentierte. Aus diesem Museum entwickelten sich dann viele Kölner Museen, wobei das Wallraf-Richartz-Museum den größten Teil der Sammlung erhielt.
Konzeptfindung einer musealen Präsentation
Die ersten Museen entstanden bereits im 18. Jahrhundert, also bereits vor dem Tod von Wallraf 1824. Die ersten Museen waren unter anderem das British Museum in London und das Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig. Das Fridericianum in Kassel gilt als eines der ersten explizit als Museumsgebäude geplanten Bauwerke. Damit wurden die Fragen nach dem Wie-und-Was-Präsentieren dringlicher. Den verschiedenen Konzepten musealer Präsentation widmet die Ausstellung in Köln ebenfalls ein Kapitel. Ursprünglich wurden Gemälde in der Petersburger Hängung dicht an dicht neben- und übereinander präsentiert. Einen Wandel brachte die Entwicklung des Faches Kunstgeschichte. Die „progressive Hängung“ wurde Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt, aber stieß zunächst auf wenig Verständnis. Eingeführt in das Wallraf-Richartz-Museum hat sie der damalige Direktor Alfred Hagelstange. Statt die Bilder über- und nebeneinander zu platzieren, präsentierte Hagelstange die Werke der Sammlung einreihig nebeneinander. Die Wände wurden dabei farbig passend zu den Gemälden gestaltet und zwischen den einzelnen Werken war ein größerer Abstand. Das Ziel war es, den Besucherinnen und Besuchern die Möglichkeit zu geben, jedes Werk auf sich wirken zu lassen.
Neue Wege des Sammelns
Im 20. Jahrhundert entwickelten Künstler wie Daniel Spoerri und John Cage neue Konzepte, Sammlungen zu präsentieren. Beiden Künstlern widmet das Wallraf-Richartz-Museum Räume. Daniel Spoerri entwickelte in den 1970er-Jahren das Mu
sée Sentimental, in dem nicht mehr nur historisch bedeutsame Objekte ausgestellt werden, sondern Alltagsgegenstände oder auch persönliche Erinnerungsstücke. Die dabei entstehenden Ausstellungen hatten dann immer ein Oberthema. Ursprünglich hatte er diese Idee für die Eröffnung des Centre Pompidou entwickelt. Im Kölnischen Kunstverein präsentierte er diese Arbeit 1979. Im Wallraf-Richartz-Museum hat Marie-Louise von Plessen das Konzept, das sie mit Spoerri entwickelt hatte, wiederaufleben lassen. Diesmal mit Bezug auf Ferdinand-Franz Wallraf. Anhand von Alltagsgegenständen erzählen die Ausstellungsmacherinnen und -macher die Geschichte der Stadt Köln nach von A – wie Alaaf bis Z – wie Zeichnung.
John Cage entwickelte 1993 die Arbeit „Museumszirkus“. Seine Idee war es, dass ein Museum in einer Stadt seine Nachbarmuseen für Leihgaben anfragt, die dann zufällig im Raum positioniert werden. Das Wallraf-Richartz-Museum konnte aus 17 benachbarten Museen Leihgaben gewinnen und präsentiert sie nach einem Zufallsprinzip, das von einem Computerprogramm vorgegeben wurde. Nach einem Blick in die Vergangenheit wirft das Museum auch einen Blick in die Zukunft und geht der Frage nach wie „Sehen“ dann funktionieren könnte.
Im Wandel der Zeit
Die Kuratorin der Ausstellung betont, dass die Idee der Kunst- und Wunderkammer immer wiederkehrte. Das belegen in der Ausstellung nicht zuletzt Museumskonzepte des 20. Jahrhunderts – Daniel Spoerris Idee des „Musée sentimental“ oder auch John Cages „Museumszirkus“. Auch das heutige Internet sei eine Art Wunderkammer, in der die Dinge nunmehr in einem Maße miteinander verlinkt werden können, wie es der historischen Kunst- und Wunderkammer einst angesichts des explodierenden Wissenszuwachses nicht mehr möglich gewesen sei. Neben den Herausforderungen der Präsentation sehen sich Museen mit vielen weiteren Herausforderungen konfrontiert. So sei es für Museen mittlerweile sehr schwierig, am Kunstmarkt mitspielen zu können. Anne Buschhoff hat die Hoffnung, dass sich manche Privatsammlerin, mancher Privatsammler vielleicht entschließen wird, das eine oder andere Werk ihrer Sammlungen Museen zu vermachen. Das Entsammeln, wie es einige Museen, vor allem auch in den USA praktizieren, lehnt sie ab und gibt zu bedenken, dass Kunst zu jeder Zeit anders gesehen wird. So sei beispielsweise Caspar David Friedrich erst 1906 wiederentdeckt worden, nachdem er lange in Vergessenheit geraten war. Sie führt weiter aus, dass jede Zeit und jede Generation ihren eigenen Blick habe und den Fokus anders lege, und rät zu Bescheidenheit und Vorsicht. Denn das, was wir heute nicht wichtig finden, könnten zukünftige Generationen als wichtig erachten und umgekehrt. Dieser Gefahr müsse man sich bewusst sein.
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