01.08.2025

Beruf

Detektivisches Interesse für Restaurierungswissenschaften

Bernhard Kügler © Archiv Goering Institut e.V.

Herr Kügler, in den Restaurierungswissenschaften gibt es Nachwuchssorgen. Ihr Institut ist nicht betroffen. Was machen Sie besser als andere?

Bernhard Kügler: Wir sind nicht besser als andere, wir sind anders als andere. Diese Andersartigkeit macht unsere Ausbildung für die, die am Berufsbild der Restauratorin oder des Restaurators interessiert sind, interessanter. Unser Konzept unterscheidet sich von dem der Hochschulen. Bei uns gibt es eine Aufteilung von 50 Prozent Theorie und 50 Prozent Praxis, dieses Konzept verfolgen wir jetzt seit 40 Jahren und sind dabei recht erfolgreich. Ich denke, das ist der wesentliche Punkt, dass wir neben der theoretischen Ausbildung in den Fächern Naturwissenschaften, Kunstgeschichte, Dokumentation et cetera mit den praktischen Arbeiten einen Gegenpol bilden. Dadurch sind unsere Absolventinnen und Absolventen nach der Ausbildung sehr gut für den Arbeitsmarkt qualifiziert. Für viele ergibt sich bereits während des Studiums eine Stelle. Dieser hohe Praxisanteil unterscheidet uns einfach von den Hochschulen.


Gibt es dann an den (Fach-)Hochschulen keine praktische Ausbildung?

BK: Es gibt weniger praktische Ausbildung. Wir haben zum Teil Bewerberinnen und Bewerber, die von den Hochschulen zu uns wechseln, weil wir einen höheren Praxisanteil in der Ausbildung haben. Durch unsere schulische Prägung, das ist ein bayerisches Sondermodell der Fachakademie-Ausbildung, haben wir eben dieses Konzept mit zur Hälfte Theorie und zur anderen Hälfte Praxis. Wir haben Vollzeitunterricht, das ist nicht vergleichbar mit beispielsweise einem Bachelorstudiengang. Das ist ein freies Studium, wir sind schulisch organisiert. Dadurch ist die Ausbildung an der Fachakademie zum Teil intensiver. Alle Fächer werden regelmäßig, kontinuierlich nach Studienplan unterrichtet. Ich bin der Ansicht, dass wir unsere Absolventinnen und Absolventen auf beides vorbereiten: das akademische und das praktische Arbeiten. Sie können die Dokumentation schreiben, Befunde erstellen und Konzepte erarbeiten. Sie sind dann in der Lage, diese Dinge auch umzusetzen.


Was sollte man für ein Studium der Restaurierungswissenschaften im Allgemeinen mitbringen?

BK: Detektivisches Interesse wäre nicht schlecht, dass man Dingen auf den Grund gehen will. Ein Forschungsinteresse sollte auf jeden Fall da sein. Manuelles Geschick ist auch unverzichtbar sowie ein gutes Stück weit Kreativität. Das erwartet man vielleicht erstmal nicht – die Hauptaufgabe von Restauratorinnen und Restauratoren ist das Nachempfinden oder auch die zurückhaltende Restaurierung und Konservierung. Das scheint zunächst eher weniger kreativ zu sein, zumindest wenn wir an das denken, was wir als künstlerischen oder malerischen Prozess kennen. Aber Kreativität benötigen Restauratorinnen und Restauratoren bei der Wegfindung und der Konzeptfindung bei einer Restaurierung. Da geht es um Fragen wie: Wie restauriere ich ein spezielles Objekt am besten? Welche Techniken kann ich adaptieren oder auch modifizieren? Dies gilt im Besonderen für moderne Techniken, wie den 3D-Scan oder auch den 3D-Druck, hier muss vieles für unseren speziellen Bereich angepasst werden. Am Ende aller Überlegungen findet man im Idealfall für das spezielle Objekt den richtigen Weg, der optimal passt.


Wie sieht es mit naturwissenschaftlichem Interesse aus?

BK: Das sollte unbedingt vorhanden sein, die Naturwissenschaften sind bei uns fester Bestandteil. Wir unterrichten in verschiedenen Ebenen, von der Auffrischung chemischer Grundkenntnisse über die anorganische Chemie hin zur organischen Chemie bis hin zur speziellen Restauratoren-Chemie, bei der es dann um die Analytik geht. Man lernt, Bindemittel, Pigmente und andere Materialien zu bestimmen. Im Idealfall werden parallel dazu die Materialien in der Fachtechnologie besprochen. In Praxisübungen werden die Materialien verwendet, um zum Beispiel die richtige Farbintensivität im entsprechenden Bindemittel für eine Retusche zu finden.


Ihr Institut hat sich auf die Ausbildung von Möbel- und Holzrestauratorinnen und -restauratoren spezialisiert. Was benötigt man für das Studium der Holz- und Möbelrestaurierung im Speziellen?

BK: Manuelles Geschick ist bei uns natürlich wichtig. Das spiegelt sich auch in unserer Schulordnung wider. Das Kultusministerium hat festgelegt, dass unsere Bewerberinnen und Bewerber entweder eine abgeschlossene Lehre im holzverarbeitenden Beruf haben müssen oder Abitur und ein mindestens einjähriges Praktikum im restauratorischen Bereich. Holzverarbeitender Beruf ist dabei weitgefasst, das kann die Holzbildhauerei, die Tischlerei, die Bootsbauerei oder auch die Zimmerei sein.
Bei anderen Ausbildungsstätten wurden Praktika zum Teil abgeschafft oder auch verkürzt, das finde ich nicht gut. Denn je mehr Kenntnisse die Studierenden mitbringen, umso intensiver kann die Ausbildung sein. Und umso besser kann die oder der Einzelne gefördert werden.


Ist dann der Unterschied im Bereich des Könnens von einer Abiturientin oder einem Abiturienten, die oder der „nur“ ein einjähriges Praktikum gemacht hat, und jemandem, der eine abgeschlossene Berufsausbildung hat, nicht groß?

BK: Diese Sorge haben viele Bewerberinnen und Bewerber, aber ich weiß aus Erfahrung, dass sich die Unterschiede in den Klassen ganz schnell nivellieren. Zum einen helfen sich die Studierenden gegenseitig, weil sie durch den Klassenverbund eng beisammen sind. Es nivelliert sich aber auch dadurch, dass wir im ersten Studienhalbjahr viele handwerklich-traditionelle Techniken nachvollziehen – vom Schnitzen übers Fassen, Vergolden und Verleimungen bis hin zur Schelllackpolitur. Am Ende dieser Übungen werden den Objekten Schäden zugefügt, die dann restauriert werden müssen. Jemand, der eine Schreinerlehre oder auch eine Holzbildhauerlehre gemacht hat, tut sich mit der Herstellung der Objekte vielleicht leichter, aber die- oder derjenige mit dem Praktikum tut sich leichter in der Restaurierung. So gleicht sich das aus, und nach einem Dreivierteljahr sind die Studierenden auf einem Nenner.


Gibt es bei Ihnen Voraussetzungen, die man erfüllen muss, bevor man ein Studium bei Ihnen beginnen kann?

BK: Neben dem bereits erwähnten Praktikum beziehungsweise der Lehre führen wir noch ausführliche Gespräche mit den Interessentinnen und Interessenten. Wenn ernsthaftes Interesse besteht, laden wir zu einem eintägigen Eignungsverfahren ein. Das ist keine Wissensprüfung, man muss also in Kunstgeschichte oder Chemie nicht glänzen. Wir testen erstmal nur die Eignung, das machen wir zum Beispiel mit Farbtests und auch einem schriftlichen Test im Fach Dokumentation zum Thema Restaurierung und Konservierung. Nach der „manuellen Prüfung Holz“ ist man Gast im Unterricht und bekommt die Gelegenheit, die Studierenden kennenzulernen und sich mit ihnen auszutauschen. So erhält man schon einen Einblick, wie der Alltag bei uns aussieht. Wir beobachten das und führen dann ein abschließendes Gespräch, mit der Bewerberin / dem Bewerber und teilen ihr oder ihm dann auch unsere Entscheidung direkt mit. Die Ausbildung dauert drei Jahre und man schließt mit mehreren Titeln auf Level DQR und EQR 6 ab, das entspricht dem Bachelor und Meister. Die Absolventinnen und Absolventen bekommen daher auch eine Meisterprämie vom Freistaat Bayern in Höhe von derzeit 3.000 Euro. Der Titel, den man erwirbt, lautet „Staatlich geprüfter Restaurator / Staatlich geprüfte Restauratorin für Möbel- und Holzobjekte“, zudem gibt es noch den zweiten Titel „Bachelor Professional (Technik)“.


Was, denken Sie, sind Möglichkeiten, um dem Fachkräftemangel in der Restaurierung entgegenzuwirken?

BK: Die Bezahlung, gerade auch im öffentlichen Dienst, könnte deutlich besser sein. Auf dem freien Markt ist das oft Verhandlungssache. Um Jugendliche für den Beruf zu begeistern, reicht das aber nicht aus. Ganz wichtig für uns ist, in die Schulen zu gehen – in die Realschulen und in die Gymnasien, aber auch in die Berufsschulen. Viele Kolleginnen und Kollegen, die größere Betriebe haben, haben das auch erkannt und gehen in die Schulen und bieten aktiv Schülerpraktika an.
Ein weiterer Lösungsansatz könnte sein, dass Kolleginnen und Kollegen nicht bereits mit 67 in Ruhestand gehen, sondern dass die, die wollen, auch länger arbeiten können. Natürlich müssen dafür die Bedingungen attraktiv sein.
Und als Drittes: Arbeiten mit KI, die uns Aufgaben abnehmen kann. So hat man für seine Kernaufgaben mehr Zeit. KI könnte zum Beispiel bei der Klimaüberwachung und -steuerung oder auch Dokumentation und Kartierung helfen. Das ist momentan noch nicht Alltag, aber wird sich durchsetzen. Wir arbeiten gerade daran, uns in dem Bereich besser aufzustellen und vorzubereiten.


VITA

1963 geboren, 1979 bis 1982 Ausbildung zum Tischler; anschließend diverse restauratorische Praktika;

1988–1991 Ausbildung zum staatl. geprüften Restaurator für Möbel und Holzobjekte an der staatlich anerkannten Fachakademie des Goering Instituts e.V. München; danach 6 Jahre Werkstattleiter für den Bereich Restaurierung in den Werkstätten Gerg;

Währenddessen 1992/93 zwei Lehraufträge des DAAD für Workshops für Restauratoren am Museum der Provinz Java-Barat in Bandung/Indonesien;

Seit Ende 1997 Lehrkraft in der Fachakademie;

Als Vorsitzender des Berufsverbandes der staatlich geprüften Restauratoren 2001 Mitgestaltung der Fusion der deutschen Restauratorenverbände zum VDR; Seit 2003 Institutsleiter des Goering Instituts e.V. und Direktor der staatlich anerkannten Fachakademie zur Ausbildung von Restauratoren für Möbel und Holzobjekte München;

Weiterlesen: Am Rande der fränkischen Kleinstadt Arnstein stießen Archäologen 2018 auf ein Gräberfeld aus dem Frühmittelalter – ein Fund, der tiefere Einblicke in die Epoche verspricht.

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