02.04.2025

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Rätselhafter Münzfund

3D-gerendertes Bild mit den Münzen im Block. © P. Albert, Archäologische Staatssammlung

Welches Schicksal erlitt wohl der Besitzer, der mit einem Beutel keltischer Münzen um 100 v. Chr. nördlich des heutigen Würzburg unterwegs war, ihn dem Boden anvertraute und nicht mehr in der Lage war, zu heben? Auf einem Feld in der Nähe des Ortes Oberpleichfeld gelangte eine große Menge an Münzen aus dem heutigen Frankreich zufällig ans Tageslicht. Diesen und weiteren Fragen gehen ein Restaurator und ein Numismatiker in der Archäologischen Staatssammlung in München mit modernen Forschungsmethoden auf den Grund.


Blockbergung keltischer Schätze

Ein ehrenamtlicher Mitarbeiter des Landesamts für Denkmalpflege fand in den Jahren 2016/17 bei der Begehung eines frisch gepflügten Ackers immer wieder vereinzelte keltische Münzen an der Oberfläche. Nachdem der Finder das Landesamt für Denkmalpflege über seine Funde in Kenntnis gesetzt hatte, erfolgte durch Archäologen eine Prospektion auf dem Feld. Diese erste Untersuchung zeigte bereits, dass an einer Stelle Münzen sogar gehäuft zutage kamen. Deswegen entschied man sich, rund um den Bereich der Konzentration die Erde abzutragen, damit eine Bergung im Block erfolgen konnte. Blockbergungen haben den entscheidenden Vorteil, dass die zu erwartenden Funde anschließend ohne Zeitdruck unter Laborbedingungen in einem Restaurierungsatelier viel genauer untersucht werden können als im Zuge einer Ausgrabung vor Ort. Seit 2019 befindet sich der Erdblock mit den bereits oberflächlich sichtbaren Münzen in der Archäologischen Staatssammlung München. In einem ersten Schritt erfolgte eine Röntgenuntersuchung. Das erzeugte Bild lieferte bereits einen deutlichen Hinweis, dass nicht nur an der Oberfläche, sondern auch im Inneren des Erdblocks mehrere Dutzend Münzen verteilt lagen, ohne dass man schon die genaue Zahl hätte ermitteln können. Das Entschlüsseln des Inhalts des Inneren begann schließlich im Sommer 2022. Dr. Bernward Ziegaus, Abt. Numismatik, und Dipl.-Rest. Peter Albert, Spezialist für Blockbergungen, das Freilegen von archäologischem Fundgut und Bilddatenauswertung, untersuchen seitdem diesen Fund gemeinsam.


Was sind die Vorteile einer CT-Untersuchung?

Als der Block in die Archäologische Staatssammlung gelangte, standen Ziegaus und Albert vor der Entscheidung, wie das weitere Vorgehen aussehen sollte. Es kamen zwei Möglichkeiten in Betracht: Ein systematischer Abtrag der einzelnen Erdschichten, um die Anzahl der Münzen zu ermitteln und zu bestimmen, um sie anschließend zeitnah in der Dauerausstellung des Museums zeigen zu können; oder den Block zunächst mittels Computertomografie (CT) einer Inhaltsanalyse zu unterziehen, um möglichst viele Zusatzinformationen zu erhalten, die beim Auflösen des Blocks zwangsläufig für immer verloren gehen. Genauso wie in einer radiologischen Praxis ist es mithilfe dieses bildgebenden Verfahrens möglich, viele Schichtaufnahmen zu erzeugen und den Inhalt des gesamten Blocks in einem 3D-Rendering darzustellen. Im vorliegenden Fall interessierte natürlich besonders die Zahl der zu erwartenden Münzen und deren Lage zueinander.
Das Fraunhofer IIS – Entwicklungszentrum Röntgentechnik EZRT bietet als Dienstleister CT-Untersuchungen hauptsächlich für die Industrie an, ist jedoch auch an ungewöhnlichen Fragestellungen, wie z. B. der Untersuchung an archäologischem Fundgut, interessiert, weshalb es die Erforschung ungewöhnlicher Fundkomplexe unterstützt (Abb. 2). Abgesehen von der Frage nach der Anzahl der Münzen im Block sollte auch geklärt werden, ob es sich immer um die gleichen Münzen aus unterschiedlichen Metallen und Größen handelt. Die CT-Untersuchung ermöglichte es, dass wir heute mit großer Sicherheit von einer Gesamtzahl von 137 keltischen Münzen im Block ausgehen dürfen, ohne dass schon eine einzige Münze aus dem Inneren freigelegt wurde. Die Gesamtzahl aller Münzen vom Fundort liegt bei über 260 Exemplaren.

CT-Anlage im Fraunhofer IIS Fürth mit platziertem Erdblock. Foto: Ziegaus, Archäologische Staatssammlung

Nicht geprägt, sondern gegossen!

Das aus den Schichtaufnahmen gerenderte 3D-Modell zeigt, dass es sich fast ausnahmslos um den gleichen Münztyp handelt, der in der numismatischen Literatur dem keltischen Stamm der Sequaner zugerechnet wird (Abb. 4). Die Münzen wurden ab der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. hergestellt. Das Zirkulationsgebiet der Münzen erstreckte sich vom Elsass und dem Schweizer Mittelland bis in das östliche Oberrheingebiet. Auch in den keltischen Oppida von Manching bei Ingolstadt und Stradonice südwestlich von Prag sind Sequaner-Münzen immer wieder nachgewiesen, ein wichtiger Hinweis auf überregionale Stammeskontakte in spätkeltischer Zeit. Im Gegensatz zu den Gold- und Silbermünzen wurden die Buntmetallmünzen jedoch in Formen gegossen und nicht geprägt. Welche Bilder befinden sich nun auf den Münzen? Die Vorderseite zeigt immer einen stilisierten Menschenkopf mit Knubbelnase. Das Auge ist nur durch eine kleine runde Mulde angedeutet, der Mund durch eine Kugel und um den Kopf sind zwei Stirnbänder angelegt (Abb. 4). Die Rückseite zeigt ein gehörntes Tier, das eventuell einen Stier darstellt. Die Münzen wurden in Serie und großen Stückzahlen hergestellt. Sie fungierten neben den Gold- und Silbermünzen als Klein- und Wechselgeld. Neben einem optischen Vergleich und der Suche nach gussgleichen Stücken, die unter Umständen aus der gleichen Form stammen, bietet die große Zahl an gleichartigen Münzen aus Oberpleichfeld eine hervorragende Ausgangsbasis, sie auf ihre metallurgische Zusammensetzung mittels Röntgenfluoreszenzanalyse und Emissionsspektralanalyse zu untersuchen.

Ausgewählte Münzen in gereinigtem Zustand. © S. Friedrich, Archäologische Staatssammlung

Wie kamen die Münzen auf das Feld?

Die Frage, wie die Münzen transportiert wurden, stellt die Forschenden noch vor ein Rätsel. Im CT-Bild zeichnete sich kein Keramikgefäß ab, weshalb Letzteres als Transportmittel auszuschließen ist. Vermutlich befanden sich die Münzen ursprünglich in einem Stoff- oder Lederbeutel, der nicht erhalten blieb. Wie kommt es nun, dass man an einem Ort – gut 400 Kilometer entfernt vom Hauptumlaufgebiet dieser Münzen – ein solches Konvolut auf freiem Feld antrifft? Fest steht, dass es sich um einen sehr homogen zusammengesetzten Münzfund handelt, da eine Vermischung mit Münzen aus Süd- und Nordbayern unterblieb und auch Prägungen aus Gold oder Silber fehlen, die auf die Geldbörse eines Händlers hinweisen könnten. Wer der Besitzer war, bleibt unklar, ein Metallhändler, der mit über einem Kilo Bronzemünzen das kostbare Metall zum Verkauf anbieten wollte, ein Söldner, der sich in Gallien mit einer größeren Menge an Münzen hatte bezahlen lassen, oder gar ein Dieb, der sich des Münzbeutels eines Fremden bemächtigt hatte? Vielleicht können die noch ausstehenden Untersuchungen zur metallurgischen Zusammensetzung der Münzen aber auch noch eine genauere Auskunft geben, wo sie entstanden und wozu sie verwendet werden sollten. Könnte es sich vielleicht um wertvolles „Altmetall“ gehandelt haben, das zum Einschmelzen benutzt werden sollte, um daraus andere begehrte Gegenstände, z. B. Bronzeanhänger, Fibeln, Zierbeschläge oder Bronzeringe herzustellen?

Bergen des Erdblocks auf der Ausgrabung. © R. Obst, BLfD Seehof

Erfolgversprechende Zusammenarbeit

Im Jahr 2025 wird der Block, wenn die CT-Bilder vollständig ausgewertet sind, aufgelöst. Zuvor ist jedoch geplant, ihn in der Sonderausstellung „Kelten in Franken“ im Knauf-Museum in Iphofen in der Zeit von Juli bis November 2025 der Öffentlichkeit zu präsentieren. Die anschließende Auflösung des Blocks wäre dann ein Fall für das Restauratorenteam in der Archäologischen Staatssammlung. Hier kommt nun der Restaurator Peter Albert wieder ins Spiel, der den Block auflösen wird. Die Computertomografie ist hier von großem Vorteil, weil man bereits im Vorfeld weiß, wo eine Münze zu erwarten ist. Anschließend werden die Münzen von den zu erwartenden Korrosionsauflagen befreit, um zu sehen, ob bei dieser Gelegenheit noch Detailinformationen zu organischen Auflagerungen zu gewinnen sind. Man darf also gespannt sein, was die beiden Experten an der Archäologischen Staatssammlung noch über diesen Fund herausfinden werden.

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