05.02.2025

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Rachel Ruysch: Meisterin der Blumenmalerei

Trotz männlich dominierter Kunstszene gelang Rachel Ruysch eine beispiellose Karriere – als erste Frau im Künstlerverein „Pictura“, als Hofmalerin in Düsseldorf und als gefragte Künstlerin, deren Werke bereits zu Lebzeiten begehrte Sammlerstücke waren. © The Metropolitan Museum of Art, Purchase, Adele Veronica Satkus Bequest, Walter and Leonore Annenberg Acquisitions Endowment Fund, Lila Acheson Wallace, Women and the Critical Eye, Charles and Jessie Price, and Henry and Lucy Moses Fund Inc. Gifts, Victor Wilbour Memorial Fund, Hester Diamond Gift, and funds from various donors, 2023.

Rachel Ruysch war nicht nur eine außergewöhnlich talentierte Malerin, sondern auch eine Pionierin in der männerdominierten Kunstwelt des 17. Jahrhunderts. Als international gefeierte Blumenmalerin bewies sie, wie sich künstlerische Brillanz und persönlicher Erfolg vereinen lassen. Rachel Ruysch war auf vielen Gebieten ungewöhlich. Nicht nur ihr überragendes künstlerisches Können machen sie zu einer Ikone. Darüberhinaus ist es beeindruckend, dass es ihr gelang, sich in der männlich dominierten Kunstszene zu positionieren. Die berühmteste Malerin des niederländischen „Golden Age“ wurde 1701 das erste weibliche Mitglied von “Pictura”, einem Künstlerverein, der zum Ziel hatte, Maler in Den Haag zu schützen und die Beziehungen zwischen ihren Mitgliedern zu stärken. In dieser Zeit machten die prachtvollen, üppigen Gemälde von Blumen, Früchten, Schmetterlingen und Käfern die Malerin international bekannt. Später war sie auch Hofmalerin in Düsseldorf. Obwohl sie 10 Kinder hatte, schritt ihre Karriere stetig fort.  Ein Lotteriegewinn im Jahr 1723 sicherte  der erfolgreichen Künstlerin zusätzlichen Wohlstand.
Mit anderen Worten: Rachel Ruysch war eine der erfolgreichsten Künstlerinnen der Geschichte. So konnte sie es sich leisten, wenige Gemälde im Jahr anzufertigen, denn ihre Werke waren bald stark nachgefragte kostbare Sammlerstücke. Die üppigen Farben der Blumen, die exotischen Früchte und die lebensechten Käfer und Schmetterlinbge begeisterten das Kunstpublikum bereits zu Ruyschs Lebzeiten. Auf den Bildern finden sich Granatäpfel, Melonen und Feigen in leuchtenden Farben, außerdem eine blaue Eidechse oder ein besonders bunter Schmetterling. Die Kunstwerke jener Zeit dienten nicht nur der Dekoration, sondern auch der Selbstdarstellung der Auftraggeber, die ihren Wohlstand durch den Handel mit exotischen Gütern und die Verbindung zu den Kolonien zur Schau stellten.


Blühender Erfolg

Trotz der Prominenz der Künstlerin – ihre Werke finden sich in den bedeutendsten Kunstsammlungen  – ist ihr Werk kaum erforscht. Die Alte Pinakothek zeigt mit „Rachel Ruysch – Nature into Art“ ab dem 26. November 2024 die weltweit erste Retrospektive. Die Schau ist eine Kooperation mit dem  Toledo Museum of Art (Ohio) und Museum of Fine Arts (Boston ). Zunächst erfahren die Besucher*innen, dass Rachel bereits als Kind bemerkenswertes künstlerisches Talent zeigte. Sie begann ihre professionelle Ausbildung beim damals bekanntesten Stilllebenmaler in Amsterdam, Van Aelst. Dessen Blumen sind oft in reflektierenden Glas- oder Metallgefässen angeordnet, und die Komposition folgt einer dynamischen Anordnung der Objekte – Blumen, Insekten und Blätter. Die junge Rachel Ruysch ließ sich davon  inspirieren, entwickelte aber bald Weiterführungen. Seitens der Kunstkritiker wurde ihr das große Lob zuteil, ihren Lehrmeister und ihre Kolleg*innen bei weitem zu übertreffen.
Auch andere berühmte Stillebenmaler*innen nahm sie sich zum Vorbild. In ihren frühen Werken finden sich Waldbodenstilleben, eine Variante, die von Jan Davidsz. de Heem. und Otto Marseus van Schrieck Inspiriert war. Sie kopierte einzelne Elemente stets mit dem Anspruch, Komposition, Farbigkeit und Lichtführung ihrem eigenen Stil gemäß anzupassen und zu verbessern.

Als eine der erfolgreichsten Künstlerinnen des 17. Jahrhunderts revolutionierte Rachel Ruysch die Stilllebenmalerei mit üppigen Blumenarrangements, exotischen Früchten und lebensechten Insekten, die Kunst und Wissenschaft vereinten. © Johnny Van Haeften Ltd., London / Bridgeman Images

Der Weg zur Meisterin der Blumenmalerei

Rachel Ruysch wurde am 3. Juni 1664 in Den Haag geboren. In den Jahrzehnten zuvor war die wirtschaftliche Prosperität der Niederlande durch den Handel mit Gütern aus den Kolonien angekurbelt worden. So entstand ein zahlungskräftiges Publikum, das seinen Wohlstand gern mit hochwertigen Gemälden zur Schau stellte. Maler wie Johannes Vermeer, Rembrandt van Rijin und Frans Hals markierten den außergewöhlichen Rang  der künstlerischen Großmacht Niederlande. Doch gegen Ende des 17. Jahrhunderts folgte eine Zeit ökonomischer Stagnation aufgrund von Kriegen. Hierdurch sank die Kaufkraft und darauffolgend das Kunstinteresse. Dennoch konnte sich Rachel Ruysch gerade in dieser Zeit einen Namen in der Kunstwelt schaffen.
Die Tochter von Botanik- und Anatomieprofessor Frederik Ruysch und Maria Post, in deren Familie Maler und Architekten waren, erfuhr eine fundierte Ausbildung und Förderung. Es liegt nahe, dass die naturwissenschaftliche Sammlung ihres Vaters bereits sehr früh zu einer wesentlichen Inspirationsquelle für Rachel Ruyschs künstlerische Arbeit wurde. Er hatte eine spezielle Art der Konservierung erfunden, die die Objekte besonders “lebensnah” erhielten. Er konservierte seine Präparate in Alkohol und schwarzem Pfeffer, nachdem er Talg, Wachs und Zinnober in das Gefäßsystem  injiziert hatte. Die Tochter konnte ihm dabei helfen und hatte dadurch einen direkten Bezug zu den Objekten. In der Ausstellung finden sich auch Beispiele solcher Präparate.
Von Kindheit an war sie in einem künstlerisch intellektuellen Milieu eingebettet, und mit 15 Jahren begann sie eine küstlerische Ausbildung beim bereits erwähnten Willem Van Aelst. Auch Anna, die jüngere Schwester, lernte dort malen. Die Bilder der Schwestern ähneln einander in der Motivwahl und Kunstfertigkeit, doch unterscheiden sie sich in der Farbtemperatur. Die ungefähr 20 erhaltenen Gemälde von Anna sind in kühleren Farben gehalten, und auch die Dynamik der Stengel und Blütenkelche hat andere Nuancierungen. Rachel setzte ihre künstlerische Tätigkeit ständig fort und hörte nie auf zu lernen, von ihrer Schwester hingegen sind nach deren Hochzeit und der Übernahme des Farbengeschäfts ihres Mannes keine weiteren Kunstwerke bekannt.


Blumen, Farben und Perspektiven

Die Ausstellung beleuchtet nicht nur Biografie, Werk und Umfeld der Künstlerin, sondern widmet sich auch den Zusammenhängen von Kunst und Wissenschaft in dieser Zeit. Darüberhinaus kontextualisiert die Schau die Beziehungen Rachel Ruyschs zu anderen namhaften Stilllebenmaler*innen und setzt sie in Dialog mit ihren Lehrer*innen und Kolleg*innen: So finden sich auch Gemälde von Willem van Aelst, Jan Davidsz. de Heem, Otto Marseus van Schrieck und Abraham Mignon sowie Maria van Oosterwijck, Alida Withoos und ihrer Schwester Anna Ruysch.
Die gezeigten Werke stammten aus internationalen öffentlichen und privaten Sammlungen, auch einige Neuentdeckungen sind zu sehen. Mit Porträts von Rachel Ruysch, ihrer Familie und ihrem Vater sowie Bücher, Druckgrafiken, Zeichnungen und naturwissenschaftlichen Exponate wird ein reich ausgestatter Rahmen geschaffen. Zudem stellen interdisziplinäre Kooperationen aus den Bereichen der Botanik, Zoologie und Wissenschaftsgeschichte das Werk in Bezug zu den wissenschaftlichen Entdeckungen und Debatten ihrer Zeit. Hier zeigt sich, dass auch in der Erforschung der Natur Frauen eine wichtige Rolle spielten.

Die Künstlerin begeistertet sich auch für die Natur und schuf naturgetreue Darstellungen von verschieden Tieren. © Département des Hauts-deSeine, musée du Grand Siècle © Suzanne Nagy

Kolonialer Reichtum

Einen Verweis auf die Herkunft des niederländischen Wohlstands aus den Kolonien gibt es in der Ausstellung nicht – der wäre aber wichtig für den Kontext. Das niederländische Goldene Zeitalter war geprägt von Wissenschaft, Kartografie und Handelswissen. Informationen über Handelsrouten, Sklavenmärkte und koloniale Ausbeutung waren in Handels- und Wissenschaftszirkeln präsent. Man kann davon ausgehen, dass die niederländischen Bürger*innen und auch die Künstler*innen des 17. Jahrhunderts Bescheid wußten über Kolonialismus und Sklavenhandel, und dass Reichtum aus den Kolonien als selbstverständlicher Teil des niederländischen Wohlstands und der nationalen Identität betrachtet wurde. Zu dieser Zeit gab es in der Gesellschaft noch keine breite öffentliche oder künstlerische Debatte über die moralischen und sozialen Implikationen von Sklaverei und Kolonialismus. Inzwischen ist das anders. Das Amsterdamer Rijksmuseum hat eine Route namens „Colonialism in the Museum“, die Kunstwerke mit Verbindungen zur kolonialen Geschichte der Niederlande zeigt.
Eine kritische Einordnung des Werks in den Kontext des Kolonialismus eröffnet eine zusätzliche Perspektive, die über die präsentierte Ausstellung hinausgeht. Während die Ausstellung primär die hohe Kunstfertigkeit und die überzeugende Ästhetik von Rachel Ruyschs Oeuvre beleuchtet, lässt sich das Werk der Künstlerin auch als Ausgangspunkt für eine weiterführende Diskussion über die Verflechtungen von Kunst und globaler Geschichte lesen.

 

Die opulenten Blumenstillleben von Rachel Ruysch waren nicht nur kunstvolle Meisterwerke, sondern auch Ausdruck des niederländischen Wohlstands, der eng mit dem Handel exotischer Güter und kolonialen Strukturen verknüpft war. © Private Collection

Inspiriert von Ruysch: Interaktive Entdeckungen

Die Alte Pinakothek bietet ein vielseitiges Begleitprogramm von Konzerten bis zu “Kunst, Wein und Musette”, außerdem Talks und Workshops wie  “Blumen arrangieren” oder “Vom Stillleben zur Container Bemalung”. Eine besondere künstlerische Installation ist noch bis Freitag, den 29.11.2024, im Foyer zu erleben: Der niederländische Florist Florian Seyd von The Wunderkammer hat für die Ruysch-Ausstellung einen Blumentunnel gestaltet, der die Schönheit und Wirkung von Blumen auf einzigartige Weise erlebbar macht.

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