Der Schweizer Künstler Not Vital kaufte Schloss Tarasp und macht es der Öffentlichkeit zugänglich. Foto: Hans von Segeln

Der Schweizer Künstler Not Vital kaufte Schloss Tarasp und macht es der Öffentlichkeit zugänglich. Foto: Hans von Segeln

Der Schweizer Bildhauer und Maler Not Vital hat das spektakulär gelegene Schloss Tarasp gekauft und macht es der Öffentlichkeit zugänglich. Der Künstler hat die Geschichte des Ortes (sie reicht bis in die Zeit um 1040 zurück) mit seiner eigenen verwebt – das alles erzählt der inhaltlich sehr starke Audioguide, den Kuratorin Giorgia von Albertini mit dem Berliner Unternehmen tonwelt entwickelt hat. Da die historische Bausubstanz unter Denkmalschutz steht, waren nur minimale Eingriffe erlaubt. Alle Veränderungen im Schloss sind daher reversibel

Der Schweizer Künstler Not Vital kaufte Schloss Tarasp und macht es der Öffentlichkeit zugänglich. Foto: Hans von Seggern
Die Kassettendecke (16. Jahrhundert) stammt aus dem Herrensitz Enticlar (Kurtatsch / Südtirol). Foto: Fundaziun Not Vital / Gregory Powell
Der Schweizer Künstler Not Vital kaufte Schloss Tarasp und macht es der Öffentlichkeit zugänglich. Foto: Hans von Segeln
Die kunstvolle Jehmlich-Orgel aus Dresden ließ Vorbesitzer Karl August Lingner 1916 im ehemaligen Waffensaal einbauen. 1992/1993 wurde sie restauriert. Foto: Foto: Fundaziun Not Vital / Gregory Powell

Schloss Tarasp ist ein Gesamtkunstwerk

Das Engadin erstreckt sich im Osten des Kantons Graubünden. Das von mächtigen Bergen umrahmte Hochtal des Inn strebt hier der Schweizer Grenze zum benachbarten Österreich entgegen. Und dort, im Unterengadin, im Südwesten der Gemeinde Scuol thront stolz Schloss Tarasp auf einem fast 100 Meter hohen Felshügel. Seine Geschichte reicht bis in die Zeit um 1040, als Graf Ulrich I. von Tarasp die Burg errichten ließ. 1464 kam Tarasp in habsburgischen Besitz und blieb – im Unterschied zum übrigen Unterengadin – bis 1803 eine österreichische Exklave in der Schweiz. Nach Auszug der letzten Bewohner verfiel es. Der Kanton Graubünden verkaufte die heruntergekommene Anlage an verschiedene Eigentümer. Im Jahr 1900 erwarb der Dresdener Industrielle Karl August Lingner („Odol“) schließlich die Festung und ließ sie im damals beliebten Stil des Historismus umbauen.

Auf dem Schlosshügel wurde ein Park angelegt, und in der Waffenkammer wurde eine Dresdener Jehmlich-Orgel eingebaut – heute die größte in europäischem Privatsitz. Nach Lingners Tod 1916 fiel das Schloss an das Haus Hessen. Der international renommierte Schweizer Bildhauer und Maler Not Vital, 1948 im höher gelegenen Dorf Sent geboren, erwarb die Schlossanlage. Beim Kauf gab es allerdings die Auflage, dass es öffentlich zugänglich ist. Heute wird das Schloss rege besucht. Denn es ist ein Gesamtkunstwerk, bei dem Not Vital die Geschichte des Ortes mit seiner eigenen verwebt – das alles erzählt der inhaltlich sehr starke Audioguide, den die Kuratorin Giorgia von Albertini in enger Zusammenarbeit mit dem Berliner Unternehmen tonwelt entwickelt hat.

Not Vital spricht einige Male selbst

Die Firma ist in der Branche schon längst etabliert und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Produktion von audiovisuellen Inhalten. Unter anderem hat tonwelt damit die großen Museen der Welt wie das Kunsthaus Zürich und den Pariser Louvre beliefert, bietet aber auch ganzheitliche Lösungen für Besucherführungen über eigene Audio- und Multimedia-Guides, Apps – alles zusammen im Multiplattform-Ansatz. Bei der Erstellung des Audioguides für Schloss Tarasp beriet tonwelt-Manager Hans von Seggern stark inhaltlich. Denn gerade tonwelt versteht sich als inhaltlicher Sparringspartner und unterstützt in der Phase der Konzeption, Texterstellung und Redaktion. „Die Führung dauert ungefähr 75 Minuten“, weiss Hans von Seggern. „Wir tippen sehr viele Themen an, was für die Besucher einen großen Mehrwert hat, aber wir überfordern sie nicht mit Erklärungen. Uns war wichtig, verschiedene Stimmen zu Wort kommen zu lassen. Einige Male spricht der Künstler selbst.“

Mit rätoromanischen Sequenzen

Zwischen Schloss und Winterwehrgang hat Not Vital einen sogenannten Calming Room installiert. Der schummrige Gang auf Schloss Tarasp wird nur durch natürliches Licht beleuchtet, das hier durch die Astlöcher hineinkommt. Eine spannende künstlerische Intervention. Zu Beginn der Schlossführung ist an diesem Ort die Stimme von Not Vital zu hören, der auf Rätoromanisch spricht und dann gevoiceovert wird, verrät Hans von Seggern. „Rätoromanisch, auf dem Gebiet der alten römischen Provinzen Rätien entstanden, ist eine selbständige romanische Sprache, die heute noch vor allem im Schweizer Kanton Graubünden von rund 60.000 Menschen gesprochen wird und sich viele archaische Elemente bewahrt hat. Die rätoromanischen Sequenzen in unserer deutschsprachigen Version tragen zur Authentizität bei. Wir fanden es wichtig, dass auch die deutschsprachigen Besucher diesen besonderen Dialekt hören können.“

Alle Veränderungen im Schloss sind reversibel

Ein weiteres Highlight im Schloss ist im Musiksaal die Kassettendecke im flandrischen Stil, eine Kopie aus Stuck. tonwelt-Berater Hans von Seggern, selbst promovierter Kulturwissenschaftler, fiel bei seinem Besuch in Tarasp auf, dass sich das Original dazu, eine Arbeit des Antwerpener Meisters Corneliss Floris, im Audienzsaal des Schlosses Jever in seiner Heimat Friesland befindet. Und daher ist jetzt auch ein Original-Ton der Direktorin des Schlossmuseums Jever Prof. Antje Sander zu hören: „Die Kassettendecke datiert aus der Zeit zwischen 1560/1564. Umrahmt von angedeuteten geometrischen Leisten und Bändern, verwoben mit Laubwerk und Fruchtschnüren, überziehen exotisches Getier, Fabelwesen, Grotesken und Mischwesen, halb Mensch halb Tier das Gebälk.“ Auch dass Not Vital gemeinsam mit seinem Bruder, dem Architekten Duri Vital, das Schloss sanft aufgefrischt hat, erfährt man weiter. Da die historische Bausubstanz unter Denkmalschutz steht, waren nur minimale Eingriffe erlaubt. Alle Veränderungen im Schloss sind daher reversibel. Den Audioguide ist kann man übrigens nur vor Ort hören und nicht online – deswegen: Schloss Tarasp 2022 auf die Agenda setzen!

Erfahren Sie mehr über das Schweizer Kulturerbe in der RESTAURO-Ausgabe 1/2022.

Lesetipp: Die Cadolzburg, eine der mächtigsten Burganlagen Bayerns, die einst den Hohenzollern gehörte, wurde 2017 eröffnet. Auf rund 1.500 Quadratmetern Ausstellungsfläche zeigt sie jetzt eine Zeitreise ins Mittelalter. Von der historischen Bausubstanz im Inneren ist allerdings nicht viel übrig geblieben. Ein beachtenswertes Projekt daher ist die Rekonstruktion einer spätmittelalterlichen Holzdecke. Erfahren Sie hier mehr.

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