20.11.2024

Branchen-News Museum

Neues Buddenbrookhaus: Lübecks Literatur-Highlight im Aufbruch

Im historischen Gewölbekeller des Buddenbrookhauses wird ein neuer museumspädagogischer Seminarraum entstehen – ein Element, das bisher ungenutzt blieb und zukünftig der Vermittlung dienen soll. © Thorsten Wulff

Ende 2019 wurde das alte Literaturhaus geschlossen – seither wartet man auf die Umsetzung der Pläne für das neue Buddenbrookhaus.

Das Buddenbrookhaus in der Lübecker Mengstraße ist eine bekannte Institution – als Stammsitz der Literatenfamilie Mann und als Literaturmuseum zieht es zahlreiche Literaturinteressierte von Nah und Fern an. Als nach und nach durch das stete Anwachsen von Bibliothek und Sammlung und die steigende Nachfrage an Führungen und Gruppenangeboten klarwurde, dass das bestehende Haus seine Kapazitätsgrenzen erreicht hat, beschloss man eine Erweiterung.

Dafür konnte das Nebengebäude erworben werden, das neuer Teil des Museums werden soll und den Anforderungen an museumspädagogische Räume und barrierefreien Zugang entsprechen wird. Der moderne Neubau wird die historischen Fassaden integrieren und die Nachbarhäuser zusammenzuführen. Zudem ist vorgesehen, den bisher ungenutzten großen Gewölbekeller des Nachbargebäudes, der Mengstraße 6, als neuen museumspädagogischen Seminarraum einzurichten.

Zwar geht das Gebäude Buddenbrookhaus in der malerischen Altstadt Lübecks auf das Jahr 1289 zurück, doch präsentiert es sich nach zahlreichen Besitzerwechseln mit einer weißen Barockfassade. Es steht gegenüber der mittelalterlichen, in Backsteingotik errichteten Marienkirche. Die verschiedenen Besitzer waren Fernhändler, Ratsherren oder Bürgermeister, und das Haus wurde mehrmals umgestaltet. Standort und Thematik erfordern nun für den Umbau hohe Sensibilität in Bezug auf Stadtstruktur und Geschichte.

Die neue Gestaltung des Buddenbrookhauses verbindet historische Fassaden und moderne Architektur: Eine skulpturale Fassade aus Ziegelsteinen erinnert an ein Bücherregal und setzt ein visuelles Highlight in Lübecks Altstadt. © TMH Architekten
© TMH Architekten
© Facts and Fiction
© Facts and Fiction
© TMH Architekten
© Hansestadt Lübeck

Stadtbild bewahren, Neues schaffen

Mit Planung und Ausführung wurde das Lübecker Architekturbüro TMH Architekten beauftragt, die aus einem internationalen Planungswettbewerb als Sieger hervorgegangen waren. Die Architekten haben in Kooperation mit Jörn Simonsen und HHL Architekten einen Bau entworfen, dessen Kubatur sich an den klassischen Lübecker Kaufmannshäusern orientiert. Die ursprüngliche Fassade des Buddenbrookhauses bleibt ebenso erhalten wie des Nachbargebäudes, Mengstraße 6. Obwohl die beiden Häuser inhaltlich und baulich vereint werden, bleibt optisch die alte städtische Struktur beider Häuser erhalten. Dazu gehören auch die Ziegeldächer.

Außerdem möchten die Architekten  mit der individuell gestalteten Rückfassade aus Ziegelsteinen die Assoziation zu einem Bücherregal andeuten und zugleich an die ursprüngliche Gebäudestruktur erinnern. Der Neubau wird einen markanten und fast skulpturalen Baukörper mit geschlossener Fassade bilden, kann man der Beschreibung entnehmen.

Nachdem Ende 2019 das alte Literaturhauses geschlossen worden war, begann der Umbau, unterstützt von Fördergeldern. Zunächst führte man archäologische Untersuchungen im historischen Gewölbekeller durch. Doch die Fortführung wurde vereitelt. Man mußte die Umbauarbeiten stoppen, als eine Bürgerinitiative unter Berufung auf den Denkmalschutz dagegen opponierte. Der springende Punkt war, dass erwähntes mittelalterliches Gewölbe im Keller zu geringen Teilen hätte abgetragen werden müssen, um den Einbau einer vorgeschriebenen Fluchttreppe zu ermöglichen. Daraufhin geriet die vom Land zugesagte Förderzusage über 19 Millionen Euro ins Wanken.

Wie ist die Situation jetzt? Nach dem Baustopp und zahlreichen Verhandlungen in Bürgerschaftssitzungen erreichte man Konsens darüber, die umstrittene Treppe nun als Außentreppe realisieren zu lassen, um das mittelalterliche Gewölbe zu erhalten. Die weiteren Kosten für die Umplanung, die mit den Streitigkeiten entstanden sind, werden von der Hansestadt Lübeck übernommen und die Förderung des Landes  bleibt bestehen.


Zeitlosen Charme bewahren

Ein erster Bezug zum „Jahrhundertoman“ von Thomas Mann entstand mit der Eröffnung der Buddenbrook-Buchhandlung in den 1920er Jahren. Das Haus hatte da bereits eine bewegte Geschichte hinter sich. Seit dem 18. Jahrhundert im Besitz der Familie Mann, diente es als Wohnhaus und zeitweilig als Firmensitz. Die Großeltern Thomas und Heinrich Manns lebten hier, und das Ambiente war Modell für das literarische Setting der “Buddenbrooks”. Die Großmutter, Konsulin Elisabeth Mann, bewohnte das Haus bis 1890.

Dann wechselte das Haus wieder Besitzer, wurde teils abgerissen und umgebaut. Die Nationalsozialisten nahmen1933 eine Umbenennung vor, um den Hinweis auf den politisch unerwünschten Schriftsteller abzuschaffen. Das Haus wurde als „Wullenweberhaus“ bezeichnet – nach einem früheren Bürgermeister der Stadt. Bei einem Luftangriff 1942 blieben nur die Fassade, der Gewölbekeller und Teile der mittelalterlichen Brandwand stehen. Diese wurde 1957/58 originalgetreu restauriert.

Mit der Errichtung des „Thomas-Mann-Zimmers” im Zwischengeschoss des Hauses setzte man 1975 einen weiteren historischen Punkt im Bestreben, das Haus als geschichtsträchtigen Ort zu etablieren. Diese Idee setzte man weiter fort, als im Jahr 1991 die Hansestadt Lübeck, unterstützt von Bundes- und Landesregierung sowie der Lübecker Bürgerschaft, das Haus mit dem Beschluß erwarb, hier ein Heinrich-und-Thomas-Mann-Zentrum einzurichten. Schließlich eröffnete das “Buddenbrookhaus” als Literaturmuseum 1993 feierlich seine Tore, im gleichen Jahr, als man das 850. Stadtjubiläum der Hansestadt Lübeck feierte.

Das Haus, einst Wohnsitz der Familie Mann, prägte Thomas Manns berühmten Roman Buddenbrooks und steht als Symbol für das literarische Erbe der Brüder Heinrich und Thomas Mann. © Thomas Mann-Archiv, Zürich
© Fotoarchiv Hansestadt Lübeck

Stillstand im Bau, Verlust im Tourismus

Nach Einigung auf den Kompromiss in der Planung wartet man nun auf die Fortsetzung der Umbauarbeiten. Der neue Eröffnungstermin ist für 2031 anvisiert. Man fragt sich, ob sich die Bürger*innen in Lübeck der Größe und Bedeutsamkeit dieses kulturellen Anziehungspunktes überhaupt bewußt sind. Das Haus gilt als magnetischer Touristenanziehungspunkt in Norddeutschland. Im Jahr vor der vor Schließung kamen über 51.000 Besucher*innen jährlich ins Buddenbrookhaus.

Überregional wird das Hin und Her in Sachen Buddenbrookhaus mit einem leichten Kopfschütteln betrachtet. Auch Spekulationen, welche anderen Gründe und Einflußnahmen im Hintergrund wirken, finden sich zahlreich. Denn dass die Einbuße von sieben Quadratmetern eines denkmalgeschützten Kellergewölbes – dem bis dahin keinerlei Beachtung zukam – als so wichtig gilt, dass man das Haus über zehn Jahre zusperrt, scheint unporportional: Es ging um 26 von insgesamt 450 Quadratmetern Kellerfläche. Dafür nimmt man in Kauf, dass das Museum insgesamt über 10 Jahre verliert.

Momentan gehen Literaturreisende frustriert wieder weg, wenn sie sehen, dass das Haus gesperrt ist. An anderen Orten der Stadt wird zwar der Betrieb des Museums mit Ausstellungen aufrechterhalten, etwa im mittelalterlichen St. Annen Museum, wo die “Zauberberg”-Ausstellung residiert. Doch der Hauptanziehungspunkt fehlt. Als weitere bittere Folge hat bereits ein Geschäft in unmittelbarer Nähe, das vom Besucheranstrom profitiert hatte, schließen müssen. Insgesamt erweist sich die Gesamtsituation als schwierig zu vermitteln, und es ist nicht klar, warum es so schleppend weitergeht. Dennoch verspricht das neue Buddenbrookhaus, trotz der Verzögerungen, ein visueller und kultureller Anziehungspunkt zu werden, der das literarische Erbe der Stadt Lübeck lebendig erhält.

Übrigens: Zwanzig Jahre nach dem verheerenden Brand in der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar verzeichnet die Klassik-Stiftung Weimar bedeutende Fortschritte bei der Restaurierung der durch das Feuer beschädigten Bücher und Schriften.

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