Wie KI-gestützte Anwendungen heute die Kulturvermittlung verändern, zeigt zum Beispiel CHIM – der Chatbot im Museum. Getestet und evaluiert wurde er unter anderem im Städel Museum in Frankfurt.

Erweiterte Möglichkeiten
Raus aus der kommunikativen Einbahnstraße klassischer Informationsvermittlung im Kulturbetrieb möchten etwa die Verantwortlichen um das einzigartige Projekt zur Entwicklung eines Museums-Chatbots, der kürzlich im Städel Museum in Frankfurt am Main getestet wurde. Dieses Vorhaben nutzt die aufkommende künstliche Intelligenz (KI) als Hebel für eine innovative Form der Kunstvermittlung. CHIM – der Chatbot im Museum – ist das Ergebnis einer Kooperation zwischen der Linon Medien AG und dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und wird derzeit im Städel Muse- um getestet und evaluiert. CHIM repräsentiert ein ehrgeiziges Projekt, das die aktuellen Möglichkeiten aufzeigt, die sich durch den Fortschritt der künstlichen Intelligenz und den Einsatz von KI-gestützten Chatbots eröffnen. In den letzten Jahren haben Technologien wie Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) zunehmend den Weg für interaktive Dialoge in Kulturinstitutionen geebnet. Diese Technologien bieten diverse Ansätze, um Kunstwerke im digitalen Raum zugänglicher zu gestalten. Sie ermöglichen die Anreicherung mit Informationen, die Anpassung der Inszenierung an die Gewohnheiten der Nutzer und die Schaffung einer multisensorischen Erfahrung. Die jüngste Verfügbarkeit von ChatGPT, Google Bard und anderen KI-basierten Dialoganwendungen erweitert nun die Möglichkeiten, bringt aber auch Unsicherheiten mit sich.
Die Entstehung eines neuen Museumserlebnisses: Der CHIM Chatbot im Städel Museum
Seit 2019 arbeiten Linon Medien und das DFKI an der Entwicklung eines lernenden Dialogsystems zur Wissensvermittlung in Museen. Das Städel Museum, als Bildungspartner dieses Museumsprototyps, stellt dem Chatbot Informationen in Text- und Audioformaten zu rund 300 Objekten aus seiner Sammlung zur Verfügung. Das Hauptziel von CHIM ist es, den Besuchern individuelle und wissenschaftlich präzise Antworten auf ihre Fragen zu bieten – sei es zur Entstehungsgeschichte eines Kunstwerks oder zu spezifischen Details.
CHIM differenziert sich von herkömmlichen Sprachassistenten durch seine spezialisierte Methode der Spracherkennung und -verarbeitung (Natural Language Understanding und Natural Language Processing). Ähnlich dem kürzlich von OpenAI veröffentlichten ChatGPT-Chatbot kann CHIM natürliche Sprache verstehen und generieren. CHIM basiert dabei aber auf einer validen und sorgfältig erstellten, eigenen Datenbasis. Fachautoren haben über 700 Audiokommentare in Text- und Audioformat für ausgewählte Objekte im Städel Museum erstellt.
Kuratoren haben diese überprüft, um eine verlässliche und den Besucherbedürfnissen angepasste Informationsquelle sicherzustellen. Zur Schulung des Chatbots wurde die „Fragen an die Kunst“-App und -Website entwickelt, die Interessierten ermöglicht, gezielte Fragen zu bestimmten Kunstwerken zu stellen. Die Technologien hinter dem Chatbot nutzen verschiedene Verfahren, um die gesammelten Informationen zu verknüpfen und eine umfassende Wissensbasis für die Kunstwerke bereit-zustellen. Dadurch kann die künstliche Intelligenz individuelle Besucherfragen beantworten – sei es zur Entstehungsgeschichte eines Kunstwerks oder zu spezifischen Bildaspekten. Hierin liegt für die Verantwortlichen die Einzigartigkeit des Chatbots für die Wissensvermittlung im Museum: Konventionelle Medien der Kunstvermittlung wie Audioguide-Apps oder Beschriftungen können zwar Informationen über das Werk vermitteln, doch können sie weder das gesamte vorhandene Wissen zu einem Kunstwerk abdecken noch diese Informationen an die Erwartungen, Interessen und individuellen Betrachtungsweisen jedes einzelnen Betrachters anpassen. Die künstliche Intelligenz ermöglicht hier eine innovative, kontinuierlich individualisierte Interaktion bei der Wissensvermittlung über die Kunstwerke.
KI im Museum: von personalisierten Empfehlungen bis zur Datenanalyse
Neben der Wissensvermittlung ergeben sich bereits weitere Pilotprojekte und Anwendungsfelder für KI im Kulturbereich – etwa die gezielte Optimierung für ein ansprechenderes und auf die Zielgruppe ausgerichtetes Kulturangebot. So setzen einige Museen beispielsweise Sensoren und KI- Analysetools ein, um das Besucherverhalten zu analysieren. Durch die KI-gestützte Interpretation der erfassten Daten zu Bewegungsmustern und Aufmerksamkeitsverhalten können Museen erkennen, welche Ausstellungen und Kunstwerke besonders ansprechend sind und welche weniger Beachtung finden. Diese Erkenntnisse ermöglichen es den Institutionen, die Platzierung von Kunstwerken zu optimieren und die gesamte Ausstellungsgestaltung zu verbessern. KI kann in diesem Kontext auch genutzt werden, um auf der Grundlage von Besucherprofilen und vergangenen Interaktionen mit Kunstwerken personalisierte Empfehlungen zu geben, welche Werke oder Ausstellungen für den individuellen Besucher von Interesse sein könnten.
Jedoch beschränken sich die Einsatzmöglichkeiten von KI nicht nur auf den Bereich der Ausstellungen. Auch für die Erschließung, Katalogisierung und Verwaltung von Beständen kann KI mittels Bilderkennung und Textanalyse bei der Identifizierung von Kunstwerken helfen, Metadaten automatisch generieren sowie Informationen verarbeiten und verwalten. Künstliche Intelligenz kann sogar bei der Restaurierung eine wichtige Rolle spielen, indem sie durch hochpräzise Bildanalyse und Mustererkennung verborgene Schäden oder Veränderungen im Material aufdeckt. Zusätzlich liefert KI wertvolle Informationen zur Materialzusammensetzung und zum Farbauftrag, die Restauratoren bei der genauen Rekonstruktion und Erhaltung von Kunstwerken unterstützen können. Ein beeindruckendes Bei- spiel ist die Rekonstruktion der verlorenen Seitenteile von Rembrandts Gemälde „Die Nachtwache“. Auch kleinere Museen, die aufgrund personeller, fachlicher und finanzieller Ressourcen derzeit keine eigenen KI-Analysen durchführen können, können von vorhandenen KI-Anwendungen profitieren – sei es bei der Erstellung von Werbe- und Social-Media-Texten oder bei der Verbesserung der internen Kommunikation mittels Office-Anwendungen. Ein interessanter Anwendungsfall für ChatGPT wurde von der Landesstelle für nichtstaatliche Museen in Bayern aufgegriffen: Museen können diesen KI-basierten Chatbot nutzen, um die Effektivität ihres digitalen Marketings zu prüfen – beispielsweise die Sichtbarkeit und Auffindbarkeit von Museumsdaten.

Herausforderungen und Perspektiven: KI und die Zukunft des Museums
Die Verbindung von Kunst und KI eröffnet neue Ansätze für die Kunstvermittlung und die Museumsführung. Doch auf dem Weg dorthin sind einige Herausforderungen zu meistern. Die Möglichkeiten, Daten mithilfe von KI-gestützten Anwendungen zu verarbeiten und zu interpretieren, sind nicht ohne Kritik.
Die Qualität der Daten ist von entscheidender Bedeutung, da KI-Anwendungen stets auf den Daten basieren, mit denen sie trainiert werden. Museen wie das Städel Museum, die eigene Datensätze nutzen, müssen sicherstellen, dass diese von hoher Qualität und Verlässlichkeit sind. Zudem ist es wichtig, sicherzustellen, dass diese Daten inklusiv und frei von Vorurteilen sind. Hinsichtlich des Datenschutzes müssen Institutionen gewährleisten können, dass die erhobenen und verarbeiteten Informationen über die Besucher den datenschutzrechtlichen Bestimmungen entsprechen und ausreichend geschützt sind. Werden KI-gestützte Anwendungen wie ChatGPT genutzt, die nicht auf eigenen Daten, sondern auf öffentlichen, ungesicherten Daten des gesamten Internets beruhen, sind weitere Faktoren zu berücksichtigen – die gesammelten Daten der KI können ebenso fehlerhaft sein wie die Antworten des Chatbots, deren Antworten auf der Verknüpfung dieser Informationen nach dem Wahrscheinlichkeitsprinzip basieren.
Die Erfahrungen des Städel Museums verdeutlichen, dass die Auseinandersetzung mit den neuen Potenzialen der KI-basierten Datenanalyse lohnenswert ist und einen bedeutsamen Schritt darstellt, um die Kulturvermittlung auch zukünftig relevant zu gestalten und eine breite Teilhabe zu ermöglichen. Abhängig von den vorhandenen Ressourcen müssen Museen jedoch angemessene Wege finden, um ihre Daten datenschutzkonform zu nutzen. Für die Verwendung von KI-basierten Systemen mit öffentlichen Daten sollten solche Anwendungsfälle bevorzugt werden, die keine Datenschutz- und Urheberrechtsfragen aufwerfen, bis die rechtliche Situation in diesem Bereich klarer definiert ist.