13.02.2025

Kulturerbe

Neu erstrahlen in altem Glanz

Die Ritterstube in Schloss Augustusburg während der Restaurierungsmaßnahmen. Foto: Petra Reuter

Goldledertapeten waren im 18. Jahrhundert unter Fürstinnen und Fürsten heiß begehrt und äußerst kostbar. Nur wenige dieser barocken luxuriösen Wandbehänge sind heute noch erhalten. Umso bemerkenswerter ist, dass sich in der Welterbestätte Schlösser Augustusburg und Falkenlust in Brühl eine solche erhalten hat – und zwar in der Ritterstube von Schloss Augustusburg. RESTAURO hat die beiden Restauratorinnen Kristin Krupa und Inken Süß in ihrer Werkstatt besucht.


Vielseitige Tapeten

Das im 16. Jahrhundert aufkommende „Corduanleder“ oder die „Peau d’Espagne“, wie die Goldledertapeten auch genannt wurden, geht auf die Mauren in Cordoba, Andalusien zurück. Sie waren es, die die Technik der Goldlederherstellung nach Spanien mitbrachten, von wo aus sie sich über Europa verbreitete. Sie fand Einzug in die Fürstenpaläste des Barocks, denn gegenüber den weitverbreiteten Tapisserien hatte die Goldledertapete den Vorteil, dass sie resistenter gegen Feuchtigkeit war. Und auch Ungeziefer befiel deutlich häufiger gewebte Tapisserien als Goldledertapeten. Die Herstellung der Peau d’Espagne war kosten- und zeitintensiv sowie aufwendig, das erklärt auch, warum sich nur der Adel ein solches Luxusgut leisten konnte. Auguste Denis Fougeroux de Bondaroy beschrieb 1763 das Verfahren zur Goldledertapetenherstellung. Man verwendete die Haut von Schafen, Ziegen und Kälbern, die jung und gesund sein mussten. In groben Schritten sah die Produktion wie folgt aus: Zunächst wurde die Haut gereinigt und gegerbt, dann schnitten Arbeiter sie in Rechtecke. Im nächsten Schritt wurde Pergamentleim aufgetragen, um hauchdünne Blattsilberblättchen zu fixieren, die dann später noch poliert wurden. Es erfolgte ein weiterer Auftrag von Pergamentleim oder auch Eiklar – zumindest berichten dies verschiedene Quellen. Nachweisbar ist dieser Schritt jedoch nur bei sehr wenigen Objekten. In einem nächsten Schritt wurde das Leder mit Goldlack überzogen. Anschließend wurde das Leder punziert oder mit einem Model geprägt. Es sind sowohl Ledertapeten zu finden, die nur geprägt oder punziert wurden, es gibt aber auch Fälle, bei denen sowohl geprägt und gepunzt wurde. Im Falle der Goldledertapete in Schloss Augustusburg ist von einer Prägung zu sprechen. Als abschließende Arbeit wurden opake oder transluzide Farben aufgetragen. Nach diesen aufwendigen Verfahren waren die Goldledertapetenkarrees bereit, um sie miteinander zu vernähen oder auch zu verkleben. Sie wurden im Falle einer Verklebung überlappend verbunden, wenn sie vernäht waren, erfolgt dies, indem die Nahtkanten nach hinten geknickt wurden. Die Goldledertapeten wurden wahrscheinlich nicht dauerhaft an den Wänden angebracht. Es gab verschiede Möglichkeiten der Anbringung, so gab es an manchen Tapeten an den Oberkanten angenähte Schlaufen, an denen man die Tapeten aufhängte, sodass sie herunterhingen. Eine weitere Variante war die Anbringung mittels Nägeln an Holzleisten. Die erste Art der Anbringung war naturgemäß temporärer als die zweite. Bei beiden Formen war es jedoch möglich, die Goldledertapeten nach Jahreszeit oder Mode umzuhängen.


Die Ritterstube in Schloss Augustusburg

Der Kölner Kurfürst und Erzbischof Clemens August (1700–1761) ließ ab 1725 in Brühl eine Sommerresidenz planen. Nachdem er den Architekten Johann Conrad Schlaun durch François de Cuvilliés ersetzen ließ, begannen die umfangreichen Arbeiten im Jahr 1728. Clemens August verfügte über einen exquisiten Geschmack und scheute bei der Ausstattung seiner Schlossbauten weder Kosten noch Mühen. Er engagierte namhafte Künstler wie Carlo Carlone oder auch den Architekten Balthasar Neumann. Für die sogenannte Ritterstube des Schlosses Augustusburg wählte Clemens August eine wertvolle Goldledertapete. Der Raum wurde ab dem Jahr 1730 genutzt und diente als Zugang zum sogenannten Winterappartement. Bei der Goldledertapete, die sich heute in dem Raum befindet, ist umstritten, ob es sich um die ursprüngliche Wandbespannung des Raums handelt. Untersuchungen zeigen aber klar: Der Brühler Goldlederbehang besteht aus zwei Tapeten mit unterschiedlichen Motiven. Während alle Feldkarrees das gleiche Motiv zeigen, besteht der obere abschließende Fries aus entzwei geschnittenen Paneelen eines weiteren Motivs. Zeitlich sind die Motive aber ungefähr gleich zu datieren. Die Inventare des 18. Jahrhunderts berichten über eine Ledertapete, einen Billiardtisch und drei Supraportengemälde, die Jagd- und Waffenstillleben zeigten. Im 19. Jahrhundert wurden diese drei Gemälde über den Türen durch Darstellungen, die Kinder aus einer Wittelsbacher Nebenlinie zeigen, ausgetauscht.

Kristin Krupa und Inken Süß präsentieren Bahnen der Goldledertapete. Foto: Petra Reuter

Restaurierung der Goldledertapete

Bereits in den 1950er-Jahren erfolgte eine Bearbeitung der Goldledertapete, die jedoch nach heutigem Kenntnisstand als unsachgemäß einzustufen ist. Die Restauratorinnen Kristin Krupa und Inken Süß sind seit 2003 damit betraut, diese Maßnahmen rückgängig zu machen. Die in den 1950er-Jahren mit der Bearbeitung betrauten Handwerker hatten die Tapete mit Matratzenstoff hinterlegt, den sie auf die Rückseiten klebten. Außerdem wurden die einzelnen Karrees fest miteinander vernäht. Der Nachteil dieser Vorgehensweise ist, dass das Leder auf Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen reagiert, das war aber durch die starre Verklebung mit dem Stoff sowie den festen Nähten nicht mehr möglich. Es konnte sich nicht mehr ausdehnen oder zusammenziehen, sodass erhebliche Schäden aufgetreten sind. Zudem nahmen die Restaurieren- den der 1950er-Retuschen vor, die zum Teil aber nicht nur auf die beschädigten Stellen beschränkt waren, sondern auch auf die oft noch gut erhaltene Goldlackapplikation ausgeweitet wurden.
Die beiden Restauratorinnen arbeiten sich Wand für Wand vor und haben 2003 mit der Südwand begonnen. In einem ersten Schritt werden die Goldledertapeten von der Wand abgenommen, für den Transport werden sie in Segmente unterteilt. Als praktikabelste Lösung hat es sich dabei herausgestellt, zwei Bahnen zu bearbeiten. Sobald die Tapete in der Werkstatt ist, dokumentieren Krupa und Süß mittels Fotografie die Vorder- und Rückseite, und es erfolgt eine Kartierung der Nähte, Beschädigungen und Veränderungen. Zudem wird jedes Paneel nummeriert, dabei wird auch vermerkt, an welcher Wand sich das Stück befand. So ist gewährleistet, dass die Goldledertapete wieder in der richtigen Reihenfolge vernäht wird und an die ursprüngliche Stelle an der Wand kommt. Dann lösen die Restauratorinnen vorsichtig die Nähte, die von den Handwerkern in den 1950er-Jahren durch den Matratzenstoff gesetzt wurden. Ziel dabei ist es, die originalen Nähte so weit wie möglich zu erhalten.


Aufwendiges Verfahren

Es brauchte mehrere Versuche, bis sie das beste Verfahren zur Ablösung des Matratzenstoffs gefunden haben. Die Problematik besteht darin, dass die Vorderseite, insbesondere der Goldlack, sehr lösemittelempfindlich ist. Lediglich unpolare Lösemittel können verwendet werden, diese lösen aber das PVA im Kleber nicht an. Daher haben sich Kristin Krupa und Inken Süß dazu entschlossen, Wasser zu modifizieren und durch Andicken kontrollierbarer in der Einwirkzeit zu machen. Die Restauratorinnen entschieden sich für ein wässriges Gel auf Tylosebasis. Zudem sollte das Gel lösungsmittelfrei sein, um einer Beschädigung der Goldledertapete vorzubeugen. Das Gel bietet den Vorteil, dass kontrolliert werden kann, wie viel Feuchtigkeit in das Gefüge eingeht, denn Leder ist äußerst feuchtigkeitsempfindlich. Zusätzlich wird das relativ dickflüssige Gel noch erwärmt, dabei wird jedoch streng darauf geachtet, dass nicht zu viel Wärme entsteht, denn dies würde wiederrum dem Leder schaden. Leder verfügt über eine Schrumpfungstemperatur und würde sich bei zu viel Hitze in Kombination mit Feuchtigkeit zusammenziehen, dies wäre irreversibel. Nach dem Auftrag des Gels wird die behandelte Fläche mit einer Folie abgedeckt, um das Gel einwirken zu lassen. Der PVA-Kleber quillt durch diese Behandlung an, dadurch sind die Restauratorinnen in der Lage den Matratzenstoff abzuziehen, der Stoff lässt sich dann richtig abschälen. Ein klein wenig der Lederfasern geht dabei zwar auch verloren, dies kann aber in diesem Fall vernachlässigt werden. Kristin Krupa und Inken Süß haben dabei beobachtet, dass sich an manchen Stellen der Stoff sehr gut löst, wohingegen an anderen Stellen der Matratzenstoff schwerer zu lösen ist. Dazu sagen die Restauratorinnen: „Dies ist vor allem beispielsweise auf originalen Intarsien der Fall, die schon bei der Goldlederherstellung auf Schwachstellen des Leders aufgebracht wurden oder zur Formatergänzung auf ein rechteckiges Maß.“ In solchen Fällen bleibt den Beiden nichts anderes übrig, als vorsichtig mit einem Skalpell Stück für Stück den Stoff zu lösen. Im nächsten Schritt erfolgen eine erneute Kartierung und eine Reinigung der Vorder- und Rückseite. Dann werden rückseitig Risse, die von dem Stoff bedeckt waren, geschlossen und Fehlstellen ergänzt. Dazu verwenden die Restauratorinnen ein eigens für die Restaurierung der Goldledertapete produziertes Kalbsleder. Sie arbeiten dafür mit dem Forschungsinstitut für Leder und Kunststoffbahnen (FILK) in Freiberg zusammen. Man hat sich für ein zertifiziertes Leder entschieden, das in der Gerbungsart und in weiteren Parametern, wie zum Beispiel Fett- und Feuchtgehalt aber auch pH-Wert, dem Leder der Goldledertapete sehr nah ist. Nachdem die Arbeiten an der Rückseite der Goldledertapete abgeschlossen wurden, widmen sich Krupa und Süß der Vorderseite. Dort werden die großflächigen Übermalungen und auch Fehlfarben korrigiert. Die originale Malschicht bleibt dabei erhalten. Zum Lösen der Retuschen wird ein Lösemittel verwendet, hier ist äußerste Vorsicht geboten. Sie beschränken sich dabei auf die farbigen Flächen der Tapete und lassen die Stellen, an denen der Goldlack übermalt wurde, aus und korrigieren nur ganz leicht. Sie stellen dabei immer wieder fest, dass die Fehlstellen sehr klein sind, aber die in den 1950er-Jahren vorgenommenen Übermalungen fanden sehr grob und großflächig statt. Die Restauratorinnen hingegen setzen ihre Retuschen nur auf die Stellen, bei denen die Blattsilberschicht freiliegt.


Von der Werkstatt wieder zurück an die Wand

Im letzten Schritt, bevor die Goldledertapete wieder an der Wand angebracht werden kann, werden die Karrees in Sattelstichtechnik mit einem doppelten Leinenfaden vernäht. Insgesamt zwölf Karrees bilden dabei einen Verbund, an dessen Außenseiten Randanstückungen aus Leder mit Pergamentleim angeklebt werden. Die Lederanstückungen dienen zur Anbringung der Goldledertapete auf hölzerne Spannrahmen, um sie damit auf der Wand wieder anzubringen. Die Rahmen werden dafür von einem Holzrestaurator gebaut. Gemeinsam mit der Denkmalpflege hat man ein System entwickelt, bei dem der untere Schenkel der Holzrahmen beweglich ist, so kann der Rahmen auch bei Temperatur- oder Feuchtigkeitsschwankungen arbeiten. An den Seiten befinden sich Federn, sodass dort auch noch eine Beweglichkeit gegeben ist. Das Leder kann also noch agieren, denn im Schloss gibt es keine musealen Bedingungen, bei den Klimawerten gibt es oft hohe Schwankungen. Ein in der Ritterstube aufgestellter Luftbefeuchter schafft zwar Abhilfe, aber dennoch sind die Bedingungen aus konservatorischer Sicht nicht ideal. Damit haben sich die Restauratorinnen für eine Anbringung entschieden, die konservatorischen Ansprüchen genügt und zugleich auch den Wünschen der Schlossverwaltung nach einer einfachen Lösung zum Abmontieren entsprach. Dieser Wunsch nach einer Möglichkeit, die Goldledertapete abzunehmen, entstand vor dem Gedankengang, dass man im Falle von Wartungs- oder auch Renovierungsarbeiten, aber auch bei Rettungsmaßnahmen schnell und flexibel handeln wollte.
Bei ihren Maßnahmen war es den Restauratorinnen wichtig, dass noch erkennbar ist, wo das Leder Fehlstellen aufwies. Sie haben daher das verwendete Leder weder geprägt noch einen Farbauftrag vorgenommen. Lediglich in den grünen Bereichen der Goldledertapete haben sie eine leichte farbliche Angleichung vorgenommen, sodass das Gesamtbild ästhetischen Ansprüchen entspricht. Dabei gehen sie einen mittlerweile üblichen Weg, den auch die meisten anderen Restauratorinnen und Restauratoren vertreten. Inken Süß betont dabei: „Wir wollen nicht nur das Objekt erhalten, sondern sind auch verpflichtet, die Geschichte des Objekts zu erhalten.“ Sie erläutert weiter, dass lediglich, wenn das Werk Gefahr läuft, beschädigt zu werden, ein Eingriff notwendig sei. Aber dabei solle möglichst behutsam gearbeitet werden, denn den Objekten darf man ihr hohes Alter durchaus ansehen.

Detailaufnahme eines Goldledertapetenkarrees. Foto: Petra Reuter

Wann ist das Projekt fertiggestellt?

Wahrscheinlich werden die Arbeiten in circa drei bis vier Jahren abgeschlossen sein. Einen Zeitplan festzulegen, gestaltet sich aber bisweilen schwierig, so die beiden Restauratorinnen, denn es gibt viele Faktoren, die die Arbeit beeinflussen. Die COVID-19-Pandemie hat beispielweise zu Lieferengpässen bei bestimmten Pappen geführt, und auch aufgrund des Ukraine-Kriegs waren wiederrum andere Materialien nicht lieferbar. Aber auch Fehlproduktionen, wie aktuell beim Leder geschehen, können vorkommen. Jetzt muss zunächst darauf gewartet werden, dass geschlachtet wird. Momentan warten Krupa und Süß auf das Leder, das auch nur in kleinen Chargen produziert wird, um dann im kommenden Winter wieder ein Teilstück an der Wand anbringen zu können. Außerdem, so betonen die Restauratorinnen, ist jede Lederbahn auch ein Überraschungspaket, denn man kann nie voraussagen, was einen erwartet. Bei manchen Tapetenstücken sind die Überklebungen eher gering, andere wiederum sind deutlich stärker beklebt. Zusätzlich kommt immer hinzu, dass sie nie wissen, was unter dem Matratzenstoff zum Vorschein kommt. Aber auch Widrigkeiten im Schlossgebäude selbst können Probleme bereiten, so musste die Westwand aufgrund einer Wölbung nach außen zunächst neu verputzt werden. Als letzten Schritt planen die Restauratorinnen dann, den Bereich rund um den Kaminaufsatz aus Fayence zu restaurieren, dort können sie jedoch nicht mit dem Rahmensystem arbeiten. Denn rund um den Kamin ist die Goldledertapete besonders kleinteilig angebracht, und die Rahmen funktionieren an dieser Stelle somit nicht. Auf neue Erkenntnisse sind die Restauratorinnen auch gestoßen, so konnten sie nachweisen, dass mindestens an der Westwand die Anordnung der Karrees ursprünglich eine andere als im jetzigen Zustand war. Anhand eines besonders markanten Paneels haben sie festgestellt, dass das Stück ursprünglich weiter unten angebracht war. Genaue Rückschlüsse auf die Anordnung können sie aber nicht ziehen, und sie bringen die Goldledertapete wieder so an die Wand, wie sie abgenommen wurde. Mit der neuen Art der Anbringung wird die Goldledertapete aber auch wieder einen ähnlichen Effekt haben, wie sie ihn wahrscheinlich im 18. Jahrhundert hatte. Die Tapete war nämlich nicht glatt an der Wand befestigt, sondern warf durch – aus Wellen, die dann im Zusammenspiel mit dem Blattsilber und dem Goldlack im Kerzenschein sicherlich magische Lichtreflexe erzeugte.

Übrigens: Der Louvre soll aufgrund vieler Mängel saniert werden. 

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