Wie könnte es nach heutigen Vorstellungen aussehen, das Museum der Zukunft? Ist es eine optisch beeindruckende State-of-the-Art-Architektur mit entsprechender Ausstattung und utopistischem Outfit? Ist es wenig haptisch und dafür mehr digital? Werden die Ikonen der Kunstgeschichte mit Augmented Reality präsentiert und gewinnen an Unterhaltungswert für die Massen? Was nehmen wir mit aus dem Museum der Zukunft, und wie wird es unser Leben beeinflussen?

Lebendiger Ort
Im vergangenen Jahr publizierten Henning Mohr und Diana Modarressi-Tehrani die Aufsatzsammlung „Museen der Zukunft“ und stellten vor allem Aspekte in den Vordergrund, die die Arbeitswelt Museum beschreiben. Zu den Ideen für das Museum der Zukunft gehörte eine Arbeitswelt mit agilem Handeln und Innovationsorientierung auf der Grundlage des heute begrifflich sehr überstrapazierten Design Thinking. Im technischen Bereich kommen seit vielen Jahren digitale Formate dazu, Virtual und Augmented Reality und natürlich zunehmend künstliche Intelligenz. Partizipation und postkoloniale Ansätze gehören heute zu den sozialen Nachhaltigkeitsstrategien, und für die Kommunikation nach außen spielen digitale und analoge Outreachkonzepte eine immer größere Rolle. Viel Beachtung gilt Vermittlungsformaten und der Nichtbesucher:innenforschung, denn das Museum soll ein lebendiger Ort mit vielen Gästen sein und sich als dynamische Kommunikationsplattform behaupten.
Expertenarbeit für unterschiedliche Branchen
Der Deutsche Museumsbund gewichtet anders. Eine Arbeitsgemeinschaft aus rund 70 Museumsfachleuten setzt in seinem Arbeitskreis den Schwerpunkt auf ökologische Nachhaltigkeit, besonders auf Klimaschutz, wobei die von Henning Mohr und Diana Modarressi-Tehrani aufgeführten Teilaspekte gut unter den breit gefassten Ansatz der Museumsfachleute subsumiert werden können. Die Experten des Museumsbundes haben als Gemeinschaftsarbeit einen über 70 Seiten langen Leitfaden erstellt, der neben Instrumentarien zur Analyse als Basis für ein nachhaltiges Museumsmanagement auch viele Handlungsempfehlungen gibt. Ein genauer Blick in diesen Leitfaden ist sehr lohnend, auch für außermuseale Bereiche der Kunstszene, denn es gibt natürlich Schnittmengen in der Arbeitswelt der unterschiedlichen Kunstbranchen.
Sustainable Development Goals
Der Deutsche Museumsbund orientiert sich in seiner Diskussion und in seinem Leitfaden an den Sustainable Development Goals (SDG), die die Vereinten Nationen 2015 aufgestellt haben. Von den 17 Zielen der SDGs sind sechs besonders mit der Arbeit von Museen verflochten. Neben Ziel Nr. 13, das ist der Klimaschutz als drängendste Aufgabe unserer Zeit, nehmen fünf weitere Aspekte Schlüsselrollen in Museen ein: Museen vermitteln Werte und befähigen und inspirieren damit Menschen, nachhaltig zu handeln. Durch ihre Aktivitäten und ihre Verortung können sie außerdem auf die nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft in Städten und Kommunen wirken. Museen haben dazu die Möglichkeit, nachhaltig zu konsumieren und zu produzieren, Ressourcen effizient zu nutzen und so die Kreislaufwirtschaft zu unterstützen. Mit sinnvollen, manchmal einfachen Maßnahmen können sie aktiv dazu beitragen, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Museen, die nachhaltig handeln und arbeiten, sind wichtige Leistungsträger der Agenda 2030. Mit der Nachhaltigkeitsdeklaration der Initiative Culture4Climate können Kulturbetriebe eine Selbstverpflichtung zu den genannten Zielen unterschreiben und direkt aktiv werden.
On track und klimafit
Das Team der Sustainability-Expert:innen des Deutschen Museumsbund ist sich einig: „Unser Ziel ist ein grünes Museum, das sich den 17 Zielen zur nachhaltigen Entwicklung der Vereinten Nationen verpflichtet sieht. Es gilt dabei das Prinzip der kleinen Schritte mit vielen Entscheidungen und Maßnahmen in den unterschiedlichsten Bereichen, um Nachhaltigkeit und Klimaschutz in den Museumsalltag zu verankern“, erklärt Heike Pöppelmann, die Direktorin des Braunschweigischen Landesmuseums. Die ganzheitliche Methode lässt sich gut mit den Begriffen Suffizienz, Effizienz, Konsistenz und Resilienz umschreiben. Dafür sind Dokumentieren und Evaluieren und die korrigierende Anpassung an die Situation Grundlage – es heißt also Daten bereitstellen. Zur Aufgabe, ein nachhaltiges Museum zu schaffen, meint der kaufmännische Geschäftsführer der Staatsgalerie Stuttgart Dirk Rieker: „Wir sehen Nachhaltigkeit und Umweltschutz als einen lebendigen Prozess, der das ganze Haus und alle Abteilungen betrifft. In der Stellen- und Aufgabenbeschreibung eines jeden Mitarbeiters und einer jeden Mitarbeiterin ist ein gewisser Stundenanteil für das Energie- und Umweltmanagement verankert.“ Für das gemeinsame Handeln ist der Leitfaden des Deutschen Museumsbund praktisches Handwerkszeug. Grundlegend sind die Mindestanforderungen. Der Prozess wird dann so dynamisch und individuell sein, wie das Klima selbst.
Sustainability Must-haves
Mit den von den Expert:innen des deutschen Museumsbund zusammengestellten ökologischen Mindeststandards kann ein Schnellcheck und eine erste Strategie aufgestellt werden. Dazu wird aus dem Museumsteam oder durch Recruiting eine Person beauftragt, das Nachhaltigkeitskonzept aufzustellen, zu überprüfen und auf die Einhaltung zu achten. Die Nachhaltigkeitsbeauftragten können mindestens einmal pro Jahr an Weiterbildungen zum innerbetrieblichen Nachhaltigkeitsprozess teilnehmen. Die Inhalte stellen sie dann dem gesamten Team zur Verfügung. Wie sieht das im Einzelnen aus? Das Museum reduziert seine CO2e-Emissionen und stellt sicher, dass seine Klimabilanz im Jahr 2045 ausgeglichen ist. Es arbeitet betriebsökologisch, um den Energieverbrauch jährlich zu reduzieren. Die Energie stammt aus erneuerbaren Quellen. Um Strom zu sparen, sorgt das Haus für eine energiesparende Beleuchtungstechnik und achtet auf eine ressourcenschonende Pflege der IT-Infrastruktur im Hinblick auf Speicherkapazität, Cloud- Computing und E-Mail-Verkehr. Es werden verstärkt passive Methoden zur Klimakontrolle herangezogen und Techniken zur intelligenten Steuerung der Klimatisierungstechnik implementiert. Gemeinsam mit dem Konservierungs- und Restaurierungsteam wird geprüft, ob für weniger sensible Sammlungsstücke ein erweiterter Klimakorridor angewandt werden kann. Da Wasser immer rarer wird, muss ein nachhaltiges Wassermanagementkonzept entwickelt werden. Darunter fallen der Einbau Wasser sparender Sanitäreinrichtungen und die Verwendung biologisch abbaubarer, umweltzeichenzertifizierter Reinigungsmittel und Hygieneprodukte.
Materialbeschaffung wird nach den Kriterien CO2-Neutralität, Recyclingfähigkeit, Sozialverträglichkeit und faire Produktionsbedingungen vorgenommen.
Außerdem gibt es klimafreundliches Abfallmanagement. Ein wichtiger Punkt ist auch das Thema Mobilität: An- und Abreise sind umweltschonend für alle Mitarbeiter und Besucher zu gestalten, für Dienstreisen werden der Bahnverkehr oder der öffentliche Nahverkehr genutzt und lange Anfahrtswege mit persönlicher Anreise kompensiert die digitale Kommunikation. Und in Zeiten der digitalen und sozialen Medien, der vielen Tools für Einladungsmanagement und Plattformen stellt sich die Frage: Müssen Kataloge, Flyer, Einladungs- karten tatsächlich noch gedruckt und dazu auch noch versandt werden? Wohl kaum! Und die beliebten Museumscafés? Die können in Zukunft vegetarische und vegane Gerichte aus Produkten der Region und der Saison anbieten. Bleibt noch der Bau als solches. Dass bei Neubauten Holz- und Holzhybridbauweisen optimal sein können, haben bereits viele Architekten im Bereich Kulturbauten unter Beweis gestellt. Altbauten können behutsam saniert, erweitert und energetisch auf den neuesten Stand gebracht werden und die Außenflächen um sinnvolle und umweltfreundliche Grünkonzepte erweitert werden. Es gibt also viel zu tun.
Nachhaltigkeit im Museum erleben: das NAWAREUM
Das NAWAREUM in Straubing bietet das Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz auf allen Ebenen. Mit einer partizipativ angelegten Struktur folgen nicht nur Ausstellung, Garten und Beiprogramm, sondern auch der Bau selbst den Zielen der Substainability Development Goals. Die Konstruktion des Museumsbaus besteht zum großen Teil aus dem rasch nachwachsenden Rohstoff Holz, ergänzt durch möglichst umweltschonende weitere Baumaterialien in einem nachhaltigen Verbundsystem. Das Gebäude wurde in der Art der Passivhaus-Architekturen geplant und verfügt über Solarthermie, Photovoltaik und eine Geothermieanlage. Der Energiebedarf wird komplett aus regenerativen Quellen gedeckt, die es in der Ausstellung des NAWAREUM auch als Exponate zu entdecken gibt. Das Haus ist auch eine architecture parlante und hat eine besondere Fassadengestaltung aus naturbelassenen, regionalen Baumstämmen. Der dreigeschossige Museumsrundgang bietet eine Mischung aus Kunstwerken und Spielen, Natur, Technik und Wissen und ist familienfreundlich und generationenübergreifend attraktiv. Das wichtigste und augenfälligste Ausstellungsstück ist die Architektur des Museums selbst. In dem Bistro oder der als Lounge nutzbaren „ErneuerBar“ kann eine eigene Brotzeit auf den Tisch kommen, den Besuchern stehen warme und kalte Getränke zur Verfügung, die an der Museumskasse auf Vertrauensbasis bezahlt werden können. Mit regelmäßigen
Tauschbörsen unterwandert das NAWAREUM noch einmal das Prinzip des ewigen und oft unreflektierten Konsums und seiner umweltschädigenden Folgen.
Role Model: Repair Revolution
„Museen sind prädestiniert, globale Themen wie Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Gemeinwohl lokal zu verorten und über größere Zeithorizonte zu betrachten. Hierdurch wird es möglich, gemeinsam ein Verständnis dafür zu entwickeln, was enkeltauglich leben eigentlich heißen kann. Die Funktion des Museums als Treffpunkt und die Rolle als moderierender Gastgeber halten große Potenziale für echte Aktivierung bereit“, sagt Andrea Wieloch, Leiterin des Museum Utopie und Alltag – Alltagskultur und Kunst aus der DDR in Eisenhüttenstadt und Beeskow. Ein Ausstellungsprojekt, das in diesem Zusammenhang als Role Model genannt werden muss, hat das Zürcher Museum für Gestaltung im Toni-Areal mit seinem Projekt „Repair Revolution!“ dieses Jahr auf den Weg gebracht. Das Motto ist hier Programm: In unserem Alltag gehen permanent Dinge kaputt. Anstatt zu reparieren, wird oft einfach sofort Ersatz gekauft. Wachsende Müllberge, steigende CO2-Emissionen sowie die Ausbeutung von Ressourcen sind die Folgen, die uns allen bekannt sind. Mit der Ausstellung „Repair Revolution!“ hat das Museum für Gestaltung Zürich die Vision einer Reparaturgesellschaft für den Bereich Produktdesign entworfen. Während in der vorindustriellen Gesellschaft und in Krisenzeiten das Reparieren von Dingen alltäglich und notwendig war, wird in westlichen Ländern heute darauf verzichtet. Fachkundige Reparaturen können sogar teurer sein als Neuware. Gleichzeitig fehlt das Wissen oder das passende Material, um ausbessern zu können. Vor dem Hintergrund der Klima- und Umweltkrise des 21. Jahrhunderts ist es unumgänglich, der grundlegenden Tätigkeit des Reparierens wieder mehr Beachtung zu schenken. Dafür konnte das Museum für Gestaltung konkrete Zahlen aus der Schweiz nennen: Schweizer:innen entsorgen jährlich rund 15 Kilogramm Kleider, und mit 23 Kilogramm pro Jahr und Kopf ist die Schweiz weltweit die drittgrößte Elektroschrottproduzentin. Das sind alles Pro-Kopf-Zahlen. Die globale Recycling- quote beträgt weniger als ein Fünftel, zu viel landet auf illegalen Müllhalden im globalen Süden.
Das Prinzip der Reparierbarkeit ist vorbeugender Klimaschutz
Ob ein Gegenstand repariert werden kann, entscheidet sich oft bereits im Entwurfsprozess. Während die reparatur- und wartungsfreundliche Gestaltung im Maschinenbau fester Bestandteil der Entwurfspraxis ist, bleibt sie im breiten Produktdesign eher noch die Ausnahme. Allerdings gibt es auch hier Entwicklungen und Projekte, die eine Reparierbarkeit von Produkten ins Zentrum stellen. Die Ausstellung zeigt, dass das Reparieren im Umgang mit den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts umsetzbare Möglichkeiten bietet. Statt auf „Made to Break?“ hereinzufallen, wird der Blick auf „Pièces de Résistance“ gelenkt, die die Schönheit reparierter Gegenstände aus verschiedensten Zeiten und Kulturkreisen beleuchten. Mit Beispielen zu „Radikal reparabel“ wird vorgeführt, dass Reparierbarkeit eine Designaufgabe ist. „Reparatur-Material total“ stellt Flickzeug vor, „Repair-it-together“ zeigt Initiativen und Kollektive, die Reparieren als gemeinschaftliche, postkapitalistische Praxis begreifen. Die Ausstellung „Repair Revolution“ ist partizipativ angelegt, und wenn es nicht selbst gelingt, kommt ein Mitarbeiter aus der berühmten Zürcher Flickbar und hilft.