30.05.2025

Möbel fürs Museum und den Amtsraum

Blick in das Sesseldepot des Möbelmuseums in Wien. © Möbelmuseum Wien

Das Möbelmuseum Wien, Teil der Schönbrunn Group, setzt auch unter seiner derzeitigen Leiterin Petra Reiner auf die Ankerpunkte Design und Geschichte. Bis Jänner 2024 war dort die bereits in Deutschland gezeigte Schau „Deutsches Design 1949–1989“ zu sehen. Neue Formate sollen in Zukunft die Partizipation stärken, das Museum soll Ort der Begegnung sein. Seine Besonderheit: Es baut auf eine genutzte Sammlung historischer Möbel. Diese werden von der Bundesmobilienverwaltung auch für die Amtsraumausstattung verwendet. So kann es vorkommen, dass Österreichs Bundespräsident auf Sesseln aus der Sammlung sitzt. Petra Reiner und Anja Hasenlechner, Leiterin der Bundesmobilienverwaltung, im Gespräch mit Restauro.


Historische Feierlichkeiten

Restauro-Redaktion: Petra Reiner, Sie leiten nun neben weiterer Funktionen in der Schönbrunn Group das Möbelmuseum seit rund einem Jahr. Mit zuletzt rund 32.000 jährlichen Besucher*innen ist das Möbelmuseum sozusagen die kleine Schwester unter den Standorten der Gruppe. Ein Akzent wurde zuletzt mit der Ausstellung Deutsches Design 1949 –1989 gesetzt. Geht das Möbelmuseum weiter in Richtung Designmuseum? Und: Es scheint zwei Besucher*innengruppen zu geben: Tourist*innen, die wegen des imperialen Erbes kommen, und Ansässige, die eher am Design bzw. an historischen Aspekten interessiert sind. Welche Gruppe soll ausgebaut werden?

Petra Reiner: Im Möbelmuseum Wien geführt von der Schönbrunn Group als Partner der Bundesmobilienverwaltung wird Wohnkultur aus über fünf Jahrhunderten gezeigt. Der Bogen spannt sich von der Präsentation kaiserlichen Mobiliars über verschiedenste Einrichtungsstile wie Biedermeier, Historismus und Wiener Moderne bis zu zeitgenössischem Möbeldesign, das aus dem ehemaligen kaiserlichen Besitz und der seit 1918 ständig wachsenden Sammlung der Bundesmobilienverwaltung stammt. Das Möbelmuseum Wien feierte im vergangenen Jahr sein 25-jähriges Bestehen, und wechseln- de Sonderausstellungen widmen sich seit fast 20 Jahren insbesondere dem Architektur-, Design- und Möbelschaffen des 20. und 21. Jahrhunderts. D.h., Design und Geschichte bilden traditionell die klaren Ankerpunkte in der Sammlung und Kulturvermittlung des Möbelmuseums Wien, und dies soll auch bewahrt werden, jedoch gerne fokussierter und prägnanter.


Ort der Begegnung

Restauro-Redaktion: Welche Sonderausstellungen sind für die Zukunft geplant? Gibt es auch Pläne für Eigenproduktionen? Wohin soll sich das Möbelmuseum Wien entwickeln?

Reiner: Sonderausstellungen waren bisher immer Eigenproduktionen der wissenschaftlichen Leitung der Bundesmobilienverwaltung bzw. Kooperationen zwischen dem Vitra Design Museum und dem Möbelmuseum Wien. Dies hat sich sehr bewährt, und der Austausch und die Zusammenarbeit sind konstruktiv und wertschätzend. Auch hinsichtlich neuer Formate und Begleitprogramme mit Kooperationspartner*innen soll verstärkt auf Zusammenarbeit gesetzt werden. Gerade der kreative Prozess, der kulturvermittlerische und gesellschaftspolitische Anspruch, die bewusste Planung und die gemeinsame Umsetzung schaffen Begeisterung im Team und bei unseren Besucher*innen. Zuletzt lief sehr erfolgreich die Sonderausstellung „Deutsches Design 1949 –1989. Zwei Länder eine Geschichte“; im Frühjahr 2024 startet die Sonderausstellung „HERE WE ARE – Frauen in Design und Architektur“. Dies wird auch der Jahresschwerpunkt 2024 im Möbelmuseum Wien sein, der sich neben der Sonderausstellung auch durch die Dauerausstellung zieht. Unter diesem thematischen Dach wird es auch eine Vielzahl an Kooperationen geben, was sich auch im Begleitprogramm widerspiegeln wird. Neben der Dauerausstellung und wechselnden Sonderausstellungen soll das Möbelmuseum Wien zukünftig auch stärker als Ort der Begegnung und des Dialogs wahrgenommen werden. Das bedeutet, dass neben internationalem und nationalem Publikum auch verstärkt die lokalen Besucher*innen angesprochen werden. Programmtechnisch und kulturvermittlerisch öffnen wir mit neuen Interventionen und Formaten das Museum, d.h., neben dem Bewährten wird es verstärkt Formate geben, die Partizipation ermöglichen. Wir freuen uns auch sehr darauf, jungen Künstler*innen eine Plattform zu geben. Derzeit arbeiten wir gerade an einem „Artist in Residence“-Konzept, welches uns sehr begeistert.


Vom Aussterben bedroht

Restauro-Redaktion: Wie beim Vitra Design Museum stehen Möbel im Sammlungsmittelpunkt. Das Besondere der Sammlung im Möbelmuseum ist aber: Ihre Objekte werden von der Republik Österreich genützt in Ministerien, der Hofburg usw. Welches besondere Sammlungspflegekonzept erfordert das?

Anja Hasenlechner: Zunächst gilt es festzuhalten: Die Bundesmobilienverwaltung ist eine nachgeordnete Dienststelle des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft. Sie verwaltet jene mobilen Vermögenswerte, die nach dem Ende des Ersten Weltkrieges aus dem sogenannten Hofärar in den Besitz der Republik Österreich übergegangen sind.
Diese Sammlung umfasst nicht allein Möbel nach dem recht eng gefassten heutigen Verständnis. Vielmehr betreut die Bundesmobilienverwaltung, im wörtlichen Sinn des Begriffs „Mobilien“, bewegliche Einrichtungs- und Ausstattungsgegenstände vom Nachttopf bis zur Vorhangkarniese. Aus dieser Vielfalt ergibt sich ein umfassender Einblick in die repräsentative wie private Lebenswelt des Kaiserhauses und in die Wohnkultur des Wiener Hofes. Um die Bewahrung dieser umfangreichen, kunst- und kulturhistorisch wertvollen Sammlung zu gewährleisten, betreibt die Bundesmobilienverwaltung eigene Restaurierwerkstätten: Tischler, Tapeziererinnen und Tapezierer, Vergolderinnen und Vergolder sowie ein Schlosser sorgen für Erhalt und Instandsetzung der Möbel. Die Mobilien werden, sobald Gebrauchsspuren an den Objekten festgestellt werden, fachgerecht repariert und restauriert. Entsprechend der Vielfalt der Objekte und der Unterschiedlichkeit der verarbeiteten Materialien werden, nicht zuletzt im Zuge der Ausbildung von Lehrlingen, teilweise vom Aussterben bedrohte Handwerkstechniken am Leben gehalten.


Monitoring & Betreuung

Restauro-Redaktion: Wie geht das Möbelmuseum da mit dem Thema Abnützung/ Alterswert vs. Instandsetzung/Pflege um?

Hasenlechner: Die Sammlung der Bundesmobilienverwaltung umfasst ca. 60.000 Möbelstücke und ca. 120.000 Stücke, die dem Bestand der ehemaligen Hofsilber- und Tafelkammer zuzuordnen sind. Um Abnützung, Verschmutzung und Insektenbefall vorzubeugen, werden die Objekte in Depots gelagert, die wissenschaftlich und technisch auf dem aktuellen Stand gehalten sind. Die gelagerten Objekte unterliegen permanentem Monitoring in konservatorischer Hinsicht, werden wissenschaftlich betreut und – wie gesagt – im Bedarfsfall in den hauseigenen Werkstätten restauriert.


Repräsentative Ausstattung

Restauro-Redaktion: Wie wird der Umstand der genützten Sammlung kuratorisch bzw. in der Vermittlung berücksichtigt?

Hasenlechner: Als Bundesmobilienverwaltung obliegt uns die wissenschaftliche Leitung des Möbelmuseum Wien, das Programm wird gemeinsam mit unserem Partner Schönbrunn Group kuratiert. Wie zu Zeiten der Monarchie wird das hofärarische Erbe nach wie vor zur repräsentativen Ausstattung staatlicher Stellen herangezogen. Wir nennen diesen Vorgang „Amtsraumausstattung“. Eine Vielzahl staatlicher Organe der Republik Österreich profitiert von der Ausstattungskompetenz der Bundesmobilienverwaltung. Neben zahlreichen Bundesministerien sowie österreichischen Botschaften sind es vor allem der Amtssitz des Bundespräsidenten in der Wiener Hofburg und das Jagdschloss Mürzsteg, die aus den Beständen der Bundesmobilienverwaltung repräsentativ möbliert werden. Selbstverständlich werden nicht alle Mobilien für die Amtsraumausstattung zur Verfügung gestellt. Besonders hochwertige, museale Objekte werden nicht verliehen und sind im Möbelmuseum Wien ausgestellt. Insgesamt sind an die 24.000 Einrichtungsgegenstände entlehnt, deren Vollständigkeit und Zustand im Zuge von Revisionen in regelmäßigen Abständen vor Ort beim Leihnehmer überprüft und dokumentiert werden.

Das Möbelmuseum Wien umfasst Sammlungen mit Möbeln und Interieur aus der Zeit des Barock & Rokoko, Empire & Bieder- meier, Historismus, der Wiener Moderne und des 20. & 21. Jahrhunderts © Möbelmuseum Wien

Digitale Expertise

Restauro-Redaktion: Welche Rolle spielt in der Vermittlung der Einsatz digitaler Medien im Möbelmuseum?

Reiner: Kulturvermittlung hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt, das bedeutet, dass neben der digitalen Infrastruktur auch die digitale Kompetenz gestärkt werden soll. Innerhalb der Schönbrunn Group gibt es dazu glücklicherweise entsprechende Weiterbildungsangebote innerhalb der unternehmenseigenen Akademie, die den Kulturvermittler*innen neue Vermittlungsformen nahebringt. Innerhalb der Schönbrunn Group entwickeln wir unternehmensweite Digitalisierungsstrategien laufend weiter: von der Kulturvermittlung über die Digitalisierung unserer Bestände bis hin zu internen Prozessen. Neben der Stärkung der internen Expertise ist auch der Austausch mit externen Expert*innen sehr wertvoll. Wir erleben dies insbesondere auch in unseren Gesprächen mit Künstler*innen im Rahmen unserer Anbahnung des Artist-in-Residence-Programms.


Gemeinschaftliche Auseinandersetzung

Restauro-Redaktion:Sie kommen aus dem Bildungsmanagement mit Fokus Kommunikation. Was kann ein Museum in seiner gesamten Organisation von einem Kommunikationsprofi wie Ihnen lernen?

Reiner: Kommunikation ist Austausch und Dialog und bedeutet echte Auseinandersetzung mit Menschen und Inhalten. Es geht darum, das Museum als Ort der Begegnung zu öffnen und zu gestalten, für den Gast, für die Kooperationspartner*innen und auch für die Mitarbeiter*innen. Und es sich auch zu trauen!

Weiterlesen: Seit Jahren hofft Wien, seine Altstadt möge doch bald von der Roten Liste des UNESCO-Kulturerbes gestrichen werden.

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