Am Rande der fränkischen Kleinstadt Arnstein stießen Archäologen 2018 auf ein Gräberfeld aus dem Frühmittelalter – ein Fund, der tiefere Einblicke in die Epoche verspricht. Die geborgenen Objekte, heute Teil der Archäologischen Staatssammlung in München (ASM), werden derzeit eingehend untersucht. Eine geplante Ausstellung in Arnstein soll einen Teil der Funde erstmals einer breiten Öffentlichkeit präsentieren.

Bemerkenswerter Fund
In einer präventiven Grabung in Arnstein, die anlässlich des Baus eines Kreisverkehrs stattfand, machte die Grabungsfirma von Oliver Specht einen bemerkenswerten Fund: unberührte Gräber aus dem Frühmittelalter. Zum Zeitpunkt der Auffindung galt noch das alte Denkmalschutzgesetz, und so gehörten die Funde jeweils zur Hälfte dem Grundeigentümer und dem Auffinder. In beiden Fällen war dies die Stadt Arnstein, die sich entschied, die Funde dem Land Bayern zu schenken – sodass das Team der Archäologischen Staatssammlung München an den Funden arbeitet. Diese Entscheidung erfolgte, da die Stadt Arnstein weder über ein Museum noch über Einrichtungen zur Konservierung der Funde verfügte.
Letzte Ruhe
Bei der Ausgrabung konnten rund 40 Gräber von Männern, Frauen und Kindern dokumentiert werden – vermutlich war das Gräberfeld jedoch noch umfangreicher. Nach Einschätzung der zuständigen Archäologin von der ASM, Dr. Brigitte Haas-Gebhard, bieten diese rund 40 Bestattungen, die nicht geplündert wurden, interessante und weitreichende Einblicke in die Lebensweise der frühmittelalterlichen Bevölkerung in dieser Region. Die Bestatteten fanden dort im späten 6. Jahrhundert bis 7. Jahrhundert, also in der Zeit der Merowinger, ihre letzte Ruhe. Ihre Angehörigen beerdigten sie in ihrer Festtagstracht und gaben ihnen noch Beigaben mit ins Grab – diese Form der Bestattung werde häufig als heidnisch angesehen, sei es aber nicht, wie Haas-Gebhard betont. „Wir können davon ausgehen, dass die Menschen dort zu diesem Zeitpunkt bereits christlichen Glaubens waren. Die Beigabe von Objekten hat nichts mit dem christlichen Glauben zu tun“, führt sie im Gespräch aus.
Unberührte Vergangenheit
Kulturgeschichtlich ist Arnstein, das im Werntal liegt, ein besonders spannendes Gebiet, denn es wurde von verschiedenen germanischen Stämmen und den Römern geprägt. Außerhalb des Römischen Imperiums liegend, befand es sich dennoch in dessen Interessenssphäre, und man pflegte einen Austausch miteinander. Ab dem 4. Jahrhundert lässt sich im Werntal zudem eine elbgermanische Prägung nachweisen, die später als Teil des alemannisch-thüringischen Reiches bekannt wurde. Im 6. Jahrhundert nahmen die Rhein-Weser-Germanen aus dem Mittelrheingebiet Einfluss, und in Arnstein ist fortan eine fränkische Prägung nachweisbar. Im benachbarten Ort Zeuzleben sei dagegen ein Gräberfeld gefunden worden, das eine elbgermanische Prägung habe, so Haas-Gebhard. Dass Arnstein unter fränkischem Einfluss stand, lässt sich an diversen Grabbeigaben erkennen. Neben einer tauschierten Scheibenfibel, die sicher dem Mittelrheingebiet zugeordnet werden könne, wurden ein Brustgehänge mit einer großen Glasperle und verschiedene Keramiken in Arnstein gefunden.
Ein besonderes Glück für die Forschenden ist der Umstand, dass die 40 Gräber bei ihrer Entdeckung unberührt waren. Brigitte Haas-Gebhard führt an dieser Stelle aus: „In der Zeit, aus der die Gräber stammten, kam es vor, dass in manchen Fällen bereits kurze Zeit nach der Bestattung die Gräber wieder geöffnet und Wertgegenstände mitgenommen oder die Toten manipuliert wurden. Das ist hier nicht der Fall und macht es außergewöhnlich.“ Für die Erforschung der Funde ergeben sich so deutlich bessere Untersuchungsmöglichkeiten.


Schmuck, Schere, Scherbe – geheimnisvolle Funde
Die Bestatteten im Gräberfeld stellen einen Querschnitt durch die Bevölkerung dar. Ein Grab sticht dabei heraus, dieses wird nun intensiv für die Ausstellung in Arnstein erforscht. Es handelt sich dabei um ein Frauengrab, das womöglich einer ranghohen Haus- und Hofherrin als letzte Ruhestätte diente. Sie war bekleidet mit aufwendig gestalteten Textilien und trug eine reiche Silberschmuckausstattung, unter anderem sogenannte Körbchenohrringe, mit sich. Ein besonderer Fund in diesem Grab war ein Holzkästchen, das der Toten mitgegeben wurde. Der Deckel besaß ein Schloss, dessen Mechanismus in einem speziell ausgesparten Hohlraum im Holz eingebettet war – ein Hinweis auf eine sorgfältige handwerkliche Ausführung. Darin befunden haben sich eine Schere, ein Kamm, ein Spinnwirtel und eine einzelne Glasscherbe, deren Funktion rätselhaft bleibt.
Die Verstorbene war vermutlich zwischen 30 und 40 Jahre alt, dies hat eine Schnellbestimmung auf der Ausgrabung ergeben. In einer anthropologischen Untersuchung soll nun das genaue Alter der bestatteten Frau bestimmt werden. Aber auch ihre Körpergröße und die mögliche Todesursache sowie gesundheitliche Beeinträchtigungen sollen analysiert werden. In einem Folgeprojekt sollen diese Daten dann dabei helfen, das Leben der Frau zu rekonstruieren.
Viele Funde wurden als sogenannte Blockbergung sichergestellt. Während die menschlichen Überreste in der Staatssammlung für Anthropologie verwahrt werden, brachte man die Grabbeigaben in die Archäologische Staatssammlung. Dort arbeitet das Team der Restaurierungsabteilung nun an der schrittweisen Freilegung der Funde, die ihnen auch teilweise gefroren übergeben wurden. Die Lagerung der Funde nach der Bergung in gefrorenem Zustand ist insbesondere für die empfindlichen organischen Materialien von Vorteil – und von diesen wurden außergewöhnlich viele gefunden. Neben den Textilien wurden Leder, Holz, Haare, Elfenbein und eine Kaurischnecke sichergestellt. Dass sich die organischen Materialien erhalten konnten, liegt in erster Linie an den ebenfalls entdeckten Metallobjekten, denn diese wirkten in dem Fall konservierend.
Statussymbole aus Metall und Glas
Das bemerkenswerteste Stück der Ausgrabung ist eine Scheibenfibel, die aus einer Bronzeplatte mit einer aufgesetzten Eisenplatte besteht. Sie wurde im Halsbereich der Frau gefunden, und ihr Erhaltungszustand ist außergewöhnlich gut. Die Fibel wurde aufwendig dekoriert. Die Eisenoberfläche wurde gebläut oder geschwärzt, und ihre Oberfläche ist mit Silber-Messingfäden tauschiert. Anhand von Röntgenbildern und CT-Bildern konnte die prachtvolle Gestaltung der Scheibenfibel mit spiral- und kreuzförmigen Mustern erkennbar gemacht werden. Auf der Rückseite der Fibel haben sich zudem der Nadelhalter und die originale Nadel erhalten. Mit fünf verzierten Buckelnieten wurden die einzelnen Teile verbunden.
Die Verstorbene trug zudem einen eisernen Stangengürtel und ein eisernes Kettengehänge mit sich, das aus einer Abfolge von metallenen Ösen, Ringen und Gestängen bestand. Ausgang des Gehänges, das bis zum Fuß reichte, war ein Vierpass-Element. An dem Gehänge waren zudem verschiedene Objekte angebracht: Gebrauchsgegenstände wie Schlüssel und ein Messer, aber auch verzierte Bleche (Klapperbleche) und eine Kaurischnecke (vermutlich ein Fruchtbarkeitssymbol). Die Verstorbene trug dazu noch Ketten mit bunten Glasperlen und einigen Halbedelsteinen. Unklar ist, ob dieses Ensemble von ihr täglich, nur bei bestimmten Gelegenheiten oder auch lediglich zur Bestattung getragen wurde. Stefan Gußmann, Restaurator in der ASM, fügt hinzu: „Oft hören wir die Bemerkung, ein solches Kettengehänge müsse doch unbequem und unpraktisch gewesen sein. Unsere Antwort: Heutige Maßstäbe lassen sich auf historische Lebenswelten nicht übertragen.“
Flechtband und Fernhandel
Das bemerkenswerteste Stück der Ausgrabung ist eine Scheibenfibel, die aus einer Bronzeplatte mit einer aufgesetzten Eisenplatte besteht. Sie wurde im Halsbereich der Frau gefunden, und ihr Erhaltungszustand ist außergewöhnlich gut. Die Fibel wurde aufwendig dekoriert. Die Eisenoberfläche wurde gebläut oder geschwärzt, und ihre Oberfläche ist mit Silber-Messingfäden tauschiert. Anhand von Röntgenbildern und CT-Bildern konnte die prachtvolle Gestaltung der Scheibenfibel mit spiral- und kreuzförmigen Mustern erkennbar gemacht werden. Auf der Rückseite der Fibel haben sich zudem der Nadelhalter und die originale Nadel erhalten. Mit fünf verzierten Buckelnieten wurden die einzelnen Teile verbunden.
Die Verstorbene trug zudem einen eisernen Stangengürtel und ein eisernes Kettengehänge mit sich, das aus einer Abfolge von metallenen Ösen, Ringen und Gestängen bestand. Ausgang des Gehänges, das bis zum Fuß reichte, war ein Vierpass-Element. An dem Gehänge waren zudem verschiedene Objekte angebracht: Gebrauchsgegenstände wie Schlüssel und ein Messer, aber auch verzierte Bleche (Klapperbleche) und eine Kaurischnecke (vermutlich ein Fruchtbarkeitssymbol). Die Verstorbene trug dazu noch Ketten mit bunten Glasperlen und einigen Halbedelsteinen. Unklar ist, ob dieses Ensemble von ihr täglich, nur bei bestimmten Gelegenheiten oder auch lediglich zur Bestattung getragen wurde. Stefan Gußmann, Restaurator in der ASM, fügt hinzu: „Oft hören wir die Bemerkung, ein solches Kettengehänge müsse doch unbequem und unpraktisch gewesen sein. Unsere Antwort: Heutige Maßstäbe lassen sich auf historische Lebenswelten nicht übertragen.“
Flechtband und Fernhandel
Eine besondere Herausforderung stellt die Freilegung des Kettengehänges dar. Zum einen ist es stark fragmentiert, was die Rekonstruktion erschwert, und zum anderen seien viele verschiedene Materialen in diesem Bereich zu finden. Die Trennung der Materialien erfordert daher von den Restauratorinnen und Restauratoren viel Fingerspitzengefühl. Erschwerend kommt hinzu, dass das Objekt sich im Hüftbereich der Verstorbenen befand, dort trug sie noch einen, heute nicht mehr erhaltenen, Ledergürtel mit einer Metallschnalle. An dem Gürtel wiederum war ein weiteres Kettengehänge befestigt, das in einer verzinnten Bronzescheibe, die von einem Elfenbeinring gefasst wird, endet. Daraus schließen die Forschenden, dass es Handelsverbindungen zum afrikanischen Kontinent gegeben haben könnte – auch die Kaurischnecke könne auf außereuropäische Handelsbeziehungen hinweisen. Möglich sei aber auch, dass man lediglich Kontakt zu Händlern hatte, die diese außereuropäischen Objekte verkauften. Gesichert sei, dass sowohl das Elfenbein und die Kaurischnecke als Statussymbole anzusehen seien.
„Bemerkenswert ist außerdem ein Lederband“, wie Restauratorin Katharina Meier zu Verl betont. Es ist besonders lang und reicht vom Beckenbereich der bestatteten Frau bis in den Fußbereich, wo es an einer prächtig gestalteten metallenen Zierscheibe endet. Aufgrund des guten Erhaltungszustandes kann man die aufwendige Gestaltung des Lederbandes erkennen. Das Band wurde zunächst durchlocht und dann zusätzlich mit Fäden durchflochten. An verschieden Stellen wurden außerdem noch Bronzebeschläge als Verzierungen hinzugefügt.

Ein Projekt, das weitere nach sich zieht
Ein besonders aufschlussreicher Aspekt des Projekts ist der sorgfältig abgewogene Umgang mit den Funden. Was zunächst als konventionelle Ausstellungsaufbereitung begann, entwickelte sich rasch zu einer komplexen konservatorischen Herausforderung. Viele der organischen Materialien erwiesen sich als zu fragil, um sie ohne wissenschaftliche Verluste zu präsentieren. Sie müssen daher zunächst untersucht werden, bevor man die Metallobjekte bearbeiten und erforschen kann. Die Schauseite der Fibel etwa – ein zentrales Fundstück – kann nicht komplett freigelegt werden, da sich auf ihrer Oberfläche u. a. noch menschliche Hautreste und umfangreiche textile Reste erhalten haben, die wertvolle Hinweise beinhalten können. Neben fein gearbeiteten Textilien mit Saumkanten zählt dieser außergewöhnlich gut erhaltene Fund zu den seltenen Befunden, die künftig vielleicht sogar genetische Analysen ermöglichen könnten.
Solche Funde verdeutlichen eindrucksvoll, wie entscheidend restauratorische Weichenstellungen für den Erkenntnisgewinn und die langfristige Bewahrung des kulturellen Erbes sind. Sie führen vor Augen, dass archäologische Arbeit weit über das Sichtbare hinausreicht – und gerade in der wissenschaftlich fundierten Zurückhaltung ihren Wert entfaltet.