07.09.2021

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Manches ist für immer verloren

Ein Blick auf den oberen Campus der Universität Kapstadt. Die 200 Jahre alte Jagger-Bibliothek ist nach dem Brand zerstört. Foto: Wikimedia Commons/Adrian Frith

Ein Blick auf den oberen Campus der Universität Kapstadt. Die 200 Jahre alte Jagger-Bibliothek ist nach dem Brand zerstört. Foto: Wikimedia Commons/Adrian Frith

Das im April 2021 tageslang wütende Feuer am Tafelberg hat viel zerstört. An der Universität Kapstadt werden die Schäden nun sichtbar. Sehr seltene historische Dokumente sind verbrannt

Ein Blick auf den oberen Campus der Universität Kapstadt. Die 200 Jahre alte Jagger-Bibliothek ist nach dem Brand zerstört. Foto: Wikimedia Commons/Adrian Frith
Ein Blick auf den oberen Campus der Universität Kapstadt. Die 200 Jahre alte Jagger-Bibliothek ist nach dem Brand zerstört. Foto: Wikimedia Commons/Adrian Frith

Feuer im Dachstuhl des Lesesaals

Die Universität Kapstadt liegt am Fuße des Tafelberges. Hier, in der Jagger Library, befand sich eine der ältesten, wenn nicht die älteste Büchersammlung Südafrikas. Es gab eine Fülle einmaliger Quellen zur afrikanischen Geschichte, auch reiche Ton- und Bilddokumente aus neuerer Zeit. Allein der Bestand an Büchern und Zeitschriften wurde mit etwa 85.000 Stück beziffert; darunter befanden sich viele Drucke aus der Zeit vor 1925.

Aber am 20. April 2021 war im Dachstuhl des Lesesaals ein Feuer ausgebrochen. Alles stand in Flammen. Auslöser war ein Buschbrand, der bereits seit dem 18. April gewütet hatte. Der Lesesaal der Bibliothek und alles, was darin war, fiel den Flammen zum Opfer. „Da ist nichts mehr übrig geblieben außer ein paar verkohlten Büchern“, berichtet Diplom-Papier-Restauratorin Tina Löhr.

Löhr lebt und arbeitet in Köln, sie ist spezialisiert auf die Rettung von Büchern und Dokumenten. Unter anderem war sie an der Bergung der Schätze des Kölner Stadtarchives beteiligt, das 2009 in Folge von Bauarbeiten eingestürzt ist. Am 20. April erfuhr sie aus den Nachrichten, dass – rund 10.000 Kilometer von Köln entfernt – eine der bekanntesten und kostbarsten Bibliotheken des afrikanischen Kontinents in Flammen stand. In dem Moment, als sie die Bilder des Brandes in den Medien sah, wusste sie, dass sie helfen musste. Löhr nahm Kontakt zu einem Kollegen auf.

Vor zwanzig Jahren hatte sie in Südafrika in der Stadt Durban ein Praktikum bei Dale Peters, einem Restaurator, absolviert. Sie fragte, ob sie gebraucht werde. Peters’ Antwort lautete: Ja, unbedingt. „Du weißt selbst, wie wenige Restauratoren wir haben.“ Fünf Tage später stand Tina Löhr in Kapstadt. Zwei Stunden nach ihrer Ankunft wurde sie von einer Kollegin abgeholt. Auch Mary Minicka ist Restauratorin und ebenfalls spezialisiert auf Papier.

„Ich habe direkt mitangepackt“

Löhr und Minicka waren nun die einzigen Papierrestauratorinnen vor Ort. „Ich habe direkt mitangepackt. Da wurde nichts groß besprochen, kein Lageplan gemacht. Ich kam an, wurde vorgestellt und habe mir Arbeit gesucht“, erzählt Tina Löhr. Fachleute und Freiwillige in Kapstadt waren zu dem Zeitpunkt schon einige Tage mit den Bergungsarbeiten beschäftigt, die Abläufe gut organisiert. Vor Ort herrschte gute Stimmung, so Löhr. „Alle waren total engagiert, jeder hat Einsatz gezeigt.“

Das Löschwasser ist aus dem Lesesaal im Erdgeschoss in den Keller gelaufen, dort lagerten die Bestände, in ganz normalen Archivregalen oder Schränken. Innerhalb von Tagen würde es zu schimmeln beginnen. Es bestand also akuter Handlungsbedarf. Erste-Hilfe-Maßnahme bei Wasserschäden: Einfrieren. „Damit erkauft man sich Zeit“, so Löhr. Die Universität hatte bereits Schiffscontainer aufgebaut, die als Kühllager fungierten. „Wissen, wo man Dinge einfrieren kann, das gehört zu jedem Notfallplan in einem Archiv dazu.“

Ausbildung für mehr Restaurator:innen in Südafrika

Besonders wertvolle Stücke waren für Löhr die ersten historischen Bebauungspläne von Kapstadt. Sie hielt auch einen ganzen Reisekoffer in der Hand, vollständig durchnässt, in dem Skizzen und Zeichnungen eines Künstlers aufbewahrt worden waren. Die wichtigsten Stücke brachte sie in das Restaurierungszelt, in dem Minicka sich daran machte, die Papiere zu retten. Kolleg:innen aus den Vereinigten Staaten und den Niederlanden standen mit Rat in einer Online-Gruppe zur Seite. Nach einer Woche musste Tina Löhr wieder abreisen. Es wird drei bis vier Jahre dauern, die Sammlung wieder aufzubauen.

„Es kommt natürlich auch auf die Kapazitäten an. Wenn dort nur eine Restauratorin sitzt, dann kann das auch sechs, sieben Jahre in Anspruch nehmen“, meint Löhr. Das Löschwasser hat viele Bücher angegriffen – sie müssen nun trocknen und Stück für Stück restauriert werden. Der Wiederaufbau des Archivs soll dazu genutzt werden, mehr Restaurator:innen in Südafrika auszubilden. „So kann aus dieser schrecklichen Katastrophe noch etwas Nützliches erwachsen“, sagt Mary Minicka.

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