20.10.2022

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Management und Marketing des Kulturerbes als Forschungsschwerpunkt

PD Dr. Izabella Parowicz: Management und Marketing des Kulturerbes als Forschungsschwerpunkt. Foto: Adam Czerneńko
PD Dr. Izabella Parowicz: Management und Marketing des Kulturerbes als Forschungsschwerpunkt. Foto: Adam Czerneńko

Existenzgründer:innen in der Restaurierungsbranche haben Marketing nicht gleich auf ihrer Agenda. Es gilt als notwendiges Übel, dabei ist Eigenwerbung dringend geboten, um sich einen Kundenstamm aufzubauen. RESTAURO sprach mit PD Dr. Izabella Parowicz, seit 2009 Koordinatorin des weiterbildenden Masterstudiengangs Schutz Europäischer Kulturgüter an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder), über ihre Forschungen zu diesem Thema. Und sie erklärt, wie sie Studierenden beibringt, kundenorientierte Angebote für Kultureinrichtungen zu gestalten: Management und Marketing des Kulturerbes


Forschungsschwerpunkte: Management und Marketing des Kulturerbes

RESTAURO: Was sind Ihre Forschungsschwerpunkte? 

PD Dr. Izabella Parowicz: Mein erster Forschungsschwerpunkt ist Management und Marketing des Kulturerbes, insbesondere im Marketing von Restaurierungsdienstleistungen. Während der Fertigstellung meiner Doktorarbeit im Bereich der Ökonomie des kulturellen Erbes verbrachte ich über ein Jahr am Malta Centre for Restoration/Heritage Malta, wo ich im Conservation and Restoration Projects Management Office arbeitete. Dort fungierte ich als Verbindungsperson zwischen den Restauratoren von Heritage Malta und Privatpersonen, die ihre wertvollen historischen Gegenstände zur Restaurierung brachten. 

RESTAURO: Welche Erfahrungen haben Sie dort gemacht?

PD Dr. Izabella Parowicz: Ich beobachtete eine wachsende Frustration seitens der Restauratoren, die sich in ihren Bemühungen zu Unrecht gehetzt fühlten, sowie Verwirrung und Besorgnis seitens ihrer Kunden, die das Gefühl hatten, dass die beauftragte Behandlung verdächtig lange dauere oder ihnen nicht ausreichend erklärt werde. Ich erkannte, dass die Kommunikation zwischen Restauratoren und Eigentümern historischer Objekte manchmal mit Missverständnissen auf beiden Seiten belastet war. Dann entdeckte ich überraschenderweise, dass die Frage der Vermarktung von Dienstleistungen im Restaurierungsbereich (bei der eine wirksame Kommunikation von entscheidender Bedeutung ist!) noch von keinem Forscher auf diesem Gebiet umfassend aufgegriffen worden war. 

RESTAURO: Wie haben Sie diese Erkenntnisse genutzt?

PD Dr. Izabella Parowicz: Im Rahmen von zwei aufeinanderfolgenden Marie Skłodowska-Curie Postdoktoranden-Stipendien der Europäischen Kommission durfte ich dann meine Forschung in diesem Bereich im Rahmen eines Habilitationsvorhabens verwirklichen. Zunächst verbrachte ich zwei weitere Jahre in Malta, um den dortigen Restaurierungsmarkt zu untersuchen. Ich befragte 15 örtliche Restauratoren, 90 bisherige Nutzer von Konservierungsdienstleistungen und 514 Personen aus der breiten Öffentlichkeit. Ihre Ansichten halfen mir, sich ein Bild von der Angebots- und Nachfrageseite des maltesischen Restaurierungsmarktes zu machen und einen theoretischen Rahmen für die Vermarktung von diesen Dienstleistungen zu entwickeln. 

RESTAURO: Was war der nächste Schritt?

PD Dr. Izabella Parowicz: Anschließend dehnte ich meine Untersuchung auf die ganze Welt aus. 484 Restauratorinnen aus 54 Ländern nahmen an meiner umfangreichen Online-Umfrage teil. Die Ergebnisse vertieften mein Verständnis der Restaurierungsbranche aus Sicht des Marketings. Sie halfen mir auch zu verstehen, warum Restauratoren dem Marketing oft skeptisch gegenüberstehen, obwohl sie es – manchmal unbewusst, aber oft erfolgreich – in ihrer täglichen Praxis anwenden: Der Grund dafür ist, dass das, was normalerweise als Marketing wahrgenommen wird (z. B. Werbung), kaum oder gar nicht auf Restaurierungsdienstleistungen anwendbar ist, während andere Aspekte wie Zuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit, Freundlichkeit und aufmerksame Kundenbetreuung, die für die meisten Restauratoren selbstverständlich sind, von ihnen nicht immer als Marketinginstrumente erkannt werden. 

RESTAURO: Wo kann man sich über die Ergebnisse informieren?

PD Dr. Izabella Parowicz: Aus meiner Forschung ist ein Buch hervorgegangen, das Dienstleistungen im Restaurierungsbereich aus der Perspektive des Beziehungsmarketings erörtert und insbesondere die Bedeutung von Aufbau und Pflege guter Geschäftsbeziehungen zwischen Restauratoren und Eigentümern historischer Objekte hervorhebt. Es bietet eine Reihe von Grundsätzen, die erläutern, wie Dienstleistungen im Bereich der Denkmalpflege auf effektive Weise vermarktet werden können.

RESTAURO: Verfolgen Sie noch andere Forschungsansätze?

PD Dr. Izabella Parowicz: Mein zweiter Forschungsschwerpunkt entstand aus meiner mehr als dreißigjährigen Leidenschaft für die Ahnenforschung, die ich nicht nur als persönliches Hobby betrachte, sondern auch als einen wichtigen Aspekt der Bewahrung des kulturellen Erbes. In den letzten Monaten habe ich eingehende Recherchen durchgeführt, in denen ich die Ergebnisse meiner eigenen genealogischen Forschung im Lichte der europäischen Sozial- und Politikgeschichte dargestellt habe. Das interessanteste der von mir recherchierten Themen betraf einen meiner direkten Vorfahren, der zwischen 1792 und 1824 Kreisphysikus in Schwiebus war und bereits 1801 begann, die örtliche Bevölkerung gegen Pocken zu impfen. Er war ein absoluter Pionier auf diesem Gebiet und einer der ersten impfenden Ärzte im damaligen Preußen und heutigen Polen, da die Entdeckung des ersten Impfstoffs der Welt weniger als drei Jahre zuvor in England bekannt gegeben worden war. Auf diese Weise konnte ich einen kleinen Beitrag zur Erschließung des medizinischen Erbes leisten.

RESTAURO: Was hat Sie bewogen, sich detailliert in Ihre Familiengeschichte zu vertiefen?

PD Dr. Izabella Parowicz: Es wird weltweit immer mehr Wert auf unbekanntes – materielles und immaterielles – Erbe gelegt, das verloren ginge, wenn es nicht von einzelnen Familien bewahrt und erschlossen würde. Das Familienerbe ist zudem ein Grundpfeiler der menschlichen Identität. In der jüngeren Generation gibt es so viele Menschen mit Migrationshintergrund. Sie fragen sich oft: “Woher komme ich und wer bin ich eigentlich?” Sich seines Familienerbes bewusst zu sein und das Schicksal seiner Vorfahren zu erforschen, hilft oft bei der Entdeckung und Definition der eigenen Identität. Deshalb versuche ich, das Interesse an der Genealogie bei den Studierenden zu wecken, und gebe seit vier Jahren regelmäßig ein Seminar mit dem Titel „Einführung in die Familien- und Ahnenforschung in Polen“. Die Teilnehmenden, die in einem einzigen Semester manchmal bis zu zwei Jahrhunderte in ihrer Ahnenforschung zurückgehen können, reagieren darauf mit großer Befriedigung und Freude; oft beziehen sie ihre gesamte Familie in die Suche ein.

Lesen Sie weiter in der RESTAURO-Ausgabe 7/2021, Schwerpunkt Kulturerbe und Management.

PD Dr. Izabella Parowicz schloss ihr Masterstudium in Internationalen Beziehungen an der Wirtschaftsuniversität Poznan ab und wechselte dann an die Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder), wo sie den weiterbildenden Masterstudiengang Schutz Europäischer Kulturgüter absolvierte. In ihrer Dissertation befasste sie sich mit der Effektivität der Finanzierung von baudenkmalpflegerischen Maßnahmen. Sie verbrachte drei Jahre in Malta, wo sie zunächst als Assistentin der Leiterin von Restaurierungsprojekten am Malta Centre for Restoration/Heritage Malta arbeitete und dann ein Postdoktorandenstipendium der Europäischen Kommission an der University of Malta wahrnahm. Seit 2009 ist sie Koordinatorin des weiterbildenden Masterstudiengangs Schutz Europäischer Kulturgüter an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Im Jahr 2015 verteidigte sie ihre Habilitationsschrift über das Marketing von Restaurierungsdienstleistungen.

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