Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen stehen vor einem personellen Umbruch: Generaldirektor Bernhard Maaz hat seinen Posten nach intensiven Diskussionen über den Umgang mit NS-Raubkunst sowie weiteren Vorwürfen geräumt. Kunst- und Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) sprach von einem notwendigen „Neuanfang“ und betonte zudem die Bedeutung einer transparenten Provenienzforschung. Es wurde außerdem angekündigt, dass eine ehemalige Staatsanwältin eine interne Untersuchung leiten werde, um die erhobenen Vorwürfe zu prüfen.

Kritik an der Provenienzforschung
In den vergangenen Wochen gerieten die Staatsgemäldesammlungen, zu denen auch die renommierten Pinakotheken in München gehören, verstärkt in die Kritik. Nachfahren jüdischer Kunstsammlerinnen und -sammler und deren Rechtsvertreterinnen und -vertreter warfen der Institution mangelnde Transparenz und Verzögerungen bei der Aufarbeitung von NS-Raubkunst vor. Sie forderten eine zügigere und offenere Kommunikation hinsichtlich der Herkunft von Kunstwerken. Der Umgang mit belasteten Kunstwerken sei nicht ausreichend dokumentiert worden, was Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Bemühungen zur Restitution weckte.
Interne Hinweise auf Versäumnisse
Laut Berichten der SZ gab es bereits vor Jahren innerhalb der Staatsgemäldesammlungen Hinweise auf Defizite in der Provenienzforschung. Ein internes Dokument aus dem Jahr 2022, verfasst von zwei stellvertretenden Direktoren, kritisierte den Umgang mit NS-Raubkunst und forderte Verbesserungen. Ob dieses Schreiben jedoch jemals die Leitungsebene erreichte, bleibt unklar. Die mangelnde Transparenz der Abläufe wurde sowohl von internen als auch externen Fachleuten bemängelt.
Maßnahmen für einen Neuanfang
Als Reaktion auf die Vorwürfe leitete Kunstminister Blume personelle Veränderungen ein. Bernhard Maaz wird künftig am Zentralinstitut für Kunstgeschichte tätig sein. Interimistisch übernimmt Anton Biebl, ehemaliger Münchner Kulturreferent, die Leitung der Staatsgemäldesammlungen. Blume betonte die Notwendigkeit, das Vertrauen in die Institution durch transparente und konsequente Provenienzforschung wiederherzustellen. Zudem kündigte er eine grundlegende strukturelle Neuordnung innerhalb der Staatsgemäldesammlungen an.
Interne Untersuchung
Zusätzlich zu den personellen Veränderungen kündigte Minister Blume eine interne Untersuchung an, um die Vorwürfe des Fehlverhaltens und Organisationsversagens innerhalb der Staatsgemäldesammlungen zu klären. Diese Untersuchung solle von einer ehemaligen Staatsanwältin geleitet werden. Blume betonte, dass es Hinweise auf verschiedene Probleme gebe, wobei der Umgang mit Raubkunst nicht allein im Mittelpunkt stehe. Erste Ergebnisse der Untersuchung werden für den Sommer erwartet.
Neben den bereits bekannten Kritikpunkten gibt es zusätzliche Vorwürfe gegen Bernhard Maaz. Diese beziehen sich auf mögliche Versäumnisse und Fehlverhalten in der Organisationsstruktur der Staatsgemäldesammlungen. Die genaue Natur dieser Vorwürfe wurde zunächst nicht detailliert öffentlich gemacht, jedoch sollen sie im Rahmen der angekündigten internen Untersuchung umfassend geprüft werden. Kritiker bemängeln insbesondere mangelnde Kommunikation und Transparenz in der Leitung der Institution. Nach Informationen des Deutschlandfunk soll es sich bei den Vorwürfen um sexuelle Belästigung Minderjähriger und auch rassistischer Belästigung handeln. Zudem sei es zu missbräuchlicher Nutzung der Videoanlage in den Museumsräumen gekommen, um Mitarbeitende einer Verhaltenskontrolle zu unterziehen. Auch Datenschutz- und Sicherheitsvorschriften sollen missachtet worden sein. Zu diesen Vorwürfen komme noch hinzu, dass die Sicherheit der Kunstwerke nicht gewährleistet sei. Im Bericht war die Rede von mindestens einem Haus der BStGS in dem eine Fremdfirma, die für die Sicherheit zuständig sei, während der Kontrollgängen auch Zugang zu den Depoträume gehabt habe. Ebenfalls brisant: originalgetreue Kopien von deutschen Blanko-Reispässe, die für ein Objekt in einer Ausstellung hergestellt worden waren, sollen an Mitarbeitende verteilt worden sein, nachdem die Kopien aus Lagerräumen gestohlen worden waren.
Kunstminister Blume stellt Maßnahmenpaket „Vertrauen zurückgewinnen, Verantwortung leben“ vor
Kunstminister Markus Blume präsentierte im Rahmen einer Pressekonferenz in der Pinakothek der Moderne in München ein fünfteiliges Maßnahmenpaket für Bayerns Kunstmuseen und Kunstsammlungen. Er bilanzierte zudem die bisherigen Schritte zur Wiederherstellung des Vertrauens. „Es gibt Themen und es ist ein Vertrauensschaden entstanden. In staatlichen Museen und Sammlungen darf nicht der geringste Zweifel an Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit bestehen. Mit einem Maßnahmenpaket wollen wir Vertrauen zurückgewinnen und Verantwortung leben“, erklärte Blume zur Debatte um Provenienzforschung und Restitutionspraxis in Bayern.
Laut Blume wurde bereits Transparenz hergestellt, die Umstellung der kritisierten Datenbanken auf DZK-Standards eingeleitet, die Anzahl der Meldungen bei Lostart erhöht und intensive Gespräche mit Opferverbänden und Interessensgruppen geführt. Dennoch sei eine Vertrauenskrise entstanden, die weitergehende Maßnahmen erforderlich mache.
Fünfteiliges Maßnahmenpaket für Bayerns Kunstmuseen und -sammlungen
Blume betonte, dass die Aufklärung und der Neuanfang in den Staatsgemäldesammlungen mit der bereits begonnenen Museumsoffensive der Kulturagenda Bayern verzahnt werde. Ziel sei es, die bayerischen Museen und Sammlungen vorbildhaft weiterzuentwickeln. Der Neuanfang werde durch Anton Biebl begleitet, der die interimistische Leitung der Staatsgemäldesammlungen übernimmt. Blume lobte Biebls Erfahrung als Behördenleiter und zeigte sich überzeugt, dass er für diese Aufgabe bestens geeignet sei.
Biebl selbst erklärte: „Ohne einen grundlegenden Neuanfang bei den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen wird die Museumsoffensive nicht die beabsichtigten Ziele erreichen können. Deshalb ist es erforderlich, die Zielvorstellungen der Museumsoffensive an die aktuellen Entwicklungen anzupassen und die Verantwortung für den Neuanfang bei den BStGS neu zu verteilen. Hierfür stehe ich als interimistischer Leiter der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen zur Verfügung und danke für das Vertrauen, das in mich gesetzt wird.“
Blume dankte zudem Bernhard Maaz für seine Verdienste während seiner zehnjährigen Amtszeit und erinnerte an zahlreiche erfolgreiche Ausstellungen. Gleichzeitig rief er dazu auf, die Krise als Chance für einen Neubeginn zu nutzen. Mit dem heutigen Tag beginne für die Staatsgemäldesammlungen und die bayerischen Museen ein neues Kapitel.
Vertrauen zurückgewinnen
Zum Erreichen dieser Ziele soll auch eine externe Untersuchung durchgeführt werden. Die Leitung dieses Teams wird die renommierte Provenienzforscherin Meike Hopp übernehmen. Blume verdeutlichte seinen Willen indem er mitteilte: „Wir werden schonungslos aufklären. Wir müssen aber auch Schlüsse ziehen, die über die Staatsgemäldesammlungen hinausgehen und dafür auf unterschiedlichen Ebenen ansetzen. Deshalb verzahnen wir die Aufklärung und den Neuanfang in den Staatsgemäldesammlungen mit der bereits begonnenen Museumsoffensive der Kulturagenda Bayern und holen auch externen Rat ein. Unser Ziel sind vorbildhafte bayerische Museen und Sammlungen. Wir wollen gestärkt aus der Krise hervorgehen.“
Die jüngsten Entwicklungen unterstreichen die Bedeutung einer umfassenden und transparenten Aufarbeitung der Herkunft von Kunstwerken in öffentlichen Sammlungen. Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen stehen vor der Herausforderung, durch strukturelle Reformen und offene Kommunikation das Vertrauen der Öffentlichkeit und der Nachfahren der ursprünglichen Eigentümer zurückzugewinnen. Die Ergebnisse der Untersuchungen und die daraus resultierenden Maßnahmen werden entscheidend dafür sein, wie die Institution in Zukunft wahrgenommen wird.
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Fotos:
Abb. 1: Foto: Bayerische Staatsgemäldesammlungen,
Haydar Koyupinar (Pinakotheken),
CC BY-SA 4.0, via: Wikimedia Commons
Abb. 2: © Axel König/StMWK