25.11.2014

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Kunstmuseum Bern nimmt Gurlitt-Erbe an

hier ein Blick in das Depot. Foto: Dominique Uldry

Das Kunstmuseum Bern nimmt das Gurlitt-Erbe an – NS-Raubkunst bleibt in Deutschland und muss dort erforscht und restituiert werden

Nach monatelangen Beratungen und Verhandlungen hat das Kunstmuseum Bern das Erbe des Kunsthändlersohnes Cornelius Gurlitt angenommen. Das verkündete es am Montag in Berlin gemeinsam mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters und Winfried Bausback, dem Bayerischen Staatsminister der Justiz. Berlin war mit Bedacht gewählt, denn die Verbindung des Berner Museums zu Deutschland wird nicht abreißen. Zumindest in den kommenden Jahren nicht, denn Bern übernimmt nur die Werke, auf denen kein Raubkunstverdacht lastet. „Über die Schwelle des Kunstmuseums Bern kommen generell keine Werke, die sich als Raubkunst erweisen oder mit hoher Wahrscheinlichkeit als Raubkunst einzustufen sind“, sagte Christoph Schäufelin, Präsident des Stiftungsrates des Kunstmuseums Bern. Und ergänzte: „Solche Werke kommen nicht auf Schweizer Boden.“

Um diese Werke, um ihre Erforschung und Rückgabe kümmert sich weiterhin die dafür extra eingerichtete Taskforce Schwabinger Kunstfund. Sie soll auch die Werke aus dem Salzburger Haus des Kunsthändlersohnes erforschen. So sieht es die mehrseitige Vereinbarung, die das Berner Museum, die Kulturstaatsministerin und der Freistaat Bayern unterschrieben haben, vor.

Nachdem die Vereinbarung unterzeichnet wurde, werden die ersten drei als Raubkunst identifizierten Werke an die rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben, kündigte Grütters an. Es handele sich um Max Liebermanns „Zwei Reiter am Strand“, Henri Matisse’„Sitzende Frau“und die Zeichnung „Das Klavierspiel“von Carl Spitzweg. Die Provenienzberichte sind jetzt auf lostart.de nachlesbar.

Weiterhin wurde vereinbart, dass im Laufe des Jahres 2015 zu allen Werken mit Raubkunstverdacht ein Provenienzbericht oder ein Bericht über den Stand der Forschungen vorgelegt wird. Bei eindeutigem Raubkunstverdacht werde der Bericht auf der Internetseite www.lostart.de veröffentlicht und das Werk restituiert. Alle diese Forschungen werden von Deutschland finanziert. Das Berner Museum will eine eigene Stelle zur Erforschung der Geschichte der Sammlung einrichten.

Da der Vater von Cornelius Gurlitt als einer von vier Kunsthändlern Hitlers mit „Entarteter Kunst“, die aus deutschen Museen entfernt wurde, handeln durfte, befinden sich im Nachlass auch Werke aus diesen Museen. Sie gehen in den Besitz des Berner Museums über. Zu Ausstellungszwecken können sie nach Deutschland geliehen werden. Das gilt aber nur für „Entartete Kunst“ohne Raubkunstverdacht. Ist ein Werk außerdem als Raubkunst identifiziert worden, bleibt es – wie alle Raubkunst – in Deutschland, wird erforscht und restituiert.

Die Datenbank www.lostart.de dürfte in nächster Zeit häufiger im Internet aufgerufen werden, denn auch die Geschäftsbücher des Kunsthändlers werden dort veröffentlicht. Sie bleiben als Gesamtkonvolut in Deutschland, werden Forschern zugänglich gemacht und im deutschen Bundesarchiv verwahrt.

„Im Grunde stehen wir jetzt nicht am Ende, sondern am Anfang eines langen Weges, den wir gemeinsam abschreiten wollen“, sagt Christoph Schäufelin. Es wird stark von der Kompetenz und der Geschwindigkeit einer komplizierten, langwierigen und oft langsamen Provenienzforschung in Deutschland abhängen, wie lang und erfolgreich dieser Weg wird.

Die allseits demonstrierte Zufriedenheit nach monatelangen Verhandlungen störte nur einer. Winfried Bausback, Bayerischer Justizstaatsminister, erinnerte daran, dass sich in Deutschland private Besitzer von NS-Raubkunst noch immer auf Verjährung berufen können. Deshalb habe er vor einem Jahr einen Gesetzentwurf für ein „Kulturgut-Rückgewähr-Gesetz“vorgelegt. Bausback beklagte, dass es bisher weder einen Alternativvorschlag gab, noch das eingebrachte Gesetz verabschiedet wurde.

Restauro hat bereits über die Provenienzforschung zur Guarneri-Geige berichtet und das Thema Restitution ausführlich in der Restauro 1 (2014) behandelt.

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