01.07.2025

Branchen-News

Kunstmarkt Naher Osten

Der Kunstmarkt expandiert in den Nahen Osten. Ab 2026 hat die Art Basel einen Ableger in Doha, Katar. Foto: Kenny auf Unsplash
Der Kunstmarkt expandiert in den Nahen Osten. Ab 2026 hat die Art Basel einen Ableger in Doha, Katar. Foto: Kenny auf Unsplash

Kapital, Kunst, Konflikte – die Golfstaaten definieren den Kunstmarkt neu. Mit spektakulären Museumsbauten, milliardenschweren Sammlungen und international beachteten Messen drängt die Golfregion ins Zentrum des globalen Kunsthandels. Zwischen geopolitischem Kalkül und kulturellem Aufbruch entsteht eine neue Drehscheibe, die nicht nur Kapital, sondern auch Deutungshoheit beansprucht.

Der internationale Kunstmarkt steht vor einer tektonischen Verschiebung. Mit dem wirtschaftlichen Aufstieg der Golfstaaten entwickelt sich der Kunstmarkt im Nahen Osten zu einem zentralen Player im globalen Kulturbetrieb. Auktionshäuser wie Sotheby’s expandieren nach Saudi-Arabien, während die Art Basel für 2026 erstmals eine Ausgabe in Katar ankündigt. Dieser Trend birgt Chancen, wirft jedoch auch kritische Fragen auf – etwa zur kulturellen Nachhaltigkeit, zur Rolle westlicher Museen und zur Bewahrung des kulturellen Erbes.


Strategische Expansion: Auktionen am Golf

Der Kunstmarkt im Nahen Osten profitiert von politischen Stabilitätsbestrebungen und massiven Investitionen in Kulturinfrastruktur. Saudi-Arabien plant etwa den Bau von mehr als 100 Museen bis 2030. Wie das Wall Street Journal berichtet, kündigte Sotheby’s an, künftig Auktionen in Riad abzuhalten – ein Novum für das traditionsreiche Auktionshaus. Anfang diesen Jahres war es dann soweit: Im Februar fand die erste Auktion in Riad, durchgeführt von Sotheby’s statt. Der Erlös lag nach Angaben des Auktionshauses bei 17,3 USD. Versteigert wurden unter anderem Werke von René Magritte, Banksy, Fernando Botero, James Turrell und Pablo Picasso. Neben Kunst kamen auch Schmuck, Luxushandtaschen und -uhren sowie Sport-Memorabilia.
Parallel wird ein kunsthistorisch geprägter Dialog mit einheimischen Kunstsammelnden gesucht. Diese neue Kundenschicht zeigt ein wachsendes Interesse an westlicher Moderne und islamischer Kunst gleichermaßen.


Art Basel in Doha: Symbol für einen Paradigmenwechsel

Auch weitere Akteure des Kunstmarkts wollen an dem Erfolg teilhaben. Schon längere Zeit wurde vermutet, dass die Art Basel einen Ableger im Nahen Osten plant. Im Mai dieses Jahres verkündeten die Messeverantwortlichen dann die Expansion. Mit der geplanten Ausgabe der Art Basel in Katar setzt die Messe einen klaren Fokus auf den Kunstmarkt Naher Osten. Die Entscheidung für Katar steht exemplarisch für die kulturelle Offensive der Region. Laut der offiziellen Pressemitteilung von Art Basel wird die Messe 2026 erstmals in Doha stattfinden – ein Signal für die langfristige kulturelle Positionierung des Landes. Institutionen wie das Museum of Islamic Art in Doha oder Mathaf: Arab Museum of Modern Art in Katar gehören längst zu den bedeutendsten Sammlungsorten außerhalb Europas.


Konsequenzen für Museen, Restaurierende und Wissenschaft

Die globale Verschiebung der Marktzentren bringt logistische und konservatorische Herausforderungen mit sich. Restauratoriende stehen vor neuen Klimabedingungen, ungewohnten Materialanforderungen und wechselnden Transportrouten. Wie ICOM International in einem Konferenzbeitrag hervorhob, stellt das heiße Wüstenklima erhebliche Anforderungen an die präventive Konservierung. Museen müssen sich auf längere Leihfristen, neue Versicherungsbedingungen und kulturelle Sensibilitäten einstellen. Provenienzforschende wiederum müssen neue Sammlungsbiografien nachvollziehen und dokumentieren.


Politische Dimensionen und ethische Fragen

Kritikerinnen und Kritiker blicken mit Unbehagen auf die Expansion in die Golfregion. Sie werfen den Ländern mangelnde Meinungsfreiheit und kulturelle Instrumentalisierung vor. Wie die Financial Times analysiert, gehen die kulturellen Ambitionen Saudi-Arabiens auch mit geopolitischen Interessen einher. Der Kunstmarkt Naher Osten steht damit vor einem Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher Dynamik und kultureller Verantwortung. Die Frage bleibt, wie westliche Institutionen ihre ethischen Standards in der Zusammenarbeit bewahren können.


Neuausrichtung mit Nebenwirkungen

Der Kunstmarkt Naher Osten ist keine Randnotiz mehr, sondern Motor einer globalen Repositionierung. Für Restaurierende, Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker sowie Museumspraktikerinnen und -praktiker bedeutet dies: neue Netzwerke, neue Herausforderungen, neue Chancen. Wer den Markt verstehen will, muss die kulturelle Agenda am Golf ernst nehmen – und kritisch begleiten.

 

Weiterlesen: Die Cultura Suisse zieht 2026 um. 

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