13.07.2025

Ausstellungen

„Kunstkammer der Gegenwart“

Die Skulptur „Of Whales in Paint; in Teeth; in Wood; in Sheet Iron; in Stone; in Mountains; in Stars“ von Frank Stella schmückt die Englische Treppe. © SKD

Modular und flexibel: Für die barocke Fürstengalerie im Dresdner Residenzschloss schuf der Designer Konstantin Grčić eine industriell anmutende Ausstellungsarchitektur. Die „Kunstkammer Gegenwart“, die überwiegend Werke der Sammlung Hoffmann zeigt, bewegt sich zwischen Ausstellungsraum und Depot. Dabei gibt sie auch Einblick in die Arbeit der Restauratoren: In einer offenen Werkstatt können die Besucher Franziska Klinkmüller und ihren Kollegen über die Schulter schauen.


Effizienz statt Schönheit

Als die Sammlung Hoffmann 2018 als Schenkung an die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) ging, war die Freude groß. Immerhin umfasst das Konvolut 1.200 Werke von den 1910er-Jahren bis in die Gegenwart, darunter Namen wie Rebecca Horn, Sigmar Polke oder Jean-Michel Basquiat. Doch an die Schenkung war auch die Bedingung gebunden, auf einen zentralen Museumsneubau zu verzichten. „Erika Hoffmann wollte eine Dynamik, ein dezentrales Modell, sie wollte, dass die Menschen in Kontakt kommen mit internationaler Gegenwartskunst und darüber auch Inspiration für ihr Leben bekommen“, erklärt Marion Ackermann, Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Im Austausch mit der Sammlerin Erika Hoffmann entstand die Idee, in der ehemaligen Fürstengalerie des Residenzschlosses eine „Kunstkammer Gegenwart“ zu errichten. Für die Ausstellungsarchitektur des 30 Meter langen, schmalen Raums konnte die Stiftung den renommierten Designer Konstantin Grčić gewinnen. Um der Sammlung einen Depotcharakter zu verleihen, setzte der Inhaber des Studio Konstantin Grcic Industrial Design auf Industrieelemente: „In einem Depot geht es nicht um Schönheit, sondern um Effizienz, das muss sich abbilden“.


Flexibel und konsequent minimalistisch

Dabei tastete Grcic die existierende Architektur nicht an. Vor eine mit roter Seide bespannte Wand setzte er eine vorgesetzte vertikale Zeile, die Kunstwerke unterschiedlichen Formats und Gewichts tragen kann: „Ein sehr flexibles System, aus dem man sich wie aus einem Baukasten immer wieder bedienen kann. Wir schaffen unseren eigenen Materialkreislauf, eine Art Teilelager.“ Die Farbe etabliere eine „Art Default-Modus“, neutralisiere das Rot der Wand, bilde aber auch für die Kunst einen objektiven Hintergrund. Die schwarzen, „eher herrschaftlichen“ Schieferplatten der Fürstengalerie sind nun von schwarzem Industriegummiboden bedeckt. Mit sei derartigem Minimalismus sei der Entwurf „logisch, pragmatisch, kompromisslos“, so der Designer. „Ästhetisch ist es ein Bruch“, bekennt Marion Ackermann, „aber das ist erstmal gut, denn Brüche sensibilisieren die Menschen“. Konstantin Grčić, akzentuiert es auf seine Weise. Ihm gehe es weniger darum, per se den Bruch mit dem Geist des Barocks zu inszenieren, als das Konzept der Wunderkammer in die Jetztzeit zu transformieren.

Umgang mit Kunst live erleben: Die SKD hat in der Kunstkammer Gegenwart auch eine Schauwerkstatt eingerichtet © SKD Oliver Killin

Update für ein barockes Konzept

Die historischen Kunstkammern der Spätrenaissance und des Barocks trugen eine Vielfalt an Objekten unterschiedlicher Herkunft und Bestimmung an einem Ort zusammen. Die Kunstkammer der Gegenwart hingegen, die im Dezember vergangenen Jahres eröffnete, gleicht Grčić zufolge eher einem Schaufenster, das den Blick in eine viel größere Sammlung freigibt.Alle drei Monate werden die Werke ausgetauscht und treten in Dialog mit Arbeiten aus anderen Sammlungen der SKD. In diesem Jahr lautet das Leitthema „Speichern, Erinnern, Verwandeln“. Entsprechende Leitfragen sind zum Beispiel „Was wird in Museen gespeichert?“ oder „Wie funktionieren Kunstwerke als Gedächtnis, als Behältnisse für das Flüchtige?“. Um die Besucher für die Besonderheiten im Umgang mit den fragilen oder ephemeren Materialien zeitgenössischer Kunst zu sensibilisieren, hat die SKD in der Kunstkammer Gegenwart eine Schauwerkstatt eingerichtet.


Restaurierung als Live-Erlebnis

Dass Restauratoren vor den Augen des Publikums arbeiten, ist kein Novum. Internationale Beachtung erweckte die sogenannte Operation Nachtwache im Rijksmuseum in Amsterdam. Vor den Augen des Publikums startete dort 2022 die Forschung und Restaurierung von Rembrandts Werk in einer gläsernen Kammer. „Neu ist vielmehr, dass wir diese Öffentlichkeit ganz bewusst suchen und für die Vermittlung konservatorischer Aspekte der Museumsarbeit nutzen“, sagt Dorotheé Brill, Leiterin der Sammlung Hoffmann. Im Bereich der Restaurierung zeitgenössischer Werke ist diese Art der Öffnung noch nicht sehr geläufig. Zu den Wegbereitern zählt hier ein Projekt von Carolin Bohlmann, die an der Akademie der bildenden Künste in Wien den Fachbereich Konservierung-Restaurierung moderner und zeitgenössischer Kunst leitet. Gemeinsam mit ihrem Team hatte sie am Hamburger Bahnhof die Restaurierung von Joseph Beuys‘ Arbeit „Richtkräfte für eine neue Gesellschaft“ prominent und öffentlich durchgeführt. Die Schauwerkstatt ist Teil eines neuen Vermittlungskonzeptes. „Insgesamt ist es doch zunehmend ein Anliegen von Museen, ihr Tun für die Öffentlichkeit transparenter, nachvollziehbarer zu machen, über jene Aspekte hinaus – wie das Ausstellen und die Kunstvermittlung –, die ohnehin öffentlich zugänglich sind“, so Brill.

Der Designer Konstantin GrČić hat die existierende Architektur bewusst nicht verändert. © SKD Klemens Renner
Steter Wandel ist Teil des Konzepts: Alle drei Monate werden die Exponate ausgetauscht. © SKD Klemens Renner

Schaufenster und Schulterblicke – transparente Museumsarbeit

„Wir wollen gerne vermitteln, wie Museen mit zeitgenössischen Werken vor dem Hintergrund des Anliegens, diese Werke langfristig zu bewahren, umgehen“, erläutert dazu die Sammlungsleiterin. „Was sind die Arbeitsprozesse, die hier anfallen? Was sind die Fragen, die hier vom Museum zu stellen und zu beantworten sind? Warum haben zeitgenössische Kunstwerke trotz ihres vergleichsweise blutjungen Alters dennoch Konservierungs- oder Restaurierungsbedarf?“
In Kooperation mit der Technischen Universität Dresden und der Hochschule für Bildende Künste (HfBK) Dresden hat die SKD einen Ansatz entwickelt, der die Besucher des Schaudepots aktiv einbezieht. Seit Februar führt die Restauratorin Franziska Klinkmüller durch die Schau. Sie erläutert, warum etwa Kunstwerke aus Lebensmitteln erhalten werden oder warum einige Objekte nicht abgestaubt werden dürfen.
Die Idee für diese restaurierungsspezifischen Rundgänge sei primär durch die Gespräche mit den Besuchern der Schauwerkstatt entstanden, so Klinkmüller. Zu Beginn der Tour gibt sie einen groben Überblick der Fachrichtung und erläutert die besonderen Aufgaben, die die Restaurierung von Gegenwartskunst mit sich bringt. Anhand ausgesuchter Objekte führt sie dann in die diversen Themenkomplexe ein.


Alternde Gegenwartskunst

Als Beispiel nennt sie den Umgang mit Eat Art, die Betreuung von Installations- und Medienkunstwerken, die Alterung von Kunststoffen, lichtempfindliche Farbstoffe, immaterielle Eigenschaften der Kunstwerke und die Patina als Teil der Werkästhetik. „Das Interesse an einer Beobachtung der Arbeitsprozesse wie auch am Austausch ist absolut groß“, zieht die Restauratorin Bilanz. Am Eingang der Schauwerkstatt befindet sich zudem ein Monitor, der einen kurzen Film in Dauerschleife zeigt. Die Besucher können hier die detaillierten Arbeitsschritte verfolgen. Der laufende Film wird Stück für Stück um weitere beendete Arbeitsschritte ergänzt bis am Ende die gesamte Restaurierung in Schnelldurchlauf zu sehen sein wird. Zusätzlich ist eine Kurzdokumentation zu den Projekten ausgelegt, die Informationen zu den Abläufen der Restaurierung und Konservierung liefert. So erhält das Publikum auch dann, wenn keiner der Restauratoren der SKD in der Schauwerkstatt arbeitet, eine Vorstellung von den Projekten.

Weiterlesen: Licht, Staub und Insekten sind ihr Feind: In der Königlichen Wandteppichmanufaktur De Wit in Mechelen werden antike Tapisserien restauriert, dank eines selbst entwickelten und patentierten Reinigungssystems.

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