05.02.2021

Ausstellungen Kunststück Museum

Kunst und Kapitalverbrechen

jeweils zweiteiligen Gipsabgüsse der Nürnberger Volckhamer-Reliefs von Veit Stoß. Foto: Bayerisches Nationalmuseum
war der Aufbau der

Die Schau „Kunst und Kapitalverbrechen. Veit Stoß, Tilman Riemenschneider und der Münnerstädter Altar“ im Bayerischen Nationalmuseum in München spürt in den kommenden Monaten dem Zusammenhang von Verbrechen und künstlerischer Praxis nach (bis 2. Mai 2021)

jeweils zweiteiligen Gipsabgüsse der Nürnberger Volckhamer-Reliefs von Veit Stoß. Foto: Bayerisches Nationalmuseum
Eine Herausforderung war der Aufbau der drei großen, jeweils zweiteiligen Gipsabgüsse der Nürnberger Volckhamer-Reliefs von Veit Stoß. Foto: Bayerisches Nationalmuseum, München/Matthias Weniger

Man müsste einmal eine Kunstgeschichte des Verbrechens schreiben. Aber nicht eine Geschichte der Kunstdiebstähle (die gibt es bereits), sondern eine Zusammenstellung derjenigen Künstlerkarrieren, die durch eine Straftat dieses Künstlers plötzlich einen anderen Verlauf genommen haben.

Wie wäre Caravaggios Leben verlaufen, wenn er 1606 seinen Kontrahenten im Duell NICHT getötet hätte und somit weiterhin als Günstling von Kardinälen und anderen hochrangigen Auftraggebern in Rom hätte bleiben können? Wie wäre die Musikgeschichte verlaufen, wenn Don Carlo Gesualdo, Fürst von Venosa, am 16. Oktober 1590 NICHT seine Frau und ihren Liebhaber in flagranti ertappt hätte und beide sogleich tötete? Wie hätte Francois Villon gedichtet, wenn er am 5. Juli 1455 in Paris NICHT einen Kleriker im Streit getötet hätte? Welche Zusammenhänge ergeben sich aus dem Verhältnis von Leben und Werk des Benvenuto Cellini, der nach eigenen Aussagen drei Morde beging und mit seinem „Perseus“ (der das bluttriefende Haupt der Medusa in der Hand hält) eine der bedeutendsten Bronzeplastiken der Kunstgeschichte schuf?

Joseph Beuys hat einmal geschrieben, Künstler und Verbrecher seien Weggefährten. „Beide sind ohne Moral, verfügen über eine verrückte Kreativität, nur getrieben von der Kraft der Freiheit.“ Man mag diese Aussage kritisieren, aber unbestreitbar ist ein Verbrechen ein eminent wichtiger Faktor in einer Künstlerbiografie. Durch ein Verbrechen und die daraufhin einsetzende Reue und Schaffenskrise kann möglicherweise ein Stilwechsel ausgelöst werden, der zu einer völlig neuartigen Kunstauffassung führt.

Eklatante Brüche im Lebensweg eines Künstlers können bedeutende Aufträge verhindern oder, im Gegenteil, erst ermöglichen. Wie im Falle des Münnerstädter Altars. Die aktuell leider aufgrund von Covid 19 geschlossene Ausstellung „Kunst und Kapitalverbrechen. Veit Stoß, Tilman Riemenschneider und der Münnerstädter Altar“ im Bayerischen Nationalmuseum in München spürt dem Zusammenhang von Verbrechen und künstlerischer Praxis nach.

Im Jahre 1503 fälschte der Nürnberger Bildhauer Veit Stoß einen Schuldschein. Dies wurde damals als Kapitalverbrechen betrachtet. Die kriminelle Tat wurde aufgedeckt, der Künstler eingekerkert und gebrandmarkt. Er verlor Ehre wie öffentliches Ansehen und floh aus Furcht vor noch härterer Bestrafung nach Münnerstadt am Rand der Rhön.

Normalerweise hätte ihn die Missetat den Kopf gekostet, die Brandmarkung war also eine Milderung der Strafe angesichts seiner künstlerischen Bedeutung. Aber er fand keine Gesellen mehr, sein Werkstattbetrieb kam fast zum Erliegen. In Münnerstadt kam er unversehens zu einem neuen Auftrag: Gemälde für die Flügel des 1490/92 vom Würzburger Bildschnitzer Tilman Riemenschneider für die Stadtpfarrkirche geschaffenen Altarretabels.

Farbenprächtig schildern diese Szenen die Legende des heiligen Kilian. Sie gelten als die einzigen Gemälde von Stoß und sind wohl lediglich entstanden, weil wegen der kriminellen Verfehlung des Künstlers in dieser Zeit andere Aufträge ausblieben. Um etwas zu verdienen, fertigte er auch, in kleiner Auflage, zehn Kaltnadel-Radierungen mit religiösen Motiven an. Es sind die einzigen von ihm erhaltenen Grafiken.

Im Zentrum des Altars befand sich die 190 Zentimeter große Holzskulptur der Maria Magdalena, deren nackter Körper fast vollständig von Haaren bedeckt ist. Seit 1901 zählt diese Arbeit Tilman Riemenschneiders zu den unbestrittenen Höhepunkten der Sammlung des Bayerischen Nationalmuseums in München.

Lesen Sie mehr über die Ausstellung „Kunst und Kapitalverbrechen. Veit Stoß, Tilman Riemenschneider und der Münnerstädter Altar“ in der RESTAURO 1/2021. Wir sprachen mit Ute Hack, Leiterin der Restaurierungsabteilung, über die Vorarbeiten der Schau, die noch bis zum 2. Mai 2021 in München zu sehen sein wird.

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