19.02.2021

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Kunst-Krimi aus Bad Kreuznach

Antikes Glas-Artefakt mit Palmwedel-Dekor aus der Sammlung Meijer. Foto: Sammlung Meijer

Antikes Glas-Artefakt mit Palmwedel-Dekor aus der Sammlung Meijer. Foto: Sammlung Meijer

Ein antikes Glasobjekt beschäftigte in den letzten Jahren viele internationale Wissenschaftler*innen. Eine umfangreiche archäometrische Untersuchung der Paz Laboratorien in Bad Kreuznach brachte schließlich die Sensation zutage: Das Objekt ist noch kostbarer als bisher eingeschätzt. Es stammt aus den -Anfängen der Glasherstellung

Antikes Glas-Artefakt mit Palmwedel-Dekor aus der Sammlung Meijer. Foto: Sammlung Meijer
Antikes Glas-Artefakt mit Palmwedel-Dekor aus der Sammlung Meijer. Foto: Sammlung Meijer

Groß ist die Faszination eines zerbrechlichen Gegenstands, der mehrere tausend Jahre überdauert hat und vom Niedergang einer Kultur erzählen kann. Geheimnisse wie diese sind es, die Sammler*innen antiker Objekte begeistern. Aus der bekannten niederländischen W. Arnold Meijer-Sammlung stammt ein kleines, längliches Glas-Artefakt mit Palmwedel-Dekor, das in den letzten Jahren viele Wissenschaftler*innen beschäftigte. Der Besitzer erwarb es 2001 auf einer Auktion in Amsterdam. 2006/07 war es in einer Sonderausstellung im Allard Pierson Museum, dem Archäologischen Museum der Universität Amsterdam, zu sehen. In der dazugehörigen Begleitpublikation wurde das außergewöhnlich schöne Stück fachkundig kommentiert (Ägypten, Neues Reich, um 1500 v. Chr).

Aufgrund der Behauptung eines Londoner Antikenhändlers, der die Authentizität des Objekts infrage stellte, veranlasste der Sammler eine umfangreiche archäometrische Untersuchung, die er bei den Paz Laboratorien in Bad Kreuznach durchführen ließ. Die wissenschaftliche Kooperation von Expert*innen aus unterschiedlichen Disziplinen der Archäologie, Restaurierung, Materialanalyse und Geologie brachte schließlich eine Sensation zutage: Das Objekt war sogar noch kostbarer als bisher eingeschätzt, es stammt aus den Anfängen der Glasherstellung überhaupt. Die ältesten Glas-Artefakte werden etwa 3.000 bis 4.000 Jahre v. Chr. datiert. Man entdeckte sie speziell in ägyptischen Königsgräbern. Hohlgläser galten als Statussymbol.

Boaz Paz, Leiter der Paz Laboratorien für Archäometrie in Bad Kreuznach, untersuchte das transluzente, dunkelblaue Glas-Artefakt zunächst mit der zerstörungsfreien Methode der Röntgenfluoreszenzanalyse. „Wir analysierten das Glasgefäß, die weiße, fadenförmige Verzierung und die farbigen Bestandteile. Aus den gewonnenen Daten konnten Rückschlüsse auf die verwendete Rezeptur der Glasherstellung, die Farbkomponenten und die Fluss- und Trübungsmittel gezogen werden. Neben der typischen Glaszusammensetzung und den metallischen Beimengungen zeigten sich Auffälligkeiten, die durch weitere quantitative Untersuchungen der inneren Glasmatrix geklärt werden mussten. Um zu vernünftigen Ergebnissen zu kommen“, führt der promovierte Chemiker weiter aus, „erfordert es interdisziplinäres Arbeiten.“

Der Besitzer glaubte an die Echtheit seines Objekts und erlaubte die Probenahme winziger Probenmengen von der Glasmatrix. „Nachdem wir diese genommen hatten, ließen wir sie von Kollegen im Geowissenschaftlichen Institut unter dem Rasterelektronenmikroskop untersuchen und machten anschließend die Auswertung der generierten Ergebnisse. Dabei stellten wir fest, dass das Glas – entsprechend den Ergebnissen aus der Oberflächenanalyse – Auffälligkeiten aufwies, die nicht den konventionellen ,Lehrbuchzusammensetzungen’ entsprechen. Es waren metallische Einschlüsse sichtbar, die man bei Glas zunächst nicht vermuten würde.“ Über die Zusammenarbeit mit anderen Forschergruppen und mithilfe unterschiedlicher Literaturquellen konnten wichtige Hinweise erhalten werden, die den technologischen Prozess der Glasherstellung in den Anfängen der Glasherstellung spezifisch zurückverfolgen ließen.

„Archäologen beschrieben die parallele Entwicklung von Glas- und Metallherstellung, die sich häufig in engem räumlichen Kontext vollzog. Zu Beginn wurden in der Glasherstellung ähnliche metallische Komponenten verwendet wie zur Herstellung von Metallobjekten. Ein Rückschlag war allerdings, dass in allen drei Farben des Glases auch Fluor gemessen werden konnte; einige isolierte Partikel sogar mit stark erhöhten Mengen. Dieses Element gilt weithin als Hinweis auf Kryolith, ein modernes Flussmittel, das erstmals 1799 in Grönland gefunden und beschrieben wurde. Glücklicherweise stellten die Heidelberger Spezialisten, die aus dem geologischen Bereich kommen, daraufhin sehr schnell fest, dass es sich bei den fluorhaltigen Partikeln um mineralisches Kalziumflourid, also um Flussspat handelt.“

Dieses sehr häufig vorkommende Mineral, das Calciumsalz der Flussäure, gab es im Alten Ägypten in großen Mengen. Auch daraus wurden Objekte hergestellt. Zu diesem Zeitpunkt dauerten die Recherchen bereits zwei Jahre. „Als Nächstes fielen verkrustete Strukturen im Hohlkörper des transparenten Glases auf“, erzählt Boaz Paz weiter: „Wir besorgten uns ein Endoskop und stellten fest, dass immer noch der gebrannte Sandkern darin war. Eine Sensation! Sandkerngeformte Gläser waren weit vor der Zeit des Glasblasens entstanden und enthalten Quarz, der aufgrund des Brennvorgangs (Erwärmung auf über 500 °C) wiederum datierbar ist. Aus dem Inneren des Gefäßes konnte eine ausreichende Menge an Material extrahiert werden, das bei der Herstellung mit dem Glaskörper verschmolzen worden war. Diesen spektakulären Fund schickten wir nach Oxford. Dort sitzen unabhängige Spezialisten für die Thermolumineszenzanalyse, mit denen wir eng zusammenarbeiten. Relativ schnell erhielten wir eine Rückmeldung. Anhand der Proben des Sandkerns ließ sich das Artefakt absolut datieren: Das Objekt stammt aus den Anfängen der Glasherstellung überhaupt (3200/4900 v. Chr.). Über das Ergebnis haben wir uns sehr gefreut. Insgesamt haben alle unsere Untersuchungen viele Geheimnisse des Gefäßes offenbart, die auch anderen Kollegen bei zukünftigen Bewertungen weiterhelfen können.“

Es bedarf jedoch noch viel Forschung, um mehr über die Materialien und Techniken zu erfahren, die in der hohen Kunst der antiken Glasmacherei verwendet wurden.

Lesen Sie mehr in der RESTAURO 3/2017.

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