11.05.2025

Kulturerbe Porträts

Kulturgut retten

Tatjana Held fotografiert das Bischofportal der Ev. Matthäus-Kirchengemeinde Berlin-Steglitz, das sie restauriert hat. Foto: Tatjana Held

Tatjana Held weiß, wie man Kulturgut rettet. Als ausgebildete Drohnenpilotin im THW und Ersthelferin ist die Berliner Restauratorin bei Katastrophen wie Überschwemmungen oder Bränden im Einsatz gewesen. Aktuell arbeitet sie mit dem VDR, um einen Leitfaden zum Umgang mit havariertem Kulturgut zu erstellen.


Schnelle Hilfe

Für die Rettung von Kulturgütern gilt nichts anderes als für die Rettung von Menschenleben: „Je eingespielter ein Team ist und je klarer die Abläufe sind, desto schneller und effektiver kann die Hilfe sein.“ Genau dazu möchte Tatjana Held einen Beitrag leisten, indem sie ihre Erfahrungen unter anderem in einen Leitfaden zum Umgang mit havariertem Kulturgut einfließen lässt. Beim Projekt „KulturGutRetter“ (KGR), das sich noch im Aufbau befindet, war sie schon seit 2019 engagiert, als das Auswärtige Amt es ins Leben rief. Dieser „Mechanismus zur schnellen Hilfe für Kulturerbe in Krisensituationen“ soll greifen, wenn ein Erdbeben, ein Brand oder eine Überschwemmung stattfindet und eine Regierung um internationale Hilfe bittet. Dann steht das Retter-Team parat.


Neun Sattelschlepper zur Rettung

In der Ukraine sind die KulturGutRetter bereits präventiv tätig. Insgesamt neun Sattelschlepper beladen mit 290 Paletten an Hilfsgütern – Luftpolsterfolie, Archivkartons, Feuerlöscher und Sandsäcke – wurden über den UCPM (EU Civil Protection Mechanism,) im vergangenen Jahr in die Ukraine geschickt, wo diese an Museen, Archive, Bibliotheken und andere Kulturinstitutionen und -stätten verteilt wurden.
Um die gespendeten Hilfsgüter schnell und effektiv sammeln und in die Ukraine weiterleiten zu können, etablierten das Deutsche Archäologische Institut, die KulturGutRetter und das THW gemeinsam mit Blue Shield Deutschland e.V., der Deutschen Gesellschaft für Kulturgutschutz e.V. und dem Team des SiLK – SicherheitsLeitfaden Kulturgut sowie mit den Notfall- verbünden in München, Stuttgart, Köln, Halle/Saale, Weimar, Dresden und Berlin ein Logistiknetz. „Netzwerk-Arbeit ist bei der Kulturgutrettung unerlässlich“, weiß Held. So ist das THW – unter der Leitung vom Deutschen Archäologischen Institut sowie dem Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) – ein wichtiger Partner.


Kühler Kopf gebraucht

Um die Arbeit des THW besser zu verstehen, absolvierte Held eine Grundausbildung beim Ortsverband Berlin Steglitz-Zehlendorf. Dort hat sie unter anderem gelernt, Lasten sicher zubewegen, Stiche und Bunde zu binden und schweres hydraulisches Gerät zu bedienen. Die Grundlagen der Rettung und Bergung, der Ersten Hilfe, sowie Themen des Zivil- und Katastrophenschutzes waren ebenfalls Teil der Ausbildung. Seit eineinhalb Jahren leitet Held in Steglitz-Zehlendorf ehrenamtlich den THW-Trupp der unbemannten Luftfahrsysteme. Sie lenkt Drohnen, die Waldbrandgebiete überfliegen und damit der Feuerwehr wichtige Informationen liefern. Zukünftig möchte sie als KulturGutRetterin auch an den internationalen Einsätzen teilnehmen, die gemeinsam mit dem THW ausgeführt werden. „Beim THW habe ich gelernt, dass man im Notfall schnell und flexibel handeln muss“, fasst Held ihre Erfahrungen zusammen. „Man kann bei einer Havarie nicht ewig diskutieren, wenn das Gebäude einzustürzen droht.“ Wichtig sei es vor allem, Verantwortung zu übernehmen und einen kühlen Kopf zu behalten. Es ist im Notfall immer besser, etwas zu machen als es zu unterlassen. Wichtig sei in erster Linie nicht, dass die Objekte aus dem Katastrophengebiet geborgen werden. „Jeder gibt sein Bestes und bringt ein, was er gelernt und bereits eintrainiert hat. Erst im Nachhinein sehen wir, was wir beim nächsten Mal besser machen können.“

Projekte rund um das Thema Kulturgutschutz liegen der Restauratorin Tatjana Held besonders am Herzen. Foto: Tatjana Held

„Leider muss es immer erst eine Katastrophe geben,...“

Gemeinsam mit Violetta Razlaw unterhält sie in Berlin „VITA Konservierung“, ein Restaurierungslabor für archäologisches und historisches Kulturgut. Held ist eine Absolventin des 2010 eingestellten Diplomstudiengangs „Restaurierung von archäologischem Kulturgut“ an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin, an der sie seit 2016 auch Masterstudierende im Rahmen eines Lehrauftrags betreut. Das Thema Kulturgutschutz zieht sich bei Held, die Mitbegründerin des Ausschusses für Kulturgutschutz beim Verband der Restauratoren ist, wie ein roter Faden durch Ausbildung und Karriere. Die Erfahrungen der letzten Jahre hätten ein Bewusstsein der Institutionen dafür geschürt, sich vor Hochwasser zu schützen, etwa durch das Erstellen eines Notfallmanagementplans. „Leider muss es immer erst eine Katastrophe geben, bevor etwas geschieht“, konstatiert Held, die auch Museen berät. „Die Überschwemmung im Ahrtal war wirklich schlimm, aber sie hat den Kulturgutschutz und das damit verbundene Notfallmanagement vorangetrieben.“


Gerüstet sein

Sie selber hatte bereits früh in ihrem Arbeitsleben mit Havariekatastrophen zu tun. So etwa mit den Folgen des Neiße/ Oder-Hochwassers im August 2010, das unter anderem das Klosterstift St. Marienthal in der Oberlausitz überspülte. Als Mitarbeiterin des Landesamtes für Archäologie Sachsen lernte sie damals bereits, dass sich – trotz sorgfältiger Vorbereitung und engagiertem Einsatz – nicht alle Eventualitäten voraussehen lassen. So schickte z. B. die Stadt Köln ihren hochmodernen Notfallcontainer auf einem Feuerwehrfahrzeug in die Krisenregion im Ahrtal. Der Container dient als mobiler Arbeitsraum und als Lagerbehälter für Materialien, die im Schadensfall benötigt werden: So konnten die Helfer noch vor Ort mit der Erstversorgung des beschädigten schriftlichen Kulturguts beginnen. Vielen anderen Bundesländern sei damit erst klargeworden, wie wichtig es ist, auf mögliche Katastrophen vorbereitet zu sein. „Auch das Thema, mehrere Museen zu einem Notfallverbund zusammenzuschließen und mit Blaulichteinheiten zu kooperieren, wird immer dringlicher“, so Held. „Ich wünsche mir eine bundesweite Bündelung aller Forschungsinitiativen/ Projekte zum Thema Kulturgutschutz, auch um das Interesse der Politik aufrechtzuerhalten, denn die nächste Katastrophe kommt bestimmt.“

Übrigens: Die Alte Pinakothek in München bereichert ihre Sammlung mit einem wahren Meisterwerk der Altdeutschen Malerei: Hans Baldung Griens „Maria als Himmelskönigin“. 

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