24.02.2016

Museum

Sharing Heritage

Foto: DERDEHMEL

 

Die Planungen zum Europäischen Kulturerbejahr 2018 haben begonnen

Mit der Entschließung des Europäischen Parlaments im Herbst 2015 ist ein wichtiger Schritt zum Kulturerbejahr 2018 gegangen worden. Auf der Auftaktveranstaltung Mitte November 2015 in Berlin wurde das Konzeptpapier des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz (DNK) präsentiert. Ein Gespräch zu den Herausforderungen und den Erwartungen an das Europäische Kulturerbejahr mit Dr. Uwe Koch, Leiter der Geschäftsstelle des DNK.

 

Seit 1. Juni 2015 leiten Sie die Geschäfte des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz. Welches Fazit ziehen Sie aus diesem ersten halben Jahr?
Dr. Uwe Koch:
Das DNK will den Themenbereich Denkmalpflege und Denkmalschutz stärker in den politischen Diskurs bringen, auch im europäischen Dialog. Dazu arbeiten wir eng mit engagierten Fachleuten aus den vier Arbeitsgruppen des Nationalkomitees zusammen, sie sind uns eine große Stütze. Die Arbeit des DNK ist nur im Zusammenwirken machbar und bisher ist die Zusammenarbeit sehr angenehm.
Seit dem Frühjahr 2015 planen wir ein Europäisches Kulturerbejahr und schieben eine Menge neuer Dinge an. Der Prozess wird von sehr viel Zuspruch und positiven Reaktionen begleitet. Das DNK hat einen wichtigen Impuls gesetzt, doch jetzt bedarf es des Engagements vieler: den Mitwirkenden in den Arbeitsgruppen und nicht zuletzt den Akteuren überall im Land.

Für die Organisation der deutschen Beteiligung am Europäischen Kulturerbejahr 2018 bleibt nicht viel Zeit. Wie gehen Sie diese große Aufgabe an?
Seit Herbst 2015 liegt unser Konzeptvorschlag vor, den wir im engen Zusammenwirken mit unseren europäischen Kollegen erarbeitet haben. Die Idee eines Europäischen Jahres wurde vom Europäischen Parlament und den für die Denkmalpflege zuständigen europäischen Ministerien positiv aufgenommen. Wir hoffen jetzt, dass die Initiative im Jahr 2016 auch von der Europäischen Kommission positiv aufgenommen wird, so dass es dann auch zu einem formalen Beschluss kommt.
Auf nationaler Ebene treffen wir schon jetzt alle Vorkehrungen: Seit dem Sommer tagt ein Nationaler Programmbeirat. Er besteht aus den Vorsitzenden der vier Arbeitsgruppen des DNK, der Vereinigungen der Landesdenkmalpfleger und der Landesarchäologen sowie des Generalsekretärs der deutschen UNESCO-Kommission. Die Vorbereitungszeit ist zwar nicht üppig bemessen, aber die Idee des Europäischen Kulturerbejahres kommt ja nicht wie ein Sommergewitter. Wir sind schon seit einem Jahr mit unseren europäischen Kollegen und mit nationalen Akteuren im Gespräch. Jeder, der sich am Europäischen Kulturerbejahr beteiligen möchte, soll sich auf diesen Zeitpunkt vorbereiten können. De facto werden auch schon Vorschläge an uns bzw. an den Programmbeirat herangetragen. Die Struktur des Kulturerbejahres, sowohl hinsichtlich der Formate als auch der Finanzierung, wird im Moment erarbeitet.

 

Die Grundidee Ihres Konzeptes lautet „Sharing Heritage“. Was steckt dahinter?
Mit dem Konzeptpapier möchten wir zum Ausdruck bringen, dass Europa mehr ist als eine Wirtschafts- und Finanzunion. Das europäische kulturelle Erbe hat nicht nur eine lokale, sondern eine verbindende, sinnstiftende Dimension und zwar nicht nur im historischen Sinne. Sein Erhalt bedarf gemeinsamer Anstrengungen, als Aufgabe für heute und die Zukunft.
In Zeiten wie diesen, in denen sich terroristische Anschläge nicht nur gegen Menschen, sondern bewusst auch gegen ein Jahrtausende altes Kulturerbe richten wie in Syrien, wird die identitätsstiftende Relevanz dieser materiellen Zeugnisse deutlich. Das kulturelle Erbe hat eine verbindende Kraft, das zeigen schon die ersten Arbeitsdialoge um ein Kulturerbejahr in Europa. Mit den europäischen Kollegen gab es überwiegend konsensuale, wenn auch engagierte Diskussionen. Die Begeisterung, die hierbei zum Ausdruck kam, hat etwas sehr tragendes. Wenn man das in die Breite tragen kann in Europa, ist das ein sehr positiver Effekt.

Können Sie uns ein Beispiel für die identitätsstiftende, verbindende Wirkung von „Sharing Heritage“ nennen?
Auf der letzten Tagung der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger wurde die europäische Dimension von Kulturerbe anhand eines mittelalterlichen Taufsteins deutlich: Dieser wurde auf der schwedischen Ostseeinsel Gotland aus Kalkstein gefertigt und zeigt ein byzantinisch geprägtes Bildprogramm. Er steht also für einen doppelten großräumigen europäischen Kulturtransfer. Gleichzeitig hat er für die Kirchengemeinde einen unmittelbaren lokalen Bezug. In diesen Dimensionen zu denken, ist wichtig heutzutage.
Ein Schwerpunkt des Kulturerbejahres wird in der Vermittlung liegen. Die Bedeutung und die Wertschätzung von kulturellem Erbe können durch gemeinsame konkrete Aktivitäten erwachsen. Es gibt unzählige Möglichkeiten, allein im Bereich der Archäologie oder der Baudenkmalpflege: erschließen, aufzeigen, bewahren, konservieren, kontextualisieren. Viele gute Projekte laufen bereits in dieser Hinsicht. Aber gerade für junge Menschen sollen weitere Projekte entwickelt werden, auch mit Hilfe moderner Medien und immer bezogen auf das Denkmal.
Das kulturelle Erbe vor Ort soll im Mittelpunkt stehen. Methoden und Erfahrungen aus dem Bereich der Konservierung und Denkmalpflege sollen auf europäischer Ebene ausgetauscht werden. Wir wollen eine große Plattform und eine möglichst breite Teilhabe erreichen in diesem Jahr. Nicht nur die großen Player, sondern auch Vereine, Initiativen, ehrenamtlich Tätige sollen sich darin wiederfinden. Im Gegensatz zum Europäischen Jahr des Denkmalschutzes 1975 stehen nicht nur Baudenkmale im Fokus. Wir müssen den Begriff Kulturerbe auch auf alle anderen, auch die nichtmateriellen Aspekte, ausdehnen. Musik, Tanz und viele andere Komponenten, die unser gemeinsames europäisches Kulturerbe ausmachen, gehören dazu.

 

Welche Erwartungen haben Sie an das Europäische Kulturerbejahr 2018?
Mir ist wichtig, dass das Europäische Kulturerbejahr nicht als „staatlich verordnetes Programm“ wahrgenommen wird, sondern dass unser Impuls auf eine breite Zustimmung für eine gemeinsame Sache trifft. Bereits jetzt ist spürbar, dass etwas in Gang gekommen ist: Bürgerschaftliche Initiativen, Vereine, Verbände und Stiftungen, aber auch öffentliche Träger greifen unsere dynamische Idee zur Kulturerbepflege auf. So entsteht vielleicht eine neue, auch bürgerschaftlich getragene Dynamik und ich habe den Eindruck, dass dies hier und da schon feststellbar ist. Hier soll nicht staatlich verordnet Geld und Weisheit über uns ausgegossen werden, sondern das eigene Tun und Handeln soll ein Stück weit angeregt werden.

Das Interview führte Heike Schlasse.

Lesen Sie dazu den zusammenfassenden Beitrag zum Kulturerbejahr von Uta Baier auf Seite 11 der RESTAURO 02/16, welche am 10. März erscheint.

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