11.08.2023

Denkmalpflege

Gunnar Ottosson – der schwedische Leinölspezialist

Deutschlands größte Holzkirche steht in Clausthal-Zellerfeld im Harz. Bei ihrer Sanierung erhielt sie ihren ursprünglich blauen Anstrich – diesmal aus Leinölfarbe – zurück
Clausthal-Zellerfeld im Harz. Bei ihrer

Seit drei Jahrzehnten stellt Gunnar ­Ottosson in seiner Manufaktur Leinölfarben her. Von ­Beginn an stand der Nachhaltigkeits­gedanke für den Gründer im Fokus – lange ­bevor der Klimawan­del den ­Begriff ­allgegenwärtig machte. Auch der Denkmalschutz hat mittlerweile die umweltfreundlichen Farben aus Südschweden für sich entdeckt

Deutschlands größte Holzkirche steht in Clausthal-Zellerfeld im Harz. Bei ihrer Sanierung erhielt sie ihren ursprünglich blauen Anstrich – diesmal aus Leinölfarbe – zurück
Seit drei Jahrzehnten stellt Gunnar ­Ottosson in seiner Manufaktur Leinölfarben her.

Der Beginn der Färgmakeri von Gunnar Ottossons

Ursprünglich war die Fassade der größten Holzkirche Westeuropas blau. Das war allerdings nicht mehr zu erahnen, als Gunnar Ottossons Färgmakeri 2013 den Auftrag erhielt, die Leinölfarben zur Renovierung der Marktkirche zum Heiligen Geist in Clausthal-Zellerfeld herzustellen. Zur Bauzeit 1642 galt Blau als Symbol der „göttlichen Weisheit“. Historischen Rechnungen zufolge hatte sich der ursprüngliche Fassadenanstrich aus 1,1 Zentner Bleiweiß und einem Zentner Azurit zusammengesetzt, wodurch sich der exakte Blauton einfach rekonstruieren ließ. Aufgrund der Giftstoffe war Bleiweiß jedoch von vornherein ausgeschlossen. Aus Azurit gewonnene Farbpigmente wiederum zeichneten sich zwar durch intensive, tiefblaue Farbigkeit aus, waren aber auch sehr teuer. Also bedurfte es einer schadstofffreien, bezahlbaren Alternative. Und die bot der schwedische Leinölspezialist Gunnar Ottosson. „Ein blauer Anstrich braucht Fingerspitzengefühl“, erklärt der Geschäftsführer von Färgmakeri, dessen Unternehmen Leinölfarben und -grundierungen herstellt. So wirke eine Fassade stets viel blauer als das Farbmuster, selbst wenn der Ton nur leicht blaugrau sei. Kräftigere blaue Farbtöne verliehen der Fassade sogar ein grelles Aussehen. Um das zu vermeiden, entschieden sich die Restaurator:innen in Abstimmung mit der Denkmalpflege für einen etwas helleren und gedeckteren Farbton als den des Erstanstrichs.

Um dem Original gerecht zu werden und die Kosten überschaubar zu halten, mischte Gunnar Ottosson schließlich Kobaltblau-Pigmente mit Beinschwarz, Umbra, Ocker und Weiß. Die Kombination von Schwarz und Weiß führe zu weichen Blautönen, dem sogenannten „Arme-Leute-Blau“, erläutert er. Leinölfarben in Blau benötigten allerdings etwas mehr Pflege als andere Farbtöne, fügt er hinzu. Tatsächlich war bereits nach einigen Jahren die Südseite der Marktkirche blasser. „Doch gewöhnlich reicht pigmentloses Leinöl aus, um die Farben auch nach Jahren zu revitalisieren“, so Gunnar Ottosson. Der Schwede hatte die Leinölfarbe in den frühen 1980er-Jahren während seines Kunststudiums in Malmö für sich entdeckt, als er mit Holz, Stein und Metall experimentierte. „Meine Arbeiten haben ein Licht und eine Tiefe bekommen, die mir sonst fehlten“, begeistert er sich. Der Kunststudent begann, eigene Farben zu mischen, die seine Kommilitonen ihm schon bald abkauften. „Das war der Beginn von Gunnar Ottossons Färgmakeri“, so der Geschäftsführer des inzwischen mehrfach expandierten Unternehmens. 

Beliebte Farbkombinationen des schwedischen Herstellers Gunnar Ottosson. Foto: Foto: Gunnar Nydrén; aus: „En bok om Linoljefärg...“

„Leinöl erfüllt viele der Kriterien, die wir heute an umweltfreundliche Produkte stellen“

Die Leinölfarben, die in dem kleinen schonischen Dorf Genarp produziert werden, gehen in alle Welt – heute macht der Export rund ein Drittel des Umsatzes aus. Doch was ist so besonders an dieser Farbe, die in Schweden bereits seit 500 Jahren als Anstrich für Gebäude und Möbel dient? Ralph-Uwe Johann bringt es auf den Punkt: „Leinöl erfüllt viele der Kriterien, die wir heute an umweltfreundliche Produkte stellen.“ Johann ist Gunnar Ottossons langjähriger Handelspartner und Geschäftsführer der Deffner & Johann GmbH, die auf Restaurierungsbedarf und Denkmalpflege spezialisiert ist. Leinöl wird aus Flachs gepresst, der aufgrund des gemäßigten Klimas rund um die Ostsee in Schonen und Östergötland besonders gut gedeiht. Das Öl baut sich auf natürlichem Wege ab und ist frei von Schadstoffen. Während die Leinfasern zu Textilien und Papier verarbeitet werden, dienen die Nebenprodukte der Ölgewinnung – Leinkuchen und Leinschrot – als Tierfutter.

Die Färgmakeri erhielt als erstes Industriegebäude in Schweden eine Dachbegrünung mit Sedum-Pflanzen

Ottosson ist stets um Lösungen bemüht, die ressourcenschonend und umweltfreundlich sind – vom Produktionsprozess über die Verpackung bis hin zum Transport. So ist es nur konsequent, dass sich der Betrieb autark aus klimaneutralen Energien speist. Als eines der ersten Unternehmen in Schweden errichtete Ottosson 2009 eine Windkraftanlage, die gemeinsam mit zwei Photovoltaik-Anlagen auf dem Fabrikdach etwa 60.000 kWh Strom im Jahr erzeugt. Für die Belüftung des Baus sorgt ein System mit windgetriebenen Abluftventilen, eine geothermische Wärmepumpe heizt die Räume. Auch erhielt die Färgmakeri als erstes Industriegebäude in Schweden eine Dachbegrünung mit Sedum-Pflanzen. Der Künstler in Ottosson schätzt dabei auch den ästhetischen Aspekt: „Uns gefiel die Idee, ein Dach zu haben, das mit dem Wechsel der Jahreszeiten die Farbe ändert, was natürlich besonders gut zu einer Farbfabrik passt.“

 Gunnar Ottosson stellt seine Färgmakeri im Video vor:

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Rohes Leinöl zieht ohne vorherige Erwärmung tief in den Untergrund ein

So leuchtet der Mauerpfeffer im Frühling goldgelb, um im Herbst einen braunvioletten Farbton anzunehmen. Das Tragwerk und die Fassaden der Firma bestehen aus Beton, Holz sowie 11.000 handgefertigten Ziegelsteinen, die aus einem abgerissenen Herrenhaus stammen. Auf das Recycling der über 170 Jahre alten Ziegel ist Gunnar Ottosson besonders stolz, ebenso wie auf einen 20 Kubikmeter großen Tank, den er 2002 erstand und aufarbeitete. „Für wenig Geld“, wie er betont. In dem Tank lagert seitdem das kaltgepresste Leinöl für mindestens ein halbes Jahr. Dabei setzen sich die Trübstoffe am Boden ab, das pure klare Öl lässt sich an der Oberfläche absaugen. Rohes Leinöl zieht ohne vorherige Erwärmung tief in den Untergrund ein, etwa in Holz oder Mauerwerk, weshalb es sich besonders für Grundierungen im Außenbereich eignet. Allerdings trocknet rohes Leinöl relativ langsam. Eine Erhitzung auf 140 °C verbessert die Trocknungseigenschaften. Während des Kochvorgangs werden dem Öl Sauerstoff und Metallsalze hinzugefügt, damit es schneller oxidiert. Das gekochte, etwas dickere Leinöl dient als Bindemittel für Farben. Traditionelle Produktion kann zukunftsweisend sein, weiß der Geschäftsführer der Deffner & Johann GmbH. Gemeinsam mit Ottosson bietet er Workshops zum Leinölanstrich an, die im Handumdrehen ausgebucht sind. Johann kam bereits sehr früh die Idee, in Video-Tutorials zu vermitteln, wie Leinöl zu handhaben ist. Die Resonanz auf dieses immerhin sehr spezialisierte Thema spricht für sich: Alleine der vor vier Jahren veröffentlichte Ratgeber zur Oberflächenbehandlung erzielte mehr als 77.000 Aufrufe.

Lesen Sie mehr in der RESTAURO 3/2022.

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