04.06.2020

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Gibt es größere Zusammenhänge zwischen klimatischen Bedingungen und kulturellen Entwicklungen?

Meister der gemalten Eisszenen
Meister der gemalten Eisszenen

Alle sprechen über Klimawandel. Wir haben einen kleinen Überblick über die historische Forschung zur Klimaentwicklung zusammengestellt. Denn: Was wissen wir über Klimaschwankungen vor 500 Jahren, vor 5000 Jahren? Und wie haben sie sich auf den Menschen und seinen Erfindungsgeist ausgewirkt?


Das „Eisvergnügen“ von Hendrick Avercamp, Meister der gemalten Eisszenen, zeigt einen zugefrorenen Kanal in den Niederlanden im kalten Winter 1608. Heute sind diese Kanäle meist eisfrei. Foto: Wikimedia Commons / www.teylersmuseum.nl
Das „Eisvergnügen“ von Hendrick Avercamp, Meister der gemalten Eisszenen, zeigt einen zugefrorenen Kanal in den Niederlanden im kalten Winter 1608. Heute sind diese Kanäle meist eisfrei. Foto: Wikimedia Commons / www.teylersmuseum.nl

Am Ende seines bemerkenswerten Buchs über die „Kleine Eiszeit“ im 16. und 17. Jahrhundert führt der Hamburger Historiker Philipp Blom die 1705 erschienene „Bienenfabel“ des Sozialtheoretikers Bernard Mandeville an – eine auch heute noch erschreckend gültige Parabel über eine Ökonomie, die nur solange funktioniert, wie sich alle Beteiligten nur auf ihren eigenen Vorteil konzentrieren und nicht aufs Gemeinwohl. Bloms kluge Betrachtung „Die Welt aus den Angeln“ über die Auswirkung der Abkühlung um ca. 2 Grad nach dem mittelalterlichen Klimaoptimum, das zum Beispiel Weinbau bis hinauf nach Skandinavien möglich machte, erschien 2017, als letzte einer ganzen Reihe von Publikationen, die den Lauf der Geschichte auch als Konsequenz sich wandelnder klimatischer Bedingungen lesen. Die inzwischen in „Jahrhundertsommern“ und handfesten Dürreperioden auch hierzulande greifbaren Folgen des Klimawandels haben das Interesse an diesen historischen Bestandsaufnahmen so gesteigert, dass sämtliche dieser Bücher inzwischen alle auch als Taschenbücher erschienen sind.

Als letztes kam 2019 „Wie das Wetter Geschichte macht“ des in Washington lebenden Wissenschaftskorrespondenten Roland D. Gerste als Paperback heraus (Klett – Cotta, 9,95 Euro). Gerste arbeitet sich darin durch gut 2.200 Jahre Menschheitsgeschichte, klärt auf, wie ein Klima-Optimum das Aufblühen des Imperium Romanum begünstigte, eine durch einen Vulkanausbruch in den Tropen ausgelöste Kälteperiode 541/42 die erste Pestepidemie unter Kaiser Justinian mitverschuldete, oder dass es eine anhaltende Dürreperiode war, die im 9. Jahrhundert zum abrupten Ende der ihre landwirtschaftlichen Flächen gnadenlos überbewirtschaftenden Maya-Kultur führte. Gerstes Parforceritt durch die Geschichte ist immer da besonders packend, wo er größere Zusammenhänge zwischen klimatischen Bedingungen und kulturellen Entwicklungen aufzeigt, von der griechischen Antike bis zu der zunehmenden Trockenheit im Kalifornien des letzten Jahrzehnts. Die ebenfalls ins Buch aufgenommenen, punktuelleren Ereignisse wie das Scheitern der Russlandfeldzüge von Napoleon und Hitler aufgrund besonders klirrender Winter oder das letztlich wegen großer Hitze fehlgeschlagene Stauffenberg-Attentat allerdings überraschen einigermaßen geschichtsfeste Leser weniger.

Ihnen dürfte Wolfgang Behringers erstmals 2011 erschienene „Kulturgeschichte des Klimas: Von der Eiszeit bis zur globalen Erwärmung“ (dtv, 12,90 Euro) ein Lektüre-Fest sein, denn der Saarbrückener Historiker schlägt in fünf Abschnitten nicht nur wirklich große erd- und menschheitsgeschichtliche Bögen. Er verquickt dabei auch frühgeschichtliche bzw. historische mit naturwissenschaftlichen und soziologischen Erkenntnissen, letztere vor allem im Hinblick auf die Veränderungen seit der industriellen Revolution. Gerade dieses, bis in die Gegenwart führendes Kapitel weitet den Horizont: Es zeigt auf, wie wir uns in den industrialisierten Nationen, dank immer weiter fortschreitender Agrar-Technologisierung in den letzten zweihundert Jahren, dem unmittelbaren Einfluss von Witterungsereignissen und den Kräften der Natur auf unser Wohlergehen – vermeintlich – entzogen haben, so dass uns heute ein Bewusstsein für die wahre Macht dieser Kräfte großenteils abhanden gekommen ist.

Lesen Sie mehr zum Thema Klimawandel in der kommenden RESTAURO 4/2020, die am 12. Juni 2020 erscheint, https://shop.georg-media.de/restauro/einzelhefte

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