18.06.2025

Branchen-News

Geschichte, die lebt

Der ursprüngliche Pfeiler wurde vermauert. Im Zuge der Sanierung entfernte man die Klinkersteine. Foto: Paul Schuster

In der Nähe zum Dom befindet sich in der Magdeburger Altstadt das ehemalige Kloster „Unser Lieben Frauen“. RESTAURO hat mit Juliane Schuster über die jüngste Instandsetzung und Restaurierung des Natursteins im Innenbereich der Klosterkirche gesprochen. 


Was war das Ziel der Restaurierungsarbeiten am Naturstein im Innenraum der Klosterkirche, die als Ausstellungs- und Konzertraum fungiert?

Juliane Schuster: Es galt, die Sandsteinelemente im Innenraum an Pfeiler, Brüstungen und Rippenbögen instand zu setzen. Dabei lag der Fokus des Auftraggebers auf einer zurückhaltenden Restaurierung. Das heißt, die Kirche und ihre Entstehung sollten einerseits sichtbar werden, andererseits sollten bei einer Nutzung als Ausstellungsraum die Pfeiler und Bögen so weit in den Hintergrund treten, dass der Fokus der Besucher auf der Ausstellung liegt. Wir arbeiten nun schon sehr lange am Kloster und haben mit der Kuratorin Dr. Annegret Laabs eine gute Basis für Gespräche, Machbarkeiten und die Umsetzung gefunden.


Wissen Sie, wann diese Natursteine verbaut wurden und woher sie stammen?

Juliane Schuster: Das Kloster hat eine lange Geschichte und wurde oft umgebaut und erweitert. Annegret Laabs schreibt in einer ihrer Publikationen, um 1130 bis 1150 wurde die Kirche den neuen liturgischen Bedingungen angepasst, die Westtürme gebaut und die Säulen im Langhaus durch Vierkantpfeiler zur Aufnahme eines zukünftigen Gewölbes ersetzt. Aus dieser Zeit stammen die jetzigen Pfeiler. Der ursprüngliche Sandstein stammt wahrscheinlich aus regionalen Brüchen. Der rote Sandstein erinnert an den Bebertaler Sandstein.

Blick vom Querhaus zum Kirchenschiff. Die Treppenanlage wurde bereits 2018 von der Firma Paul Schuster errichtet. Foto: Paul Schuster
Die Kirche als perfekter Ausstellungs- und Konzertraum. Foto: Paul Schuster

In welchem Zustand befanden sich diese Natursteine vor der Restaurierung?

Juliane Schuster: An einigen Sandsteinelementen kam es zu starken Abbrüchen und Schadensbildern. Im Großen und Ganzen war der Zustand jedoch akzeptabel. Entsprechend der Nutzung in den zurückliegenden Jahrzehnten gab es an den Ecken der Pfeilerbasen Zerstörungen. Insgesamt waren die Pfeiler mit einer Vielzahl von Vierungen und meist zementgebundenen Antragungen übersäht. Oft wurden Befestigungen für Vorhänge, Lautsprecher oder Beleuchtungstechnik verbaut, zurückgebaut und anderswo wieder aufgehängt. Somit ergab sich im Bereich der Pfeiler ein insgesamt sehr unruhiges Bild der Oberfläche durch die Vielzahl an Restaurierungen ohne farbliche Retusche. Die Türgewände der beiden Turmaufgänge waren ebenfalls sehr in Mitleidenschaft gezogen, denn hier wurden mehrfach Türbefestigungen verbaut und ausgetauscht. Es kam zu Rostsprengungen in den Steinen.


Das klingt nach viel Arbeit. Welche Maßnahmen haben Sie genau durchgeführt?

Juliane Schuster: Im Fokus stand die optische Beruhigung der Pfeileroberflächen sowie die Instandsetzung der Fenstergewände und Rippenbögen im Bereich der Obergarden. Im ersten Schritt führten wir eine Reinigung aller Oberflächen durch, um verdeckte Schäden begutachten zu können. Dabei entfernten wir alle Einbauteile, wie Nägel oder Anker, und dampften die Pfeiler probeweise ab. Durch Verschmutzungen der vergangenen Jahrzehnte waren auch so einige Zementantragungen erst nach der Reinigung ersichtlich. Fehlende Architekturkanten stellten wir ansatzweise durch Antragungen und Vierungen wieder her und schlossen dabei auch diverse Montagelöcher. Stark geschädigte Sandsteinelementen haben wir mit Postaer Sandstein aus Pirna ausgetauscht. Wo es nötig war, haben wir ebenfalls farblich retuschiert. Für diese Maßnahmen benötigten wir einige Zeit: Im Sommer 2020 begannen wir mit den Abstimmungen für die Bearbeitung von insgesamt 1.670 Quadratmetern Natursteinflächen. Der Abschluss der Arbeiten erfolgte zwei Jahre später. Im Schnitt waren vier bis fünf unserer Mitarbeiter vor Ort.

 


Wie lief die Planung und letztendlich auch die Umsetzung bei diesem Projekt?

Juliane Schuster: Die Planung, Ausschreibung und Bauleitung erfolgte durch das Büro Hartkopf denk mal architektur. Die Zusammenarbeit mit Prof. Regine Hartkopf war sehr konstruktiv und spannend. In Abstimmung mit unserer Diplom-Restauratorin Maren Matthei wurden alle einzelnen Schritte besprochen und umgesetzt. Maren Matthei beschäftigen wir übrigens neben unseren Steinmetzen für besonders sensible Arbeiten. Von ihr profitieren alle Steinmetze, denn sie leitet an und korrigiert ebenfalls bei Bedarf. Im Inneren der Klosterkirche befand sich fast über die gesamte Bauzeit hinweg ein Innenraumgerüst – dies erschwerte die Arbeiten der Retusche erheblich, da die Retuschen immer mit einem sehr künstlichen Lichteinfall erfolgen mussten. In Abstimmung mit der Bauleitung konnten wir erreichen, diese Arbeiten erst fast gänzlich nach dem Rückbau des Gerüstes durchzuführen. Die damit verbundene Bauzeitenverlängerung wurde durch alle Beteiligten bewilligt. Ein in Kauf genommener Zeitverzug zugunsten einer Restaurierung – das haben wir bisher selten erlebt. Das Landesamt für Denkmalpflege sowie die ansässige untere Denkmalschutzbehörde wurden bei Abstimmungen und Fragen immer eingebunden. Die Zusammenarbeit zwischen Behörden, Bauherr, Nutzer und Planer gelang an diesem Objekt tadellos.

Steinmetzmeister Stefan Schuster bei der Herstellung eines Werkstücks für den Bereich der Obergarden. Foto: Paul Schuster

Worauf musste besonders geachtet werden?

Juliane Schuster: Wie bei jedem Objekt: auf die Kosten. Eine Restaurierung in dieser Größenordnung ist während der Ausschreibung nur schwer in konkrete Zahlen zu fassen. Nach der Reinigung traten Schäden zutage, die vorher nicht sichtbar waren. Baubegleitend erstellten wir eine umfangreiche Dokumentation der einzelnen Bauteile, nur so konnten die laufenden Kosten im Blick behalten werden. Die Restaurierung sollte zurückhaltend ausgeführt werden. Da es eine Definitions- und Ansichtssache ist, wie viel Antragung nötig ist, um den Wünschen aller Beteiligten Rechnung zu tragen, haben wir uns entschieden, einzelne Bauteile jeweils zwei bis drei Mitarbeitern zuzuteilen, um in der Klosterkirche im Ganzen ein einheitliches Bild entstehen zu lassen.


Welche besonderen Herausforderungen gab es?

Juliane Schuster: Eine Herausforderung war definitiv die Abstimmung aller Gewerke. Die Klosterkirche erhielt eine umfassende Instandsetzung. Normalerweise sind wir allein oder mit maximal zwei weiteren Gewerken an einem Objekt beschäftigt. Hier wurde eine neue Fußbodenheizung verlegt, Elektroinstallation, Putz und Fenster erneuert, ein neuer Sichtestrich verbaut und im Chor ein neues Gewölbe eingebaut. Wenn man mit so vielen Gewerken in einer Kirche zusammenarbeitet, ist ein Kirchenraum plötzlich doch ganz klein. Die Abstimmungen funktionierten allerdings sehr gut, da zum größten Teil lokale Firmen beteiligt waren.


Wie beurteilen Sie das fertige Ergebnis?

Juliane Schuster: Ich bin sehr zufrieden. Ich gebe aber auch ehrlich zu, dass das Kloster Unser Lieben Frauen eins meiner Lieblingsobjekte ist. Wir arbeiten seit 2015 fast durchgehend an irgendeiner Ecke dieses Objektes. Und so war es mir ein besonderes Anliegen, mit unserer Firma nun auch die Instandsetzung im Inneren durchzuführen. Von den Verantwortlichen haben wir nur positives Feedback erhalten. Ein besonderer Moment war für mich, als ich während der Beleuchtungseinstellung das Kircheninnere ohne Bestuhlung und ohne Ausstellung erleben durfte. Dort stand ich nach zwei Jahren Bauzeit und ließ Revue passieren, mit welchen Widrigkeiten wir zu kämpfen hatten. Das Ergebnis erfüllt mich mit Stolz. Die Kirche hat heute eine ganz andere Wirkung, als ich sie noch aus meiner Kindheit kenne. Wesentlich ruhiger und besinnlicher.

Weiterlesen: Die Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbibliothek (GWLB), im 17. Jahrhundert als fürstliche Sammlung gegründet, verfügt über wertvolle historische Bestände und sichert einen wichtigen Teil des niedersächsischen Kulturerbes. 

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