In Belgien ist die seit Jahrzehnten größte Schau des spätgotischen flämischen Malers Dieric Boots im M-Museum Leuven zu sehen, in der Stadt, in der er lebte und arbeitete. Für das Art-Handling von „Dieric Bouts. Bildermacher“ zeichnet das belgische Büro des niederländischen Kunsttransportunternehmens HIZKIA verantwortlich.

Zwischen Beyoncé und Star Wars
Viel ist über sein Leben nicht bekannt, außer der Tatsache, dass er es mit seiner Malerei zu Ruhm und Wohlstand gebracht hat. Dieric Bouts starb am 6. Mai 1475 in Leuven. 30 Jahre zuvor war er aus Haarlem in die flämische Stadt gekommen, die im 15. Jahrhundert unter burgundischer Herrschaft eine Blütezeit erlebte. Hier heiratete er die Patriziertochter Catharina van der Brugghen. Zwei der vier Kinder brachten es als Maler ebenfalls zu Ansehen. Noch nie waren so viele Werke des Malers in seiner Heimatstadt versammelt. Sie werden in der Schau direkt mit Werken zeitgenössischer „Bildermacher“ und „Bildermacherinnen“ wie der Filmplakate-Grafikerin Amira Daoudi, Fotografien der Pop-Ikone Beyoncé oder Sequenzen von George Lucas’ “Star Wars“ konfrontiert. Neben der traditionellen historischen Herangehensweise verfolgt Kurator Peter Carpreau einen „transhistorischen“ Ansatz, der den Betrachter mit dessen Kultur in den Fokus rückt. Die vollständige Hängung erforderte fünf Tage mit drei Teams von je zwei Mitarbeitern und danach zwei Tage mit zwei Teams von zwei Mitarbeitern.
Spezieller Transport
HIZKIA, einer der wichtigen Player im internationalen Kunsttransportgeschäft, koordinierte die Verpackung und den Transport der Leihgaben aus Belgien, den Niederlanden, Deutschland, Österreich, Frankreich, Portugal, Spanien, Italien, dem Vereinigten Königreich und den USA. Entsprechend den Anforderungen wurden verschiedene Arten von Transportkisten verwendet, beispielsweise maßgeschneiderte Klimakisten oder HIZKIAS typische Schildkrötenkisten. Die zweite Generation setzt inzwischen ganz auf Hightech. Sie beinhalten etwa Verbundwerkstoffe, die von der NASA in ihren Raketen verwendet werden. Einige von ihnen verfügen auch über ein spezielles Stoßdämpfungssystem und einen Datenlogger, dessen Sensoren etwa die Temperatur, Spannung, Strom, Widerstand, Frequenz oder Druck in eine elektrische Signalspannung umwandeln. „Mehrere Gemälde wurden erst 24 bis 48 Stunden nach ihrer Ankunft im Museum ausgepackt, damit sie sich an die Temperatur und relative Luftfeuchtigkeit im Ausstellungsraum gewöhnen konnten“, erklärt Isabelle Van den Broeke, Leiterin der Abteilung für Ausstellungen antiker Kunst. „Außerdem wurden mehrere Bilder vor dem Transport in eine Klimabox gelegt. Für sieben Gemälde wurde eine Vitrine mit passiver Klimatisierung (Silica) gebaut. Einige Werke werden dauerhaft bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 50 oder 55 Prozent aufbewahrt, aber beispielsweise ‚Das Martyrium des Heiligen Hippolytus‘, eine Leihgabe aus der St.-Salvator-Kathedrale in Brügge, wird bei 65 Prozent gehalten. Das Klima in den Vitrinen wird durch in der Vitrine angebrachte Klima-Lesegeräte überwacht.“
Forschung im Vormarsch
Das Triptychon des Heiligen Sakraments, („Das letzte Abendmahl“), Bouts’ Opus Magnum von 1464, wurde einen Monat vor der Installationsphase der Ausstellung von der Saint-Peterskirche in Leuven ins Museum transportiert, um Fotos und Scans für technischwissenschaftliche Untersuchungen anzufertigen. In dem Triptychon spiegeln sich Bouts’ Pionierleistungen des nordalpinen Einsatzes der Fluchtpunktperspektive und die Tiefe seiner lasierenden Malerei. An seine Stelle ist temporär eine zeitgenössische Multimedia-Installation der US-Künstlerin Jill Magid gerückt. IPARC (International Platform for Art Research and Conservation) hat von jedem Flügel Makro-RFA-Scans erstellt. Insgesamt wurden 16 Scans mit einer Spotgröße von 550 μm durchgeführt. Die Scans wurden in einem gesicherten Bereich im Museumsdepot durchgeführt. Die ersten Forschungsergebnisse wurden in einer kleineren Ausstellung im M-Museum Leuven vom 16. Februar 2024 bis zum 28. April 2024 unter dem Titel „Atelier Bouts. Forschung und Restaurierung von Meisterwerken“ vorgestellt.


Turbulent und außergewöhnlich
Das Triptychon der Kreuzabnahme aus der Capilla Real in Granada, ein monumentales Werk, das zum ersten Mal seit mehr als 500 Jahren wieder ausgeliehen ist, wird nach der Ausstellung ebenfalls vom Königlichen Institut für Kulturerbe (KIK/IRPA) restauriert. Das Projekt wird zwei Jahre dauern. Das Triptychon besteht aus drei mit Ölfarbe bemalten Tafeln: In der Mitte ist die „Kreuzabnahme“, links die „Kreuzigung“ und rechts die „Auferstehung“ zu sehen. Seit dem späten 19. Jahrhundert wird die Zuschreibung an Dieric Bouts von den meisten Kunsthistorikern anerkannt. Das Triptychon erlebte eine turbulente Geschichte der Modifikationen, die viele materielle Spuren hinterließ. So wurden beispielsweise die Seitenteile abgesägt, als das Altarbild 1753 in ein größeres Kunstwerk integriert wurde. Das außergewöhnliche Meisterwerk soll nach einer Station im Dendrochronology Lab einer sorgfältigen Konservierungsbehandlung im Painting Studio unter der Leitung der Restauratorin Livia Depuydt unterzogen werden, flankiert von einer kunsthistorischen Analyse durch das Centre for the Study der flämischen Primitiven.
Farben unter der Lupe
Insbesondere die Mitteltafel des Triptychons ist in einem schlechten Erhaltungszustand. An mehreren Stellen sind die ursprünglichen Farbschichten verschwunden. Die Lücken und andere Schäden wurden bei früheren Eingriffen retuschiert oder übermalt. Es wurde festgestellt, dass sich diese Retuschen nicht auf die beschädigte Stelle beschränkten, sondern auch die Originallackierung von Bouts übermalt wurde. Aufgrund verschiedener chemischer Prozesse veränderten sich die Helligkeit, Farbe und Transparenz im Laufe der Jahre. Die bei späteren Eingriffen verwendete Farbe hat eine andere Zusammensetzung als die ursprünglich von Bouts verwendete. Die verschiedenen Lackarten haben einen unterschiedlichen Alterungsprozess und sehen daher heute nicht mehr gleich aus. Im Steinbogen erkennt man die verfärbte Übermalung, die einst die gleiche Farbe wie Bouts’ Farbe hatte, als braune Flecken. Bei der Restaurierung werden diese Übermalungen und alten Retuschen entfernt, sodass Bouts’ Originalfarbe wieder vollständig sichtbar ist. Die Lücken werden noch einmal retuschiert. Nur dass diesmal keine Farbe von Bouts übermalt wird. Die Retuschen werden mit einer Spezialfarbe durchgeführt, die vollständig reversibel ist und daher in Zukunft problemlos und ohne Beschädigung entfernt werden kann. Der Zweck dieser neuen Retuschen besteht nicht darin, Schäden zu verbergen, sondern sicherzustellen, dass diese Schäden die Ästhetik der Originalkomposition nicht beeinträchtigen.


Klares Verständnis
In den nächsten zwei Jahren wird M-Leuven regelmäßig über den Stand dieses ehrgeizigen Restaurierungsprojekts berichten. In der Ausstellung hängt das Triptychon der Kreuzabnahme neben einer kleineren Kopie vom Ende des 15. Jahrhunderts, einer Leihgabe des Real Colegio y Seminario de Corpus Christi – Museo del Patriarca, Valencia. Da das Studium alter Kopien für die Restaurierung und Erforschung eines Werkes von entscheidender Bedeutung ist, erhielten das M-Museum und KIK/IRPA die Erlaubnis, das Werk mit Makrofotografie bei Normallicht und Infrarotreflektografie für die Untersuchung der Unterzeichnungen zu dokumentieren. „Diese Dokumentationen sollen helfen, die Beziehung zwischen den beiden Werken und dem damaligen Zustand des Granada-Werks besser zu verstehen“, resümiert Van den Broeke. „Nicht nur die Ecken und Seiten des Valencia-Werks geben einen Eindruck davon, wie das Granada-Triptychon ursprünglich präsentiert wurde, sondern auch die stark retuschierten Bereiche im Granada-Werk selbst lassen sich so leichter nachvollziehen.“