Gauguin unexpected — 3.10.-19.1.25 im Kunstforum Wien: Eine Ambivalenz zwischen Genialität und kolonialer Realität
Das Bank Austria Kunstforum Wien zeigt derzeit bis Januar 2025 eine umfassende Retrospektive zu Paul Gauguin – eine Ausstellung, die seit den 1960er Jahren erstmals wieder in Österreich zu sehen ist. Unter dem Titel „Gauguin – unexpected“ wird das vielseitige Schaffen eines der einflussreichsten Künstler der Moderne präsentiert. Die Schau umfasst über 80 Werke, darunter Gemälde, Druckgrafiken, Holzschnitte und Skulpturen, und begleitet Gauguin von seinen frühen postimpressionistischen Anfängen bis zu seinem bedeutenden Einfluss auf die Moderne.
Überraschend ist in diesem Zusammenhang vor allem, dass die Ausstellung überhaupt noch realisiert wurde. Die Planungen dafür begannen bereits in den Jahren vor der Pandemie und mussten mehrfach verschoben werden. Der Ukrainekrieg erschwerte zudem die Beschaffung relevanter Leihgaben, insbesondere aus der Eremitage in St. Petersburg. In der heutigen internationalen Kunstlandschaft nehmen viele Museen zunehmend Abstand davon, Gauguin mit großangelegten Einzelausstellungen zu zeigen, da seine Jahre in den französischen Südseekolonien und sein umstrittener Lebensstil nicht mehr komplett kontextlos gezeigt werden können. Diese Aspekte harmonieren nur schwer mit den kritischen Perspektiven, die der postkoloniale Diskurs in die Kunstwelt einbringt.
Paul Gauguins Bedeutung für die Kunstgeschichte ist jedoch unbestritten. Seine innovative Verwendung von Farbe, Form und Symbolik ebnete den Weg für Strömungen wie den Fauvismus und Expressionismus. Doch seine Werke sind weit mehr als nur ästhetische Meisterleistungen. Sie reflektieren auch eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit den Gesellschaften, die er bereiste, und den inneren Konflikten, die sein künstlerisches Schaffen prägten. Besonders seine Reisen nach Tahiti und auf die Marquesas-Inseln inspirierten ihn zu seinen wohl bekanntesten Werken -farbenprächtige und faszinierende Szenen, die gleichzeitig von einer romantisierten und problematischen Darstellung der „fremden“ Kulturen zeugen.