seit 2007 Welterbe-Koordinator der Stadt Regensburg. Foto: privat
seit 2007 Welterbe-Koordinator der Stadt Regensburg. Foto: privat

Wie sieht das Berufsbild eines Welterbe-Managers aus? Welche Skills sind hier gefragt? Was bedeutet Welterbe-Monitoring? Und wie stark setzt man auf Partizipation? Mit Dr. Matthias Ripp, Welterbe-Koordinator der Stadt Regensburg, sprach Dr. Ute Strimmer

Die Erlangung, aber auch die Erhaltung des UNESCO-Welterbetitels ist eine komplizierte und langwierige Angelegenheit. Dennoch: Für viele Kulturreisende ist der Titel „UNESCO-Welterbe“ ein Reiseanlass und er wirkt sich zweifellos identitätsstiftend für die Stadt aus. Das Image einer Stadt, einer Region kann enorm profitieren. Regensburg wurde am 13. Juli 2006 als 32. Welterbestätte in Deutschland in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen. Welterbe-Koordinator der Stadt Regensburg ist seit 2007 Dr. Matthias Ripp. Seine Hauptaufgaben sind die Vernetzung mit lokalen, nationalen und internationalen Institutionen, die Koordination und Entwicklung von nachhaltigen Managementstrategien, Monitoring und Vermittlung. 

Die Welterbe-Stadt Regensburg von oben: Eines ihrer Wahrzeichen ist die Steinerne Brücke aus dem 12. Jh. Sie ist 310 Meter lang, hat 16 Bögen und verbindet den Stadtteil Stadtamhof mit der Altstadt. Foto: Stadt Regensburg, Amt für Archiv und Denkmalpflege

Der Schutz der Welterbestätten steht im Vordergrund

Aber wie wird man eigentlich Welterbe-Manager? „Die Rolle eines Site-Managers für Kulturerbestätten hat sich erst in den letzten 15 Jahren formiert“, erklärt Matthias Ripp. „Meine Kollegen haben sehr unterschiedliche Hintergründe. Das reicht von einem Denkmalpflegestudium bis zu Ausbildungen im Bereich International Relations. Ich selbst bin historischer Geograph, habe aber in meinen Nebenfächern auch Denkmalpflege, Bauforschung, Urbanistik und Sozialplanung studiert, bevor ich dann letztes Jahr in Heritage Studies
promoviert habe. An meinem eigenen Hintergrund kann man schon die Bandbreite der Themen erahnen.“ Der Schutz der Welterbestätten steht im Vordergrund seiner Arbeit. Bei komplexen Stätten wie etwa Städten sei das bereits das eine komplexe und fordernde Aufgabe, führt Matthias Ripp weiter aus.

Die „Porta Praetoria“ ist eines der ältesten noch erhaltenen Bauwerke in Regensburg. Foto: Wikimedia Commons / Rosa-Maria Rinkl

Verbesserung der finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen für Welterbe-Städte

Bau- und Planungsprojekte müssen mit übergeordneten Behörden abgestimmt und regelmäßige Berichte im Rahmen des „Periodic Reporting“ an die UNESCO vorbereitet werden. „Darüber hinaus kommt natürlich der Vermittlung der Welterbestätten an unterschiedliche lokale und überregionale Zielgruppen eine besondere Bedeutung zu. In Regensburg haben wir dazu bereits vor elf Jahren ein sehr beliebtes Besucherzentrum entwickelt. Ein Konzept, das von vielen Welterbestätten mittlerweile übernommen wurde. Wir betreiben dieses Besucherzentrum mit eigenem Personal. Die Einwerbung von Fördermitteln (in Regensburg über 17 Mio. in den letzten zwölf Jahren) ist eine weitere Aufgabe genauso wie die Mitarbeit in Städtenetzwerken auf nationaler und internationaler Ebene. Wir versuchen über diese Netzwerke auch die finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen für Welterbe-Städte zu verbessern.“

Welche Skills braucht ein Site-Manager?

 

Das Aufgabenspektrum ist breit: Eine Vielzahl von Fähigkeiten und Wissen ist gefordert. Neben Fachwissen gehören dazu vor allem Moderations- und Kommunikationsfähigkeiten, aber auch das, was heute als Leadership-Skills bezeichnet wird oder spezielles Know-how im Bereich Welterbevermittlung, erläutert Matthias Ripp. Spezielle Weiterbildungsmöglichkeiten dazu existieren. „Es gibt punktuell verschiedene Angebote, bei denen man einzelne Fähigkeiten trainieren kann. So ist z.B. ICCROM in den letzten Jahren vermehrt mit Kursen aufgetreten in denen Skills für Site Manager gelernt werden können. Und auch wir haben im Rahmen eines internationalen Netzwerks, der OWHC (Organisation for World Heritage Cities – OWHC (ovpm.org)) verschiedene Kurse angeboten, zum Beispiel zum Thema „Heritage Interpretation“, einer neuen Vermittlungsmethode, oder erst vor einigen Wochen zum Thema „Design Thinking“ um Site Manager stark darin zu machen, neue und zielgruppengerechte Projekte zu entwickeln und zu steuern.“ Gerade in Europa gäbe es vielfältige Möglichkeiten über EU-Projekte Wissen zu mehren oder Lösungen für spezifische Probleme zu entwickeln, sagt Matthias Ripp. „Dafür braucht es aber Projektmanagementkompetenzen, Sprachkenntnisse und natürlich auch Know-how im Bereich Projektfinanzierung und Abrechnung. Das World Heritage Site Manager Forum der UNESCO ist eine Plattform, um den Austausch zwischen den Site-Managern zu fördern und ein kollegiales Netzwerk aufzubauen. Es ist einfach unglaublich hilfreich, wenn man einen kurzen Draht zu Kollegen hat und unkompliziert und kurzfristig zu speziellen Themen fragen kann.“

Naturkatastrophen, bewaffnete Konflikte oder unkontrollierter Tourismus

 

Welterbestätten sind heute vielfältigen Gefährdungen – Naturkatastrophen, bewaffneten Konflikte oder unkontrollierten Tourismus – ausgesetzt. Die UNESCO stellt dazu auf ihren Seiten diverse Manuals zu Verfügung. Dass die Bandbreite im Heritage Management umfangreich ist, bestätigt Mattias Ripp. „Wir haben selbst diverse Manuals mitentwickelt, zum Beispiel einen Leitfaden im Projekt HerO- Heritage as Opportunity, wie man einen guten Managementplan erstellt, oder erst letztes Jahr im EU-Projekt REDISCOVER ein Handbuch, wie man jüdisches Kulturerbe gut vermittelt und eventuell Inwertsetzen kann.“ Allerdings sollten diese „Guidelines“ überschätzt werden. Viel wichtiger sei laut Matthias Ripp nach ein starker und befähigter Site-Manager, damit vor Ort das Kulturerbe gut koordiniert wird. Denn: „Papier ist geduldig. Viele der ,Guidelines` oder ,Manuals‘ werden von Wissenschaftlern oder Mitarbeitern oberer Verwaltungsbehörden verfasst, denen aber manchmal die Erfahrung auf der lokalen Ebene – wo nun einmal der Großteil der Arbeit stattfindet – fehlt. Aus meiner Sicht sind in der täglichen aber auch in der strategischen Arbeit Skills wie Innovationskompetenz, Präsentationsgeschick und Empathie oft mindestens genauso wichtig, um erfolgreich zu sein. Leider lernt man diese Dinge selten an den Universitäten.“

„Von der UNESCO gibt es kaum Vorgaben, wie ein Managementplan auszusehen hat“, so Matthias Ripp

 

Die Stadt Regensburg hat schon vor Jahren erfolgreich einen eigenen Managementplan entwickelt. „Von der UNESCO gibt es kaum Vorgaben, wie ein Managementplan auszusehen hat“, erklärt Matthias Ripp. „Gemeinsam mit neun anderen Städten sind wir daher schon 2008 an die Entwicklung einer Methode gegangen, wie man einen Plan – integriert und mit Bürgerbeteiligung, aber auch umsetzbar – erstellen kann. Das Handbuch zu dieser Methode wird bis heute bei uns nachgefragt. Ein Schwerpunkt war nicht nur den Schutz in den Vordergrund zu stellen, sondern auch zu definieren, wie das Kulturerbe als Ressource für nachhaltige Stadtentwicklung eingesetzt werden kann.“ In Regensburg sind daraus viele erfolgreichen Projekten entstanden, darunter das Haus der Musik, eine Umnutzung eines historischen Gebäudes, bei dem nachhaltige Energie mittels einer Wärmegewinnung aus Abwasser implementiert wurde, führt Matthias Ripp weiter aus. „Bei der Entstehung des Plans waren die Bürgerinnen und Bürger miteinbezogen und im Plan, der dann vom Stadtrat beschlossen wurde, sind die Ideen der Bürger enthalten und besonders gekennzeichnet. Die Art und Weise wie unser
Managementplan entstanden ist, war Vorbild für viele andere Welterbe-Städte in Deutschland und Europa. Überhaupt sehe ich, dass sowohl integrierte Managementpläne als Planungsinstrument aber auch Site Manager als neue koordinierende Schnittstellen mittlerweile auch in anderen Kulturerbe-Programmen wie zum Beispiel dem European Heritage Label diskutiert werden.“ 

Eine Kurzfassung der Geschichte von Regensburg erfahren Sie im Video:

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Der Klimawandel ist ein Riesenthema

 

Herausforderungen gibt es in Zukunft genügend. Ein Riesen-Thema sei der Klimawandel, erläutert Matthias Ripp. „Dazu gehört die nicht immer einfache Anpassung des urbanen Kulturerbes, die Aufgabe, unsere Städte nicht nur nachhaltig, sondern auch resilient zu gestalten und dabei natürlich den Schutz des Welterbes nicht zu vernachlässigen.“ Ein weiteres Querschnittsthema, das vor allem bei der Vermittlungsarbeit wichtig ist, sei die Digitalisierung. „Verwaltungen gehören vielleicht nicht immer zu den Innovationsträgern. Aber wir müssen trotzdem mithalten, um vor allem auch unsere jüngeren Zielgruppen mit unseren Angeboten zu erreichen. Die nächste Krise ist immer die, auf die man sich nicht vorbereitet hat, und daher kämpfen wir natürlich auch noch mit den Auswirkungen der Corona-Krise, die vieles verändert hat und nicht zuletzt personelle und finanzielle Ressourcen reduziert hat. Andererseits hat gerade auch diese Krise gezeigt, wie wichtig das kulturelle Erbe für das Wohlbefinden und die Identität der Bevölkerung ist.“

Den Management-Plan der Stadt Regensburg können Sie sich hier herunterladen.

In der Ausgabe 5/2022 fokussiert RESTAURO erstmals in einem Welterbe-Special UNESCO-Welterbestätten.

Lesetipp: Die fünfbändige Buchedition „Der Dom zu Regensburg“ ist ein beeindruckendes Projekt. Noch nie ist wie im Falle des Regensburger Doms St. Peter eine monumentale Kathedrale in solcher Gründlichkeit vermessen, fotografiert, dokumentiert und analysiert worden.

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