02.08.2017

Projekte

Ein Kleid aus Glas

weißlichen Bänder bestehen vollständig aus Glasfasern

Derzeit wird im Rahmen einer Dissertation ein Kleid aus Glasfasern am Deutschen Museum in München restauriert und konserviert. Hergestellt wurde es Ende des 19. Jahrhunderts und zwar als Marketing-Gag für die amerikanische Libbey Glass Company.

Charlotte Holzer, Textilrestauratorin am Deutschen Museum in München, zeigt RESTAURO einen aus Glasfasern gewebten Rock, der nun restauriert und konserviert wird. Hergestellt wurde er als Teil einer luxuriösen Abendrobe von der Libbey Glass Company in Toledo, Ohio für die Weltausstellung 1893. Im Hintergrund zu sehen ist die Abbildung einer zeitgenössischen Karte, die als Marketing-Zweck hierfür gedruckt wurde und eine Schaufensterpuppe, die das Originalmodell trägt, zeigt. Foto: RESTAURO
Anhand einer Abbildung des Toledo Museum of Arts, Ohio erklärt Textilrestauratorin Charlotte Holzer den Herstellungsprozess der hauchdünnen Glasfasern, mit denen das Kleid gewebt wurde. Foto: RESTAURO
Deutlich sind hier in der Detailaufnahme des Rocks die Schäden sichtbar. Die geflochtenen, weißlichen Bänder bestehen vollständig aus Glasfasern, der gelbliche Stoff ist aus Seidengewebe. Foto: RESTAURO

Eine brillante Marketing-Idee

Der Gedanke, Glas als Rohstoff zur Textilherstellung und noch dazu für eine luxuriöse Abendrobe zu verarbeiten, scheint ungewöhnlich. Doch das Kleid aus Glasfasern und Seide, das Textilrestauratorin Charlotte Holzer im Rahmen ihrer Dissertation an der Technischen Universität München im Deutschen Museum restauriert, lässt auf den ersten Blick nichts von dem außergewöhnlichen Materialmix erkennen.

Die Kombination aus Oberteil und Rock wurde von der Libbey Glass Company aus Toledo, Ohio angefertigt. Als Highlight sollte es vor allem Besucher auf der Weltausstellung in Chicago (1893) anziehen. „Davon gab es insgesamt drei Stück, einen Prototyp und zwei Kopien“, erklärt Doktorandin Charlotte Holzer. Das Vorbild befindet sich heute im Besitz des Toledo Museum of Arts. Das Kleid aus dem Deutschen Museum stiftete Maria de la Paz, die Ehefrau Prinz Ludwig Ferdinands von Bayern im Jahr 1924. Ihre Schwester, Infantin María Eulalia von Spanien hatte es von ihrem Besuch der Weltausstellung nach Europa gebracht.

Wie funktioniert die Technik „Arbeit vor der Lampe“?

Wie genau der Herstellungsprozess der hauchdünnen Glasfasern funktionierte, erläutert Restauratorin Charlotte Holzer anhand einer Abbildung des Toledo Museum of Arts, Ohio. „Das Ziehen der Glasfäden, auch Glasspinnen genannt, wurde mit Hilfe einer Glasbläserlampe durchgeführt. Man erhitzt den Glasstab in der Flamme einer Gaslampe und zieht dann einen Faden ab, dessen Ende auf einem Rad fixiert wird. Durch gleichzeitiges Nachschieben des Glasstabes und Drehen des Rades wird der Faden kontinuierlich weiter ausgezogen.“ Den Webstuhl zur Herstellung des Gewebes bespannte man mit seidenen Kettfäden und schob abwechselnd Glasfaserbündel und Seidenfäden ein. „So wurden die Glasfasern beim Zusammenschieben nicht zu sehr beansprucht und der Seidenfaden diente als Puffer“, schildert die Restauratorin. Insgesamt wog das Glasfaserkleid rund sechs Kilogramm.

Erstellung eines Konservierungskonzepts

Charlotte Holzer beschäftigt sich aktuell mit Fragen rund um die Zusammensetzung der verarbeiteten Materialien und deren Alterungsphänomenen, um ein Restaurierungs- und Konservierungskonzept zu erstellen. Nach ausführlicher Kategorisierung und Kartierung der Schäden konnte mit Reinigungstests begonnen werden. Zunächst an losen Faserproben des Kleides und Vergleichsstücken im Corning Museum of Glass in Corning, NY. Die dabei entwickelte Vorgehensweise wird derzeit bei der Arbeit am Glasfaserkleid verfeinert.

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